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Architektur, Gestaltung
und Bauingenieurwesen

Forschung

Das vom IKE definierte Forschungsfeld beinhaltet Untersuchungen zu den materiellen Bedingungen des Bauens. Architektonische und konstruktive Forschungsfragen werden dabei stets in einen baukulturellen Diskurs eingebunden.

Was ist Architekturforschung?

«Architektur ist eine suchende Handlung, insofern Forschung per se; unter sich ständig wandelnden Bedingungen muss sie die eigenen Fundamente stets bestätigen. Architekturforschung kann nicht anders, als interdisziplinär zu sein, da Architektur kulturell, sozial und ökonomisch verortet ist. Sie geht von der ihr eigenen entwerferisch-konstruktiven Natur aus, um ihren räumlichen Mehrwert auszuloten. Die Architekturforschung muss Antworten auf die dringenden Zeitprobleme finden. Dabei verschränken, bedingen und befruchten sich Forschung, Lehre und Praxis gegenseitig.»

Prof. Dr. Andri Gerber, Co-Leiter IKE

Angewandte Architekturforschung

Der Begriff «Baukultur» umfasst eine Vielfalt unterschiedlicher Fragestellungen auf diversen Massstabsebenen und Feldern der baulichen Realität. Er impliziert den generalistischen Anspruch der Architektur innerhalb eines weit gefassten Bogens des Bauschaffens. Die Rahmenbedingungen des Bauens werden dabei im Kontext der geltenden und künftigen Gesetze, Normen und Anforderungen stetig hinterfragt, um proaktiv die Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung auszuloten oder neue Spielräume architektonischer Praxis ausfindig zu machen. Der Grundsatz «architektonisch denken, konstruktiv entwerfen, intelligent bauen» bedingt dabei für alle Akteur:innen ein Bewusstsein für die aktuellen gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen, um die Möglichkeiten zur Erschaffung von architektonischer Qualität weitsichtig wahrzunehmen.

Vor diesem Hintergrund definiert sich das IKE als Forschungsplattform für architektonisch-konstruktive Themen. Mit einem interdisziplinären Ansatz und über den Austausch mit der Praxis werden aktuelle Forschungsfragen aufgegriffen und in der Kooperation mit Forschungspartner:innen zu Forschungsthemen formuliert bzw. zu Themenschwerpunkten gebündelt. Nebst der nach den Massstäben der Hochschulforschung generierten Wissensbildung befruchten die Forschungsergebnisse in der Rückkoppelung eine architektonische Praktik, bei welcher Konstruieren und Entwerfen eine experimentelle und transformative Umsetzung von Wissen bedeutet. Im Mittelpunkt der aktuellen Forschungsaktivitäten des IKE stehen sich überschneidende Themenschwerpunkte wie Zirkuläres Bauen und Klima- und Energiekultur. Allen gemeinsam ist die Frage nach dem Umgang mit Bestand und Ressourcen.

Gamification als transversales Thema erhält seine besondere Bedeutung im Versuch, neue Formen der Wissensvermittlung zu generieren – das IKE entwickelt sowohl digitale als auch analoge Spiele, um komplexe Zusammenhänge auf einfache Art und Weise zu vermitteln.

Zirkuläres Bauen

Für das Architekturschaffen bedeutet das zirkuläre Bauen eine Wende von beinahe kopernikanischem Ausmass: Das neue Weltbild beinhaltet eine Vorstellung von Bauen in Stoffkreisläufen, welche die materiellen Bedingungen der baulichen Praktik grundlegend prägt und durchdringt. Damit ist das zirkuläre Bauen ein Metathema, das ähnlich wie die Schwerkraft von den Planenden als Grundbedingung für jegliche bauliche Realisierung verinnerlicht werden muss. Gemäss der unterschiedlichen Interventionstiefe der jeweiligen Bauaufgabe lässt sich das Thema «zirkuläres Bauen» in Unterthemen kategorisieren. Mit seinen Forschungsschwerpunkten und Entwurfsprogrammen widmet sich das IKE diesen Kategorien mit einem breit gefächerten Ansatz. Diese Vielfalt zeigt sich in den Fokusthemen (a) Weiterbauen im Bestand, (b) Re-Use in Construction oder (c) Design for Disassembly DfD.

