Autobahnatlas 2050
Die Schnellstrasse als Kraftwerk
Masterthesis Kevin Kummerow
Frühlingssemester 2024
Dozierende Vorbereitung und Durchführung: Ingrid Burgdorf, Andreas Sonderegger, Valentin Löwensberg
Koreferenten: Franz Romero, Marco Graber, Markus Peter
SIA-Masterpreis Architektur 2024, Nominierung
Vorwort der Dozierenden
Ausgehend von der Sanierung der Raststätte Würenlos in der Nähe von Zürich erkennt Kevin Kummerow im Lauf der Entwurfsrecherche ein Potential, über den Horizont seiner ursprünglichen Fragestellung hinaus zu denken und sich – an der Schnittstelle unterschiedlichster Fachdisziplinen – mit dem spezifischen Blick des Architekten auf eine ganz andere Visionssuche zu machen. Basierend auf einer Hypothese, die Schnellstraßen als neue Kraftwerke betrachtet, wird ein Szenario entwickelt, bei dem durch Energiegewinnung mittels Solarkollektoren entlang der Autobahn das bestehende Autobahnnetz als Infrastruktur genutzt wird.
Als Grundlage hierfür werden die technischen Voraussetzungen von Energieerzeugung, Energiespeicherung und Energieverteilung detailliert untersucht und in Entwurfshypothesen umgesetzt. Die Energieerzeugung mittels Solarkollektoren wird entlang der Autobahn je nach Situation und Anforderung – Blendschutz, Lärmschutz, Sonnenschutz – modifiziert. Der Regelfall besteht aus einer mittigen Anordnung von Photovoltaikmodulen, die die Blendung entgegenkommender Fahrzeuge mindert, ohne den Blick in die Landschaft vollständig zu schließen. Basierend auf den Daten der nationalen Lärmkarte wird der Regelfall durch zusätzliche Module als Lärmschutzelemente an den Außenrändern der Autobahn erweitert. Zusätzlich ist vorgesehen, abgeleitet von den Daten der nationalen Staukarte, durch die Überdeckung der Straße mit weiteren Photovoltaikmodulen einen Sonnenschutz zu schaffen.
Für die Energiespeicherung werden Redox-Flow-Batterien gewählt, deren flüssige Elektrolytlösung nicht brennbar ist und aus organischen Materialien hergestellt werden kann. Ein Kennzeichen dieser Batterien sind die großen Tanks, die prominent in Erscheinung treten und als bildhafter Ausdruck für die neue Funktion der Schnellstraßen als Kraftwerk dienen können.
Das Faszinierende an der Arbeit von Kevin Kummerow ist nicht nur die akribische Ermittlung der technischen Rahmenbedingungen, sondern auch, dass die Arbeit über den technischen Aspekt hinausgeht und eine Bildersprache findet, welche der eher pragmatischen Welt des Straßenbaus eine Ausstrahlung entlockt, die an eine einst vorhandene Eleganz der Autowelt mit ihren großartigen Zukunftsversprechen anknüpft und die Welt der Autobahn als Ort der Öffentlichkeit begreift. Dies wird besonders dadurch erreicht, dass die unterschiedlichen Maßstäbe parallel untersucht werden und dem großen Maßstab der Infrastrukturbauten ein architektonisches Ausdruckspotential mit gezielten Entwurfsmethoden abgewonnen wird. Denn es gilt, außerhalb unserer gewohnten Wahrnehmung zu entwerfen – in einem Raum, der nicht unserem optischen Raum entspricht, sondern in der Bewegung sukzessiv erfahren wird.
Diese Themen hat Kevin Kummerow in seiner Masterthesis mit viel Intelligenz und Feinsinn bearbeitet. Es gelingt ihm mit seiner Masterthesis, ein Zukunftsversprechen zu formulieren, das nicht nur durch die technische Solidität, sondern auch durch die Kraft der architektonischen Vision überzeugt.