Das unterschätzte Potenzial des Konventionellen
Eine Alternative zum Abbruch: Entwicklung einer Sanierungsstrategie für Gebäude aus den 1950er Jahren und Anwendung in vier Winterthurer Wohnhäusern.
Masterthesis Andrea Dell'Ambrogio
Frühlingssemester 2022
Dozierende Vorbereitung und Durchführung: Ingrid Burgdorf, Andreas Sonderegger, Astrid Staufer
Koreferenten: Franz Romero, Marco Graber
Fachexperten: Thomas Dürsteler, Christian Meier
Vorwort der Dozierenden
Im sich beschleunigenden Klimawandel manifestieren sich Relevanz und Brisanz der Arbeit von selbst : Der unkontollierten Tabula-Rasa-Strategie der vergangenen Jahrzente, der im Rahmen städtischer Verdichtungen zunehmend gewachsene Quartieridentitäten zum Opfer gefallen sind, wird eine Neuberwertung entgegengestellt. Schon der Titel der Arbeit kündigt aber an, dass nicht Ressourcen und Energiefragen allein dem Bestand eine neue Wertigkeit verschaffen sollen. Darüber hinaus wird der kulturelle Wert eines bislang eher unbeliebten Typus’ erkannt, den vielleicht erst der drohende Verlust ins Bewusstsein befördert hat. Und so wird in der vorliegenden Arbeit das «Konventionelle» zum Ankerpunkt einer Auseinandersetzung, die den Bestand über das Ökonomische und Ökologische hinaus vor allem auch als baukulturellen Wert versteht.
Entgegen bisheriger Sanierungsstrategien, die die Bestandessubstanz zur Berücksichtigung von Normen und Komfortstandards stets komplizierter überformen, liegt der An-satz hier in der dezidierten Unantastbarkeit des Bestandes. Additive und elastische «Plugins», die diesen punktuell mit neuen Profilen ergänzen, leisten dafür einen vielfältigen Mehrwert: Erstens tragen sie ganz pragmatisch dazu bei, dass die schrittweise Sanierung massgeschneidert auf die Erfordernisse abgestimmt und in bewohntem Zustand erfolgen kann. Zweitens liefern sie als eine Art Baukastensystem variable Op-tionen für Nutzungserweiterungen aus dem zeitgenössischen Anforderungsprofil, die heutigen Schallschutzvorgaben ebenso gerecht wird wie dem Wunsch nach komfortableren Nasszellen, erweiterten Aussenräumen oder Barrierefreiheit. Und drittens sind sie in der Lage, dem «Konventionellen» durch strategische Unkonventionalität eine neue Bedeutung zu verleihen, indem das Innere, das bisher Verborgene, nach Aussen gekehrt wird und in einen starken Dialog mit dem neu gestalteten Grünraum tritt.
Die Untersuchung zeigt auf, wie synergetisch Alt und Neu sich ergänzen können. Sie erbringt aber auch den Beweis, dass das unabdinbgare Ziel der Klimaschonung als Impetus für die Entwurfsarbeit ein erfrischendes architektonisches Potential birgt, das es im aktuellen Paradigmenwechsel erst zu entdecken und zu erorbern gilt.