a) Weiterbauen im Bestand

Der politisch formulierte Wille zur Verhinderung der Zersiedelung und die damit einhergehende Verdichtung unserer Städte nach innen führen zu Aufzonungen und einem grossen Druck auf innerstädtische Ausnutzungsreserven. Wir Architekt:innen werden in unserem Berufsalltag laufend mit Aufgabenstellungen konfrontiert, die den Abriss und Ersatzneubau ganzer Siedlungen voraussetzen. Am IKE hinterfragen wir diese Abläufe und erforschen alternative Verdichtungsstrategien. Es interessiert uns, Verdichtung und die damit einhergehende Veränderung der Bausubstanz und der Bewohner:innenschaft nahe am Bestand und über einen längeren Zeitraum zu denken.

Beinahe jede Aufgabe, mit der wir als Planende konfrontiert werden, stellt einen Eingriff in die gebaute Umwelt dar. Für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Bestand ist dessen Wertschätzung daher unabdingbare Basis. Den auf den Bestand angewendeten Wertebegriff gilt es somit weit mehr als nur ökonomisch zu verstehen – nämlich auch als Zuhause und vertraute Nachbarschaft, als Ort der Begegnung und des sozialen Austauschs, als Freiraum mit langjährig gewachsener Vegetation, als Kulturgut. Wenn wir lernen, den kulturellen, ökologischen und sozialen Wert der gebauten Umwelt genauso zu schätzen wie die unverbaute Landschaft, dann erscheint ein prozesshaftes Denken von Verdichtung als selbstverständlich – und damit eine auf allen Ebenen nachhaltigere Entwicklung unserer Städte. Damit geht auch ein Abwägen von Effizienz und Suffizienz einher.

[1] Nachhaltiges und kostengünstiges Bauen

Bei der Bewältigung des nachhaltigen Wandels der Bauwirtschaft aufgrund der Klimaziele 2050 der Schweizer Eidgenossenschaft stellen sich grundlegende Fragen an die gebaute Umwelt. Diese betreffen u.a. die Verlängerung der Lebenszyklen, die Wandlungsfähigkeit und Anpassbarkeit von Bauten sowie Kreislaufwirtschaft und Suffizienz. Die Beantwortung dieser Fragen leistet einen wesentlichen Beitrag zur globalen Nachhaltigkeit und zur Senkung der klimagefährdenden CO2-Emissionen des Bausektors. Steigende Bodenpreise, erhöhte baurechtliche und ökologische Anforderungen und fortwährend steigende Ansprüche an den Komfort machen es jedoch immer schwieriger, nachhaltig und kosteneffizient zu bauen. Besonders im Mietwohnungsbau besteht aufgrund anhaltender Erhöhung der Erstellungskosten und stetig steigender Mietzinse ein hoher Handlungsbedarf, günstiger zu bauen. In der aktuellen Baupraxis zeigt sich, dass Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz oftmals in Gegensatz zueinander stehen. Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum wirft die Frage auf, ob Ersatzneubauten zwingend erforderlich sind oder Bestandsbauten ertüchtigt und an neue Bedürfnisse angepasst werden können. Damit gewinnt das Weiterbauen gegenüber dem Ersatzneubau an grosser Bedeutung. Das Forschungsprojekt fokussiert auf das verdichtete und städtische Bauen. Ziel ist es, Strategien und Stellschrauben zum nachhaltigen UND kostengünstigen Wohnungsbau in einem Leitfaden für öffentliche und private Bauherrschaften, Architekt:innen und Investor:innen zu definieren und deren Wirksamkeit zu belegen.

[2] Siedlungsbiografien entwerfen

Städte erneuern sich – an ihnen wird ständig weitergebaut. Heute stehen die Städte zudem vor der Aufgabe, sich baulich zu verdichten. Weil die Bauplätze in der Stadt stets schon besetzt sind, geschieht die Verdichtung in der Regel mittels Ersatzneubauten – vorher wird leergeräumt. Was aber, wenn wir, in Anlehnung an Lucius Burckhardt, den Neubau als Sonderfall denken und nicht mehr als die Regel? Welche Werte trägt der Bestand in sich? Welches Potenzial steckt im steten Umbau der bestehenden Stadt? Bestand, Abbruch und Neubau werden wie in einem Organismus als Zyklus des Wachstums und der Erneuerung verstanden. Begreift man Stadt als organisches, wandelbares und fortwährend gestaltbares Gefüge in allen Massstäben, lassen sich entwerferische Transformationsstrategien entwickeln, die eine Haltung im Umgang mit dem Bestand verfolgen und nicht allein bauliche Operationen wie Ersatzneubau und Instandsetzung, Aufstockung, Anbau und Pinselsanierung gegenüberstellen.

