Unbemerkte Freiheit
Vom Asphalt zur Diversität: Räume unter dem Hardturm-Viadukt neu entdecken.
Masterthesis Basil Schürch
Frühlingssemester 2024
Dozierende Vorbereitung und Durchführung: Ingrid Burgdorf, Andreas Sonderegger, Valentin Löwensberg
Koreferenten: Franz Romero, Marco Graber
SIA-Masterpreis Architektur 2024, Nominierung
Vorwort der Dozierenden
Die Masterthesis von Basil Schürch steht beispielhaft für die Rolle des Architekten als Generalist, der in einem synchronen Prozess die einzelnen Teildisziplinen und das Nebeneinander verschiedenster Massstäbe zu einer Synthese führt. Erst durch die genaue Untersuchung der konstruktiven, technischen und statischen Interventionsmöglichkeiten wird eine Basis geschaffen, aus welcher sich das Ausdruckspotential für den Entwurf gewinnen lässt und auf deren Grundlage sich die weiteren baulichen Massnahmen entwickeln lassen.
Der Wohnungsmangel und der Bevölkerungsdruck setzen der Stadt Zürich zu und die Stadt steht vor der Herausforderung der inneren Verdichtung. Im Gegensatz zu den zahlreichen Möglichkeiten der baulichen Verdichtung ist das Potential zum Ausbau der städtischen Freiräume umgekehrt sehr beschränkt.
Angelehnt an Gordon Matta-Clarks forschendes Interesse für vergessene, übersehene und unterentwickelte Räume – von ihm als «Unorte» bezeichnet – macht sich das vorliegende Projekt auf die Suche nach dem Potential solcher wenig beachteten Aussenräume in der Stadt Zürich. Der heute wenig definierte Raum unter dem Hardturm-Viadukt stellt hierfür eine ideale Versuchsanordnung dar. Das Ziel der Untersuchung ist es dabei, die Möglichkeiten zur Improvisation und ein Gefühl freiheitlicher Unbestimmtheit zu erhalten und zugleich der heute eher monotonen Situation neue und überraschende Aussenraumsituationen und Nutzungsszenarien abzugewinnen.
Mittels wohlkalkulierter technischer Eingriffe und konstruktiver Hinzufügungen wird die nüchterne Poesie des Ortes fortgeschrieben. Basil Schürch entwickelt hierzu ein reichhaltiges Instrumentarium an Eingriffsmöglichkeiten, welches vom quartierüberspannenden Velo-Highway über die Ansiedlung zusätzlicher öffentlicher und halböffentlicher Nutzungen bis zur Aussenraumgestaltung durch einzelne Farbflächen reicht. Die Massnahmen bleiben dabei nicht auf den oberirdischen Stadtraum beschränkt, sondern beziehen mittels partiellen Aufbrechens der Asphaltflächen auch den Untergrund mit ein, schaffen Ansiedlungsmöglichkeiten für Pflanzen und ermöglichen eine natürliche Versickerung des Regens oder verbinden das Toni-Areal durch abgesenkte Höfe.
Der vorliegenden Arbeit gelingt es, konstruktive, statische, urbanistische und atmosphärische Aspekte in gleicher Tiefe zu bearbeiten und sie stellt so – im allgemeinen Bestreben der Stadt nach innerer Verdichtung– einen exemplarischen Beitrag zu einer möglichen Entwicklung der unter Druck stehenden, städtischen Freiräume dar. Ergänzt wird dies durch sehr kongruente Darstellungsformen in Bild, Zeichnung und Modell, welche durchwegs zu überzeugen vermögen. Nicht zuletzt zeigt die Arbeit, dass es den entwerfenden Blick des Architekten und die synchrone Untersuchung der unterschiedlichen Fachdisziplinen braucht, um eine ganzheitliche Betrachtung und dadurch einen überzeugenden Projektvorschlag zu erhalten.