Geschichte
Mit der Gründung des schweizweit ersten Technikums begann im Jahr 1874 die Erfolgsgeschichte der Ingenieurausbildung in Winterthur. Aus dem damaligen Technikum gingen die heutige ZHAW School of Engineering sowie das Departement Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen der ZHAW hervor.
Die Entstehung des ersten Technikums der Schweiz
Die Gründung des Technikums Winterthur geht auf Friedrich Autenheimer (1821-1895) zurück. Der Mathematiklehrer und Maschineningenieur, der eine angesehene Persönlichkeit in Winterthur war, forderte 1866 öffentlich ein Technikum für die Schweiz. Er war überzeugt, dass eine Schule für technische Kader notwendig sei, um den Mangel an fähigen Berufsleuten in der Schweiz zu beheben. Industrie und Politik begrüssen seine Idee, die Zürcher Stimmberechtigten verwerfen 1872 jedoch ein entsprechendes Gesetz. Trotz dieser Niederlage steht die Stadt Winterthur hinter der Idee und der damalige Stadtpräsident Johann Jakob Sulzer beantragt beim Zürcher Kantonsrat die Gründung eines Technikums in Winterthur. Die Stadt verpflichtet sich, Gebäude zur Verfügung zu stellen und die Hälfte der anfallenden jährlichen Kosten zu übernehmen. Im Jahr darauf sagen Kantonsrat und Stimmberechtigte schliesslich «Ja» zur Gründung eines Technikums in Winterthur.
Die ersten Jahre (1874 – 1894)
Friedrich Autenheimer wird zum Direktor des neuen Technikums gewählt. Am 4. Mai 1874 finden die Aufnahmeprüfungen statt. Tags darauf wird das Technikum mit einem Festakt offiziell eröffnet. Das erste Semester beginnt mit 72 Studierenden in fünf verschiedenen Fachbereichen (Bautechnik, Maschinentechnik, Handel, Kunst, Geometerschule). Anfangs ist das Technikum über die halbe Stadt verteilt. 1875 wird die Schule für Chemiker und 1886 die Schule für Elektrotechniker gegründet. 1879 kann nach dreijähriger Bauzeit schliesslich das Hauptgebäude bezogen werden. Im Jahr 1884 zählt das Technikum 180 Studierende, 1894 sind es bereits 580.
Entstehung weiterer Schulen (1894-1914)
In den kommenden Jahren entstehen mit der Schule für Feinmechaniker, der Schule für Eisenbahnbeamte und der Schule für Tiefbautechniker, welche die Geometerschule ersetzen soll, weitere Abteilungen. Im Jahr 1901 unterrichtet der sicherlich berühmteste Lehrer für kurze Zeit am Technikum – Albert Einstein. 1904 zählt das Technikum bereits 615 Studierende. Mit dem Wachstum einher geht eine permanente Raumnot. Neben dem Hauptgebäude und dem Gebäude für Chemie werden zusätzliche Räumlichkeiten in der Umgebung angemietet. 1908 wird schliesslich der Ostbau fertiggestellt sowie ein Verbindungsgang zum Hauptgebäude. Zusätzlich sichert sich der Kanton Grundstücke rund um das Hauptgebäude.
Inbetriebnahme neuer Labore und erste «Diplome» (1914-1934)
Während des Ersten Weltkriegs entsteht hinter dem Ostbau ein Grosslabor für Maschinenbau, das 1917 in Betrieb genommen wird. 1922 wird ein neues, elektrotechnisches Labor eröffnet, das verschiedene Räume für Hochspannungs- und messtechnische Versuche enthält. 1921 erfüllt sich ein langgehegter Wunsch der Schule – sowohl das Abschlussexamen wie auch der entsprechende Ausweis werden fortan «Diplom» genannt. Zum 50. Geburtstag des Technikums wird die bisherige Kasernenstrasse im Jahr 1924 als Geschenk der Stadt Winterthur in Technikumstrasse umbenannt.
Bau neuer Gebäude und Gründung des Ehemaligen-Vereins ETW (1934-1954)
Die Abteilung für Elektrotechnik wird von der Maschinenbauabteilung abgetrennt und neu die Fachrichtung Fernmeldetechnik eingeführt, um der wachsenden Bedeutung der Telefonie und Hochfrequenztechnik zu entsprechen. 1936 bewilligen die Zürcher Stimmberechtigten die Finanzierung eines Anbaus des Elektro- und Chemiegebäudes an das bestehende Ostgebäude. 1939 werden trotz des Kriegsgeschehens die neuen Labore und Hörsäle der Elektroabteilung eröffnet, im darauffolgenden Jahr auch das neue Chemiegebäude. In einem Anbau des Technikum-Hauptgebäudes entstehen eine grosse Aula und eine Cafeteria. Vor dem Hintergrund der florierenden Schweizer Textilindustrie wird 1947 eine gleichnamige Vertiefungsrichtung eingeführt, die bis 1969 erhalten bleibt. Anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Technikums wird im Jahr 1949 der Verein der Ehemaligen (ETW) gegründet.