[3] Bauen im Lärm

Unsere Ortschaften werden dichter, die Menschen mobiler, und etablierte Grenzen zwischen Aktivitäts- und Ruhezeiten verschwimmen zugunsten einer 24-Stunden-Gesellschaft. All das macht unsere Siedlungsgebiete auch lauter. Im Wohnungsbau ist der Lärmschutz deshalb zu einem prägenden Planungsparameter avanciert. Angesichts der gesundheitlichen Risiken einer übermässigen Lärmbelastung sind die Vorschriften strenger geworden. Doch der allzu starke Fokus auf für sämtliche Wohnräume gleichermassen geltende Immissionsgrenzwerte engt den Spielraum für qualitätsvolle Lösungen stark ein. Für ebenso zentrale Überlegungen – etwa zur Einbettung in den städtebaulichen Kontext oder zur Belichtung und Ausrichtung der Innenräume – bleibt wenig Spielraum. Dabei sind qualitätsvolle öffentliche Räume und attraktiver Wohnraum im Hinblick auf die Siedlungsentwicklung nach innen gefragter denn je. Mit der Zukunftsperspektive einer umweltverträglichen Stadt mit einem hohen Anteil an Langsamverkehr und Elektromobilität vor Augen, erscheinen die von der Strasse abgewandten Bauten, die das geltende Regulativ hervorgebracht hat, als überholt.

In Zusammenarbeit mit dem Departement Soziale Arbeit misst das IKE die Gesetzgebung an den baulichen und gesellschaftlichen Realitäten und schlägt Strategien für ein sozialverträgliches, zukunftsfähiges Wohnen am Lärm vor.

[4] Statistik Stadt Zürich

Die Statistik Stadt Zürich (SSZ) bereitet derzeit die alle fünf Jahre stattfindende Überarbeitung des Zürcher Index der Wohnbaupreise (ZIW) vor, der seit 1939 besteht. Seit der letzten Überarbeitung im Jahr 2020 stützt sich der ZIW auf Daten des vom Bundesamt für Statistik (BfS) erstellten Baupreisindexes «Neubau Mehrfamilienhaus». Das bedeutet, dass keine eigenen Preise mehr erhoben werden, sondern die vom BfS für die Grossregion Zürich erhobenen Preise verwendet werden. Aufgrund der spezifischen Gegebenheiten in der Stadt Zürich wird jedoch eine andere Gewichtung angewendet als beim Index des BfS. Diese Gewichtung muss nun für die bevorstehende Überarbeitung im Jahr 2025 erneut angepasst werden.

Das Ziel besteht darin, eine Gewichtung für verschiedene Bauleistungen beim Bau von Wohngebäuden festzulegen, die die besonderen Gegebenheiten der Stadt Zürich am besten berücksichtigt. Das IKE trägt mit seiner Expertise im Bauwesen und bei Gebäudetypen zur Analyse von Daten und Statistiken bei und organisiert Workshops mit Architekt:innen, Baumanagementfirmen und dem Amt für Hochbauten. Ziel ist es, festzulegen, welche Gebäudetypen in der Stadt Zürich am häufigsten vorkommen, auf denen dann die Gewichtung basieren soll.

b) Re-Use in Construction

Seit 2017 widmet sich das IKE in Forschung und Lehre dem architektonischen und baukulturellen Potenzial, das die Wiederverwendung von Bauteilen freisetzt. Denn weit radikaler als das «klassische» Recycling von Baustoffen ist die Wiederverwendung ganzer Bauteile und Konstruktionselemente eine genuin architektonische Nachhaltigkeitsstrategie, die den Entwurfsprozess grundlegend prägt und die das Potenzial in sich trägt, alternative und eigenständige Formen des architektonischen Ausdrucks hervorzubringen.

