Das Wohlbefinden der Kulturschaffenden während der Covid-19-Pandemie
Die allgemeine Lebenszufriedenheit stellt ein wichtiger Indikator für das Wohlbefinden der Gesellschaft dar. Dr. Marc Höglinger und Sarah Heiniger vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) der ZHAW haben ausgewertet, wie sich diese aufgrund der Massnahmen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie verändert hat. Mit uns sprechen sie in einem Interview über ihre Erkenntnisse in Bezug auf Kulturschaffende und Eventveranstaltende.
Wie hat sich die Covid-Krise generell auf die Lebenszufriedenheit der Personen ausgewirkt, die in der Kultur- und Eventbranche tätig sind?
Dr. Marc Höglinger (MH) und Sarah Heiniger (SH): Beschäftigte aus der Kultur- und Eventbranche wurden von der Corona-Krise speziell gravierend getroffen. Mit dem Verbot von öffentlichen Veranstaltungen ist ihnen in manchen Fällen schlagartig die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen worden. Erschwerend wirkt sich aus, dass viele Kulturschaffende selbständig erwerbstätig sind und das unternehmerische Risiko voll tragen. Die Daten unseres Covid-19 Social Monitors zeigen denn auch, dass die Lebenszufriedenheit von Personen, die im Gastgewerbe, in der Kultur und im Sportbereich arbeiten, im Lockdown besonders stark beeinträchtigt wurde. Die durchschnittliche Lebenszufriedenheit auf einer Skala von 0 (gar nicht zufrieden) bis 10 (vollumfänglich zufrieden) dieser Personen sank im Lockdown auf 7.4 von 10 Punkten. Bei den anderen befragten Erwerbstätigen sank sie während dem Lockdown nur minim und lag durchwegs bei rund 8 Punkten. Mit den Lockerungen der Massnahmen stieg die Lebenszufriedenheit der Kulturschaffenden wieder an und lag im Juni und Juli ebenfalls wieder bei rund 8 Punkten.
Was sind zentrale Faktoren, welche die Zufriedenheit resp. Unzufriedenheit im Leben von Kulturschaffenden und Eventveranstaltern beeinflussen?
MH und SH: Wichtig für die Lebenszufriedenheit von Kulturschaffenden sind, wie bei allen Menschen, einerseits materielle bzw. finanzielle Grundvoraussetzungen, eine gewisse Planbarkeit, Erfüllung im Beruf und im privaten Leben. Mit der Corona-Krise sind die mittel- und langfristigen Pläne für Beschäftigte in diesem Bereich teilweise völlig auf den Kopf gestellt worden. Einige Kulturschaffende dürften an einen Punkt gelangt sein, an dem sie ihre Lebensplanung fundamental in Frage stellten. Die Corona-Krise wurde so auch zur individuellen Krise.
Welche Erkenntnisse aus dem Projekt überraschen und warum?
MH und SH: Der Lockdown hat für alle massive Einschränkungen bezüglich sozialer Aktivitäten gebracht. Entgegen den ursprünglichen Befürchtungen hatte der Lockdown aber nicht so gravierende Auswirkungen auf die psychische Befindlichkeit und das Wohlbefinden der breiten Bevölkerung. Und immerhin 9% der Befragten sagen, die Lebensqualität im Lockdown sei höher gewesen als vorher. Nach wenigen Wochen ist die durchschnittliche Lebenszufriedenheit und die psychische Belastung wieder auf das Niveau von vor der Coronakrise zurückgekehrt. Das hat auch damit zu tun, dass der Lockdown relativ rasch gelockert wurde und die Massnahmen am Ende nicht so einschränkend waren, wie befürchtet.
Was sind Prognosen in Bezug auf das generelle Wohlbefinden resp. die Lebenszufriedenheit von Kulturschaffenden und Eventveranstalter?
MH und SH: Prognosen sind vor dem Hintergrund der unsicheren Entwicklungen der Corona-Pandemie schwierig. Eine Besserung ist nicht so schnell in Sicht, da immer noch grosse Ungewissheit herrscht, ob und wie Kulturveranstaltungen in naher Zukunft durchgeführt werden können. Entsprechend dürfte für einen beträchtlichen Teil der Kulturschaffenden die Normalität leider noch länger auf sich warten lassen.
Das ZKM-Team bedankt sich herzlich für das Interview!