Hochkonjunktur für Ingenieur:innen und Abspaltung der Handelsschule (1954-1974)
Der konjunkturelle Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg führt zu einem Mangel an Ingenieur:innen. Ab Mitte der 50er-Jahre übertrifft die Zahl der Stellenangebote jene der Diplomierten um ein Mehrfaches. Zur gleichen Zeit zählt das Technikum Winterthur erstmals mehr als 1000 Studierende. Der Zürcher Regierungsrat erteilt deshalb den Auftrag für eine Erweiterung, die zügig verwirklicht wird. 1959 wird das Physikgebäude eröffnet, einige Jahre später eine Halle für Verfahrenstechnik und Erweiterungen des Chemiegebäudes. Gleichzeitig wird 1960 die Abteilung der Handelsschule vom Technikum getrennt und bezieht Räumlichkeiten jenseits der Eulach. 1968 wird sie gänzlich vom Technikum losgelöst und als Kantonsschule Büelrain weitergeführt. Im selben Jahr fällt der Anbau des Technikum-Hauptgebäudes einem Brand zum Opfer.
Von der Höheren Fachschule zur Fachhochschule (1974-1994)
Obwohl die Studierendenzahlen nach einem Spitzenwert im Jahr 1962 mit rund 1200 Studierenden wieder unter die Tausendergrenze sinken, ist die Raumnot gross. Es fehlen gut eingerichtete Laborplätze, eine Fachbibliothek und eine Mensa. 1974 wird schliesslich ein neues Laborgebäude bezogen, fünf Jahre später das Mensagebäude. Während Deutschland bereits zu Beginn der 70er-Jahre seine Ingenieursschulen in Fachhochschulen umwandelt, erfolgt dieser Schritt in der Schweiz erst in den 90er-Jahren. Mit dem im Oktober 1995 in Kraft gesetzten Fachhochschulgesetz des Bundes werden die 70 höheren Fachschulen in sieben Fachhochschulen zusammengefasst. Damit einher geht die internationale Anerkennung der Diplome.
Gründung der ZHAW und Entstehung neuer Studiengänge (1994-2014)
Im Jahr 1995 wird das Technikum über eine Mietleitung der PTT an das Internet angeschlossen. Drei Jahre später erfolgt der Zusammenschluss der Technikum Ingenieurschule Winterthur (TWI), der Dolmetscherschule Zürich (DOZ) und der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Zürich (HWV) zur Zürcher Hochschule Winterthur (ZHW). Im selben Jahr starten zwei neue Studiengänge – Kommunikation und Informatik sowie Datenanalyse und Prozessdesign. 2004 entscheidet der Fachhochschulrat nach hitzigen Diskussionen die Chemie von Winterthur nach Wädenswil zu verlegen. Drei Jahre später, im Jahr 2007, entsteht aus dem Zusammenschluss der ZHW mit der Hochschule Wädenswil (HSW), der Hochschule für Angewandte Psychologie Zürich (HAP) und der Hochschule für Soziale Arbeit Zürich (HSSAZ) die ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die Technikum Ingenieurschule Winterthur wird in die beiden Departemente «School of Engineering» und «Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen» aufgeteilt. 2008 wird zudem der Master of Science in Engineering (MSE) eingeführt. In dieser Zeit entstehen mit Aviatik, Verkehrssysteme (heute Mobility Science) und Energie- und Umwelttechnik weitere Studiengänge. 2012 wird zusätzlich ein Internationales Profil eingeführt. Im selben Jahr wird die HSZ-T Hochschule für Technik Zürich in die ZHAW School of Engineering integriert.
Zunahme der Studierendenzahlen, neue Studienangebote und Beginn des Campus Umbaus (2014-heute)
2015 wird das Praxisintegrierte Bachelorstudium PiBS für gymnasiale Maturand:innen eingeführt, ein Pilotprojekt des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI. Im Jahr 2016 steigen die Studierendenzahlen erstmals über die 2000er-Grenze. Im selben Jahr beschliesst die Bildungsdirektion des Kantons Zürich, den dringen notwendigen Umbau des Campus in Angriff zu nehmen. Aufgrund der hohen Nachfrage bietet die ZHAW School of Engineering seit 2020 alle Studiengänge auch im Teilzeitmodell an. Im darauffolgenden Jahr startet der neue Studiengang Data Science. Im Herbst 2023 starten mit dem Studiengang Medizininformatik und dem Entrepreneurial Profile weitere neue Studienangebote. 2024 feiert die ZHAW School of Engineering 150 Jahre Ingenieurausbildung in Winterthur. Im selben Jahr beginnen die Bauarbeiten für zwei neue Laborgebäude auf dem Campus T.