Zirkulär konstruieren heisst in diesem Sinne, aus Bauteilen mit unterschiedlicher Vorgeschichte und Lebensdauer längerfristig erneuerbare und gleichzeitig architektonisch präzise Konstruktionen zu entwickeln. Dabei ist der Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen Permanenz und Austauschbarkeit von Bauteilen besondere Beachtung zu schenken. Von grösster Bedeutung ist deswegen auch die historisch-konstruktive Untersuchung von Gebäuden und Bauteilen.

[1] Fallstudie K.118

Mit der Aufstockung des Kopfbaus der Halle 118 am Winterthurer Lagerplatz hat Baubüro in situ in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserer Hochschule das erste grössere Gebäude der Schweiz realisiert, das mehrheitlich aus wiederverwendeten Teilen gebaut ist. Dieses einmalige Pilotprojekt wurde im Rahmen einer Kooperation des IKE der ZHAW und dem Baubüro in situ wissenschaftlich ausgewertet. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden mit interdisziplinären Fachleuten architektonisch-konstruktive Fragen ebenso wie die energetischen, ökonomischen, prozessualen und rechtlichen Aspekte der Wiederverwendung im Bauen untersucht. Die ausführliche Dokumentation und Analyse des Fallbeispiels verfolgten das Ziel, die gewonnenen Erkenntnisse öffentlich zugänglich und nutzbar zu machen und so einer vielversprechenden Praxis zum Durchbruch zu helfen.

[2] Beton Re-Use

Das Forschungsprojekt «Beton wiederverwenden – Neue Kreisläufe für bestehende Betonstrukturen» zielt darauf ab, die Bauindustrie nachhaltiger zu gestalten, indem es innovative Prozesse für den Rückbau und die Wiederverwendung von Betonstrukturen entwickelt. Dies ist besonders relevant, da die Bauindustrie global für etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist.
Das Projekt setzt an der Stelle an, wo viele bisherige Ansätze aufhören: Es geht nicht nur um die Wiederverwendung einzelner Bauteile, sondern um den kompletten Rückbau und die erneute Nutzung ganzer Betonstrukturen. Dies erfordert eine umfassende Neubetrachtung und Planung der Bau- und Demontageprozesse, um hochwertige Materialien effizient zurückzugewinnen, sie auf gleicher Hierarchieebene wiederzuverwenden und erneut einzusetzen. Im Gegensatz zum Recycling, bei dem die Materialien einer kostspieligen energetischen Verarbeitung unterzogen werden, um in ihren Rohzustand zurückzukehren, bleiben bei der Wiederverwendung die ursprüngliche Form, die mechanischen Eigenschaften sowie die chemisch-physikalischen Eigenschaften der Komponenten erhalten, was ihre direkte Integration in neue Strukturen erleichtert.

Ein wesentliches Element des Projekts ist die Entwicklung neuer Ansätze für den Rückbau sowie standardisierter Lösungen für die Wiederverwendung von Beton. Hierzu gehören Methoden zur effektiven Trennung und Aufbereitung von Betonkomponenten, die dann in neuen Bauprojekten wiederverwendet werden können. Diese Prozesse müssen nicht nur technisch machbar, sondern auch wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll sein, um eine echte Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Ein praxisnahes Beispiel für die Anwendung dieser Forschung ist der geplante Neubau des ERZ-Recyclinghofes Juch-Areal, der vorwiegend aus wiederverwendeten Betonteilen konstruiert werden soll. Dieses Vorhaben bietet die einmalige Gelegenheit, die entwickelten Methoden unter realen Bedingungen zu testen, weiterzuentwickeln und ausführlich zu dokumentieren. Der Schwerpunkt liegt auf der effizienten Integration von rückgebauten Betonstrukturen in die Neukonstruktion, wobei die Optimierung des gesamten zirkulären Prozesses – vom Ernten der Materialien über deren Aufbereitung und Transport bis hin zur Montage im neuen Projekt – von zentraler Bedeutung ist.

Durch die Kombination von theoretischer Forschung und praktischer Anwendung strebt das Projekt danach, sowohl die ökonomischen als auch die ökologischen Aspekte der Wiederverwendung von Beton zu verbessern. Ziel ist es, nachhaltige Bauweisen zu fördern und damit einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Umweltauswirkungen der Bauindustrie zu leisten.

