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An mehreren Orten «zuhause»

Grenzüberschreitende Mobilität älterer Migrantinnen und Migranten: eine Herausforderung für die Soziale Arbeit?

von Sylvie Johner-Kobi
Sie kamen in den 50er- bis 70er-Jahren zumeist in jungen Jahren als Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in die Schweiz – aus Ländern wie Italien, Spanien, Portugal, der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien. Der Plan war, hier für kurze Zeit Geld zu verdienen für ein besseres Leben zuhause. Doch viele von ihnen sind geblieben, sind inzwischen in der Schweiz verwurzelt, ohne jedoch die enge Verbindung zu ihrem Herkunftsland aufzugeben – und sie sind inzwischen im Rentenalter. Sie sind also örtlich ungebundener und setzen sich mit ihrer künftigen Lebensplanung auseinander. Es stellt sich ihnen unter anderem die Frage nach der für sie passenden Lebens- und Mobilitätsform, mit der sie alte und neue Heimat unter einen Hut bringen können. Was bedeuten diese transnationalen Lebensmuster für die Soziale Arbeit?

Rentenbeziehende mit mehr als einer Heimat

Sozialarbeitende in Beratungsangeboten im Alters- und Migrationsbereich haben zunehmend mit dieser Personengruppe zu tun. Ergebnisse aus früheren Studien zeigen, dass transnationale Lebensmuster zumindest für einen Teil von ihnen eine grosse Bedeutung haben. Sie pendeln beispielsweise zwischen Herkunfts- und Aufnahmeland, leisten finanzielle Transfers ins Herkunftsland oder bieten umfangreiche Unterstützung, die nicht nur finanzieller Art ist (z.B. pflegerische, administrative und emotionale Unterstützungsbeziehungen zwischen Herkunfts- und Aufnahmeland). Diese transnationalen Bezüge fordern die Soziale Arbeit, die bisher eher lokal orientiert ist, heraus.

Pioniere der Transnationalisierung

Transnationalitätsfragen sind in der Sozialen Arbeit selbstverständlich nicht nur im Kontext von älteren Menschen mit Migrationshintergrund relevant. Ein aktuelles Forschungsprojekt mit dem Titel «Transnationale Lebensräume und Unterstützungsnetzwerke älterer Migrantinnen und Migranten: eine Herausforderung für die Soziale Arbeit?» des Instituts für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe legt den Fokus aber auf ältere Menschen mit Migrationshintergrund, weil diese als eine Art «Pioniere der Transnationalisierung» betrachtet werden können. Die Studie geht der Frage nach, welche Implikationen die transnationale Lebensweise von Personen mit Migrationshintergrund auf konzeptionelle Grundlagen und Konzeptionen der Sozialen Arbeit hat. 

Erste Ergebnisse

Die Studie läuft von Januar 2018 bis März 2020. Sie will die Grundlage schaffen für eine Soziale Arbeit, die Transnationalität und ihre Konsequenzen auf Mikro-, Makro- und Mesoebene berücksichtigt und dabei auch bestehende, oft nationalstaatlich orientierte Integrationsverständnisse kritisch reflektiert.

Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass Sozialarbeitende häufig mit transnationalen Themen konfrontiert sind. In Beratungssituationen spielen insbesondere sozialversicherungsrechtliche und migrationsrechtliche Fragen eine wichtige Rolle. Vor allem der Bezug von Ergänzungsleistungen schränkt die grenzüberschreitende Mobilität von älteren Migrantinnen und Migranten ein, und sie haben diesbezüglich einen hohen Bedarf an Informationen zu rechtlichen Bestimmungen und benötigen Unterstützung bei Anträgen und Formularen.

Zum anderen zeigt sich, dass Sozialarbeitende transnationale Lebensweisen in Beratungssituationen zwar berücksichtigen und durchaus Formen von «transnationaler Sensibilität» auszumachen sind. Allerdings erfolgt der Einbezug der transnationalen Komponente nicht systematisch und grenzüberschreitende Kooperationen mit Organisationen im Ausland fehlen weitgehend. Es stellt sich deshalb die Frage, ob diversitätsgerechte Angebote auch eine «transnationale Öffnung» der Sozialen Arbeit beinhalten müssten, um die Handlungsmöglichkeiten der Adressatinnen und Adressaten der Sozialen Arbeit zu stärken und über den lokalen Kontext hinaus zu erweitern. 

Tagung zum Projekt

Die Tagung «Grenzüberschreitende Mobilität älterer Migrantinnen und Migranten: eine Herausforderung für die Soziale Arbeit?» findet am 30. Januar von 13.00 bis 16.45 Uhr statt. Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos. Anmeldeschluss ist Freitag, 10. Januar 2020.