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Soziale Arbeit

Arbeitsintegration im Shutdown

Die Erwerbslosenquote stieg ab Beginn der Corona-Krise stark an, zugleich war die Unterstützung für Stellensuchende eingeschränkt. Welche Erkenntnisse gewann man dabei für die Arbeitsintegration?

von Rahel Strohmeier Navarro Smith, Peter Streckeisen und Silke Vlecken

Von 117'800 auf 156'000 in zwei Monaten: So stark nahm die Zahl der Stellensuchenden in der Schweiz zwischen Ende Februar und Ende Mai zu. Damit stieg die Arbeitslosenquote von 2,4% auf 3,4%. Und dies dürfte erst der Anfang einer länger anhaltenden Entwicklung sein, denn die 1,9 Millionen Menschen in Kurzarbeit sind hier nicht mitgezählt.

Wer in der Arbeitsintegration tätig ist, stand seit Beginn der Corona-Krise vor einem grossen Dilemma: Einerseits verloren immer mehr Menschen ihren Job, andererseits war es unter den Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen nicht immer möglich, die Arbeitssuchenden angemessen zu unterstützen. Was das konkret für ihren Alltag bedeutete, haben sechs Fachpersonen aus der Arbeitsintegration im Kanton Zürich mit Mitarbeitenden des Instituts für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe am Departement Soziale Arbeit der ZHAW diskutiert. Der Austausch fand im Rahmen eines regelmässigen Fachtreffens zur Arbeitsintegration statt.

Finanziell unter Druck

Was geschah im Shutdown? Zahlreiche Massnahmen im Bereich Bildung sowie berufliche und soziale Integration mussten abgesagt oder verschoben werden. Wer das Angebot aufrechterhalten wollte, musste entsprechende Vorkehrungen und Schutzkonzepte vorweisen. Wer Programme anbietet, deren Finanzierung nicht auf längere Frist gesichert ist, sondern nur pro realisierte Zuweisung und/oder Platzierung erfolgt, musste Kurzarbeit anmelden, wenn keine Teilnehmenden mehr für die Angebote rekrutiert werden konnten.

Die Gründe für das Ausbleiben der Teilnehmenden waren vielfältig. Teilweise lag es daran, dass sie einer Risikogruppen angehören. In anderen Fällen gab es keine Zuweisungen mehr durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) und die Sozialdienste. Oder aber die angebotenen Stellen und Einsätze betrafen Branchen wie die Gastronomie, die durch den Shutdown nahezu stillgelegt waren. In gewissen Branchen gab es aber auch eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitskräften, zum Beispiel im Gesundheitswesen oder in den Logistikabteilungen von Online-Händlern. Dort konnten Teilnehmende nach wie vor für Einzeleinsätze vermittelt werden.

Dann eben per Briefpost

Im Kanton Zürich durften in der Zeit der sogenannten ausserordentlichen Lage keine Zuweisungen mehr in Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen erfolgen. Sowohl seitens der zuweisenden Stellen wie RAV, IV und Sozialdienste wie auch seitens der Anbieter wurde von einem Tag auf den anderen auf Präsenz-Beratung verzichtet und auf telefonische beziehungsweise Online-Beratung aus dem Home-Office umgestellt.

Welche Folgen hatte eine kontaktlose Beratung via E-Mail, Whatsapp, Telefon- und Videoanruf? Im Austausch mit der ZHAW waren sich die Fachpersonen weitgehend einig: Fernbetreuung schränkt die Beziehungsarbeit stark ein. Die Kommunikation wird auf das verbal Geäusserte beschränkt. Umso aktiver suchten die Fachpersonen in einer ersten Phase den Kontakt mit der Klientel. Kamen internet-basierte Kommunikationsmittel zum Einsatz, waren die Fachleute mit ungelösten Fragen zum Datenschutz konfrontiert. Auch wurde der digital gap deutlich sichtbar. Ein Teil der Klientinnen und Klienten war – wenn überhaupt – nur über den normalen Postweg erreichbar.

Hürden wurden gesenkt

Wie die Diskussion mit Fachpersonen zeigt, fielen die Reaktionen auf die Krise unterschiedlich aus. So waren manche Klientinnen und Klienten sehr verunsichert und verängstigt, während sich andere zusätzlich angespornt fühlten. Besonders gross war die Verunsicherung bezüglich Lehrstellensuche. Viele Jugendliche fragten sich: Lohnt sich die Suche überhaupt, oder sollte besser ein zehntes Schuljahr ins Auge gefasst werden?

Eine gewisse Erleichterung gab es bei der Bewerbungspflicht. So wurden die zuweisenden Stellen zu Kulanz angehalten. Einige reduzierten die Anzahl einzureichender Bewerbungen von 12 auf 6 oder schufen die Möglichkeit einer Fristerstreckung, wobei den Fachpersonen nicht immer klar war, welche Regeln nun gelten. Eine komplette Aufhebung der Bewerbungspflicht scheint es aber trotz der sich zunehmend verschlechternden Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht gegeben zu haben.

Erkenntnisse aus der Krise

Inzwischen werden die allmähliche Rückkehr zur Kontakt-Beratung und die Wiedereröffnungen eines Teils der Massnahmen auch in der Arbeitsintegration spürbar. Dennoch bleiben viele Fragen für die mittel- und längerfristige Zukunft offen, und es ist zu erwarten, dass die Folgen der wirtschaftlichen Baisse die Fachpersonen der Arbeitsintegration weiterhin stark fordern wird.

Als positiv wurden während des Shutdowns die allgemeine Entschleunigung und eine gewisse Lockerung des Zwangs sowie eine pragmatische Zusammenarbeit über Systemgrenzen hinweg empfunden. Die Fachleute wünschen sich, dass die Systeme vereinheitlich werden statt dass das verbreitete «Kässeli-Denken» fortgeführt wird.  Denn unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist es oftmals unklar, wer für die Finanzierung einer nötigen Massnahme zuständig ist. Ein bedingungsloses Grundeinkommen oder eine garantierte Grundsicherung, wie sie am Caritas-Forum im Januar vorgestellt worden ist, wären vielversprechende Ansätze in diese Richtung. Vielleicht bietet die Corona-Krise nun eine Chance dazu.

Arbeiten Sie im Bereich der Arbeitsintegration?

Haben Sie Interesse an einem regelmässigen Austausch mit anderen Fachpersonen sowie Forschenden und Dozierenden der ZHAW Soziale Arbeit?

Dann melden Sie sich bei Rahel Strohmeier Navarro Smith, Institut für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe, Telefon 058 934 88 63, rahel.strohmeier@zhaw.ch