[3] Stahl wiederverwenden

Aktuelle Programme zur Erfassung von Bauteilen für die Wiederverwendung berücksichtigen nicht den gesamten Prozess vom Abbau bis zur Wiederverwendung, insbesondere nicht im Bereich struktureller Stahlbauteile wie Stahlprofile. Es fehlt ein Planungstool, das Eigentümer:innen hilft, das volle Umnutzungspotenzial ihrer Gebäude zu verstehen.

Die Idee ist die Entwicklung einer Website mit einem Flussdiagramm-Algorithmus, der alle notwendigen Schritte und Informationen für jedes Bauteil während des gesamten Prozesses von der Demontage bis zum Wiederaufbau auf einer neuen Baustelle erfasst. Dabei basiert der Algorithmus auf einer umfassenden Datenbank mit Produktkatalogen, Anleitungen zur Bedienung und Konstruktion, Herstellungsmethoden sowie Demontage-, Logistik- und Montageanweisungen. Als Prototyp sollen die Informationen zu den Stahlträgern eines bereits abgeschlossenen Projekts (K.118 in Winterthur) gesammelt und in die Datenbank integriert werden.

[4] Re-Use Game

Die Klimaziele für das Jahr 2050 wurden bereits in mehreren Schweizer Städten überschritten. Eine radikale Einstellung des Bauprojekts ist jedoch keine realistische Option. Der effektivste Weg, unsere CO2-Emissionen zu reduzieren, besteht darin, alte Bauteile wiederzuverwenden. Dieses Prinzip gibt es seit der Antike, wurde aber während der zweiten industriellen Revolution vernachlässigt. Seitdem haben sich die Konstruktionsprozesse erheblich weiterentwickelt und sind schneller und stärker automatisiert worden.

Wie können wir das Wiederverwenden in unsere optimierten Prozesse einbinden? Die Identifizierung und Auswahl wiederverwendbarer Bauteile sowie die erforderlichen Überlegungen zur Logistik, die ein:e Architekt:in berücksichtigen muss, sind entscheidend. Zudem stellt sich die Frage nach den Materialien mit dem grössten Potenzial für Wiederverwendung und wie der CO2-Ausstoss berechnet werden kann, wobei auch die Auswirkungen auf den architektonischen Ausdruck nicht ausser Acht gelassen werden sollten.

Um alle diese Fragen zu beantworten, hat das IKE eine Herausforderung angenommen: ein Brettspiel zu entwickeln, das die unterschiedlichen Schritte in der Planung mit wiederverwendbaren Elementen konkret simuliert und eine strategische Diskussion eröffnet. Das Spiel richtet sich nicht nur an Studierende und Architekt:innen, sondern auch an alle Interessierten in Form von Workshops.

[5] Fenster Re-use

Jedes Jahr werden in der Schweiz über 500.000 Tonnen Flachglas entsorgt. Das entspricht rund 15 kg pro Sekunde. Das Schlimmste daran ist, dass nur etwa ein Viertel dieser enormen Menge recycelt wird, der Rest landet auf der Mülldeponie.

Am Institut Konstruktives Entwerfen suchen wir nach Wegen, diese Abfallmenge drastisch zu reduzieren. Dazu forschen wir etwa am Umgang mit Fensterglas. Obwohl Fenster aufgrund der enormen thermischen Fortschritte in den letzten fünfzig Jahren und ihrer sensiblen Rolle in der Gebäudehülle schwer wiederzuverwenden sind, arbeiten wir daran, ältere Fenster auf die heutigen Energiestandards zu bringen, mit Kenngrössen, die der derzeit produzierten Doppel- oder Dreifachverglasung vergleichbar sind.

Parallel zu dieser Suche nach Reparatursystemen führen wir quantitative Analysen durch, um zu evaluieren, welche Art von Fenstern wo, mit welchen Werten und Abmessungen entsorgt wird. Ziel ist es, herauszufinden, ob das einer gewissen Systematik folgt und ob bestimmte Modelle daher eher auf dem Secondhand-Markt verfügbar sind als andere.

Ein weiteres wichtiges Thema ist das Testen dieser Fenster. Obwohl einige von ihnen gekennzeichnet sind, lassen sich die Werte von Fenstern, die vor mehr als 15 Jahren gefertigt wurden, schwer bestimmen. Am IKE arbeiten wir an Methoden, um diese verschiedenen technischen Werte schnell und effizient abschätzen und messen zu können.

c) Design for Disassembly (DfD)

Wie können Gebäude entworfen werden, bei denen alle Elemente – Standort, Struktur, Hülle, Installationen, Innenwände und Möbel – sorgfältig voneinander getrennt sind, um eine einfache Anpassung und Wartung im Laufe der Zeit zu ermöglichen, ohne dass eine vollständige Neukonstruktion erforderlich ist? Welche Methoden ermöglichen es, Gebäude schnell zu montieren und demontieren, um die Bauzeit zu verkürzen und die Wiederverwendung von Bauteilen zu maximieren? Wie können Gebäude so konzipiert werden, dass sie zwar industriell gefertigt, aber dennoch flexibel an verschiedenen Standorten errichtet und wieder abgebaut werden können? Auf welche Weise kann die Wiederverwendung von Materialien unterschiedlicher Herkunft, insbesondere aus städtischen Minen, sowie deren Zusammensetzung neu überdacht werden? Wie kann die steigende Industrialisierung im Baugewerbe mit den Anforderungen an eine effektive Gebäudeabdichtung in Einklang gebracht werden? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der architektonischen Entwurfsseminare, in denen Forschungsprojekte wie die Wiederverwendung von Stahl- und Betonbauteilen, einfache Konstruktionsmethoden und innovative Deckenkonzepte behandelt werden.

[1] Systembau I – historische Schweizer Bausysteme

Die Kooperation zwischen dem IKE der ZHAW und der ICOMOS Suisse Arbeitsgruppe System & Serie im Herbstsemester 2018/19 im Rahmen des Wahlpflichtmoduls Constructive Research im Masterstudiengang Architektur war auf die Untersuchung von fünf historischen Schweizer Bausystemen ausgerichtet – Haller Midi, VE66, Göhner, Variel, Modulo Norm –, wobei der Schwerpunkt auf architektonisch-konstruktiven Fragestellungen lag. Das Thema Systembau wurde in zwei Kontexten am IKE untersucht: im Masterstudio unter der Leitung von Philipp Esch und Ingrid Burgdorf sowie im Modul Constructive Research unter der Leitung von Alexis Ringli und Eva Stricker.

Die Forschung führte zu einer Analyse der strukturellen Details einer Reihe von Gebäuden, die mit den ausgewählten Systemen gebaut wurden, und zu einer eingehenden Untersuchung der Erhaltung historischer Denkmäler der Moderne. Im Masterstudiengang lag der Schwerpunkt auf der Entwicklung neuer Konstruktionslösungen, die auf der Analyse von Bausystemen basieren, um vielversprechende Aspekte der systematischen Architektur zu erforschen.

[2] Systembau II

Angesichts des Mangels an Wohnraum in Ballungszentren, der fortschreitenden Urbanisierung und der dringenden Notwendigkeit, ressourcenschonend zu bauen, steht die Bauindustrie vor komplexen Herausforderungen. Der Systembau, der im 20. Jahrhundert als Antwort auf die Nachfrage nach schnell und kostengünstig zu errichtendem Wohnraum entwickelt wurde, könnte – in einer modernisierten Form – einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten.

Die Dissertation «Bausysteme des 20. Jahrhunderts im Licht aktueller Herausforderungen: Anpassung, Potenziale und die Zukunft des zeitgenössischen Wohnungsbaus im System» untersucht, inwieweit historische Bausysteme revitalisiert und für die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts adaptiert werden können. Im Fokus stehen dabei die Entwicklung von Bauteilsystemen, die eine Demontage und Reparatur erlauben, sowie die Transformation des linearen Bauprozesses hin zu einer zirkulären Bauweise.
Diese Forschung analysiert nicht nur die technischen Eigenschaften der Systeme, sondern auch deren ökonomische, ökologische und soziale Implikationen. Die Untersuchung der Patentierung von Bausystemen und deren Einfluss auf den Innovationsprozess spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ziel ist es, die Potenziale dieser Systeme zu identifizieren und in zeitgemässen Baukonzepten nutzbar zu machen.

Durch eine kritische Analyse vergangener und gegenwärtiger Systeme sowie die Entwicklung neuer Konzepte soll ein Beitrag zur Schaffung nachhaltiger, anpassungsfähiger und sozial akzeptierter Wohnlösungen geleistet werden. Diese Arbeit zielt darauf ab, das Wissen um historische Bausysteme zu reaktivieren und deren zeitlose Relevanz für die Architektur und das Bauwesen des 21. Jahrhunderts aufzuzeigen.

[3] Digitale Konstruktionslehre

Die Vermittlung von Konstruktion und Tektonik geschieht im Architekturstudium traditionellerweise über Bücher, etwa dem Standardwerk Architektur Konstruieren. Vom Rohmaterial zum Bauwerk von Andrea Deplazes (2004). Parallel dazu kommen immer mehr digitale Instrumente zum Einsatz, die ohne Beteiligung von Architekt:innen Parameter – nicht nur der Statik, sondern auch der Ökobilanz – so kombinieren, dass effiziente Lösungen generiert werden, aus denen scheinbar nur ausgesucht werden muss. Diese haben nicht nur den Nachteil, dass sie den Architekt:innen den Entwurfsprozess aus der Hand nehmen, sondern auch, dass sie rein quantitativ und in einem abstrakten Massstab operieren.

Mit der digitalen Konstruktionslehre wollen wir einen mittleren Weg beschreiten und sowohl die Kontrolle über die Parameter zurückgewinnen als auch die statische Konstruktionslehre «in Bewegung bringen». Zu diesem Zweck entwickeln wir ein digitales Tool, bei dem man wie in einem Sandkasten beliebige Materialien und Konstruktionsformen kombinieren und die entsprechenden Kennziffern gleich ablesen kann. Die gewählte Variante wird dann ausführlich über Referenzprojekte dargestellt. Die digitale Konstruktionslehre dient damit vor allem Architekturstudierenden, die diesen Schwerpunkt vertiefen wollen und dabei die Möglichkeiten eines digitalen Tools voll ausschöpfen möchten.

Klima- und Energiekultur

Aktuelle Fragen zum Umgang mit Ressourcen und Klimawandel werden am IKE auf der Basis einer interdisziplinär vernetzten und baukulturell verantwortungsvollen Berufsauffassung ganzheitlich untersucht, d.h. unter Einbezug von kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren. Ziel ist die Entwicklung einer Haltung, die Energiekultur als selbstverständlichen und gestaltprägenden Impact bei der Schaffung von zukunftsfähiger Architektur versteht. Untersuchungen zu Suffizienz und Effizienz begleiten die praxisnah gesetzten Problemstellungen. Die Forschung befördert die entwerferische und konstruktive Auseinandersetzung mit Klima- und Energiefragen und setzt sie in Beziehung zu den Grundlagen der Disziplin – zu Material-, Konstruktions- und Raumverständnis.

[1] Zukunftsfähige Deckenkonstruktionen

Die Anforderungen an Deckenkonstruktionen sind heute hoch, gleichzeitig binden sie einen grossen Anteil an Ressourcen sowie an grauer Energie, verbunden mit entsprechenden CO2-Emissionen – was leisten herkömmliche, was neue Deckensysteme?

Im Rahmen des Lehrmoduls Constructive Research wurden im Herbstsemester 2023 herkömmliche und neue Deckenkonstruktionen hinsichtlich spezifischer Eigenschaften sowie Ökobilanz analytisch untersucht, vergleichend bewertet und anschliessend die Anwendbarkeit und das architektonische Potential in entwerferischen Studien ausgelotet. Die Analysearbeiten von 14 Deckenkonstruktionen sind aktuell in der Dauerausstellung Werkstückhalle ausgestellt.

Daneben gibt es zu vier der analysierten Konstruktionen auch Mockups im Massstab 1:1 zu sehen, die den Schichtenaufbau der Konstruktion detailliert zeigen: Ausstellung Werkstückhalle.

Die entstandenen Analysearbeiten zu Eigenschaften und Ökobilanzen dienen als Grundlage für ein neues Forschungsprojekt sowie für geplante Konstruktionsdatensätze zur Erweiterung der Material-Archiv-Datenbank. Das Lehrmodul wurde durch das Sustainable-Impact-Program (SIP) der ZHAW unterstützt.

[2] Architektur Klima Atlas

Klimaneutrales Bauen erfordert, auf allen Ebenen anders zu entwerfen und zu konstruieren als bisher. Das betrifft die Erforschung alter und neuer Materialien genauso wie die klimaneutrale Logistik und Baustellenpraxis bis hin zum Entwurf. Neues Wissen und Können sind nötig. Wenn in Zukunft Klimakultur den Entwurf und die Ausführung mitbestimmen, wird diese Anforderung in einem Projekt dieselbe Wichtigkeit erhalten, wie es der architektonische Ausdruck und die Statik haben.

Der Architektur Klima Atlas liefert eine umfassende Auslegung dafür, wie das Bauen klimabewusst gestaltet werden kann. Bauten müssen in Erstellung und Gebrauch auf einen sparsamen Umgang mit Ressourcen und geringe Emissionen hin optimiert sowie für zukünftige und spürbar andere klimatische Bedingungen ertüchtigt werden. In drei Kapiteln – Forschung, Theorie und Praxis – untersucht der Architektur Klima Atlas die Wechselwirkungen zwischen Architektur, Klima und Energie.
Teil eins enthält die Porträts von 20 grundlegenden architektonischen Klimaideen von der Antike bis zur Gegenwart. Im zweiten Teil wird anhand von fünf Gebäudebiografien dargelegt, wie sich der ökologische Fussabdruck eines Gebäudes errechnen und modellieren lässt und sich im Laufe seines Lebenszyklus verändert. Im dritten Teil werden zukünftige Konzepte anhand zeitgenössischer Projekte vorgestellt.

[3] Netto Null: Ein Simulationsspiel über nachhaltiges Bauen 1990–2050

Man stelle sich eine Stadt irgendwo im Schweizer Mittelland vor. Wir haben das Jahr 1990, und nun geht es darum, eine nachhaltige Entwicklung einzuschlagen, mit der man spätestens 2050 Netto-Null erreichen soll. Wo soll man anfangen? Welche Strategien muss und kann man einsetzen, um dieses Ziel vielleicht schon vorher zu erreichen? Diese Stadt ist eine Simulation innerhalb eines Videogames, und Sie als Spieler:in sind für deren nachhaltige Entwicklung zuständig. Dafür stehen Ihnen Steuergelder zur Verfügung. Wo beginnen Sie? Vielleicht beim Hausbestand, der im Spiel detailliert aufgeschlüsselt ist und der unterschiedlich schlecht gedämmt ist. Viel Wärmeenergie geht verloren. Nachisolieren ist schwierig und teuer. Dafür braucht es aber auch wirtschaftliche Anreize und entsprechende Labels. Abreissen und neu bauen wäre wohl das Naheliegendste, wenn man die Unterhaltskosten und den Energieverbrauch betrachtet. Doch was ist mit dem CO2-Verbrauch, der beim Bau entsteht? Und der grauen Energie, die im Material steckt? Zudem würde die Stadt an Charakter verlieren, da diese alten Gebäude viel Geschichte in sich tragen.

Mit solchen Entscheidungen ist der/die Spieler:in in unserem Simulationsspiel konfrontiert, und es geht darum, verschiedene Möglichkeiten abzuwägen. Das Spiel wird zusammen mit der PH Zürich entwickelt und soll im Unterricht auf Stufe SEK II zum Einsatz kommen.

[4] Messen und Modellieren

Die kombinierte qualitative und quantitative Analyse exemplarischer Bauten aus unterschiedlichen Bauperioden in der Forschungsarbeit «Wider Klischees – Messen und Modellieren von Energieflüssen im sich wandelnden Fokus der Baukultur» bildet die wissenschaftliche Grundlage für eine Reihe von Überlegungen und Thesen zur Beziehung von Architektur, Energie und Klima. Dieser Katalog von ausgewählten Beispielen wird in den Kursen des Fachs Constructive Research laufend erweitert. Der Katalog zeigt die enge Verflechtung von Architektur und Energie und vermittelt die nötige Datengrundlage, um im Entwurf nicht nur architektonisch, sondern auch klimatisch bessere Entscheidungen zu treffen.