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Soziale Arbeit

Neue Institutsleiterinnen: «Wir haben eine kollaborative Vorstellung von Führung»

Marianne Hänseler und Claudia Sidler-Brand leiten seit dem 1. März 2021 das Institut für Sozialmanagement. Mit ihrem breiten Erfahrungshorizont wollen sie nicht nur Non-Profit-Organisationen ansprechen.

Ein Blick für komplementäre Lösungen: Marianne Hänseler (links) und Claudia Sidler-Brand. (Bild: Gabi Vogt)

Unter anderen Umständen könnte man von einem Blind Date sprechen: Bis vor einem Dreivierteljahr haben Marianne Hänseler und Claudia Sidler-Brand einander nicht gekannt. Seit dem 1. März nun leiten sie gemeinsam das Institut für Sozialmanagement am Departement Soziale Arbeit der ZHAW.

«Es war eine glückliche Fügung», sagt Hänseler über den Zufall, der sie zusammenbrachte. Wobei dieser Begriff allein zum Resultat der Stellenbesetzung passt. Kein Zufall ist es nämlich, dass sie nun eine Leitungsposition innehaben. Der Zeitpunkt sei reif gewesen, den jeweiligen Verantwortungsbereich auszudehnen, sagen beide. Und dass es nun zu einer Sharing Leadership geführt hat, finden sie umso passender. «Wir haben eine kollaborative Vorstellung von Führung», erklärt Sidler-Brand.

Das Haus ZHAW kannten sie bereits, als sie sich bewarben. Coaching- und Supervision-Expertin Hänseler war seit Juni 2019 interimistische Co-Leiterin des Instituts. Als Expertin für Leadership und Organisationsdesign war Sidler-Brand seit sieben Jahren an der School of Management and Law der ZHAW in Winterthur tätig, zuletzt am Zentrum für Unternehmensentwicklung. 

Mensch und Management zusammenbringen

Unser Treffen findet Corona-konform per Videocall statt. Die Gesprächsatmosphäre eines persönlich eingerichteten Arbeitsplatzes, zum Beispiel mit Familienfotos oder Reiseerinnerungsstücke, die etwas über die privaten Seiten der neuen Institutsleiterinnen verraten wie Sidler-Brands Naturverbundenheit oder Hänselers Kunstbegeisterung – geschenkt. Wenn ein Jahr lang sowohl Sitzungen wie auch Kennenlerngespräche aus dem Home-Office etwas bewirkt haben, dann das: Man kommt rasch zum Wesentlichen.

Zum Beispiel zu ihren Visionen und Wünschen, wie sich das Institut entwickeln soll. «Als sich im Bewerbungsverfahren abzeichnete, dass es auf eine Co-Leitung hinauslief, haben wir uns darauf geeinigt, dass wir die Angebote Management und klassische Organisationsgestaltung mit Prozessorientierung und Beziehungsgestaltung kombinieren werden», sagt Sidler-Brand. In diese Richtung hat man bereits seit Juni 2019 vorgespurt, als der vormalige Institutsleiter Frank Wittmann zum interimistischen und schliesslich definitiven Departementsdirektor aufstieg.

Interdisziplinärer Ansatz

Das wollen die neuen Co-Leiterinnen mit ihrem Team zukünftig noch stärker ausloten. Dass sich hier ein Spannungsfeld öffnet, dessen sind sie sich bewusst. «Ein Mensch passt nie zu 100 Prozent in eine Organisation», sagt Hänseler, «und das ist auch gut so. Es bewahrt eine gewisse Spannung, die beide Seiten wach hält.»

Der komplementäre Ansatz ihrer Sharing Leadership spiegelt sich in den jeweiligen Werdegängen wider. Marianne Hänseler ist promovierte Philosophin, sie hat an den Universitäten Zürich, Basel und Stanford zu Wissenschaftstheorie und -geschichte sowie Gender Studies geforscht und gelehrt, bevor sie Dozentin und stellvertretende Studienleiterin an der Fachhochschule Nordwestschweiz wurde. Darauf folgte eine längere Zeit als Coach und Supervisorin BSO für Non-Profit-Organisationen, bis sie im Juni 2019 an die ZHAW kam.

«Ich sah in interdisziplinären Bereichen stets mehr die Gemeinsamkeiten als die Widersprüche.»

Claudia Sidler-Brand, Co-Leiterin Institut für Sozialmanagement

Claudia Sidler-Brand studierte in Zürich und Belgien Soziologie und Politikwissenschaft war anschliessend an der Schnittstelle zwischen strategischer Kommunikation und unternehmenspolitischen Aufgabebereichen tätig, unter anderem bei Ernst & Young und UBS. In interdisziplinären Bereichen habe sie sich immer wohlgefühlt, sagt die im Aargau aufgewachsene Sidler-Brand: «Ich sah darin stets mehr die Gemeinsamkeiten als die Widersprüche.»

Schliesslich zog es sie zurück in die Wissenschaft. An der Hochschule St. Gallen doktorierte sie in Soziologie und Betriebswirtschaftslehre zum Thema «Lebensarbeitszeit» für Raiffeisen Schweiz. «Was machen wir als Gesellschaft, wenn die Menschen nicht nur älter werden, sondern auch länger fit bleiben?», benennt Sidler-Brand die grosse Frage, die den Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren beschäftigen wird.

Vertrauen und Führung

Vor dem Hintergrund ihrer sich ergänzenden Erfahrungen werden die beiden das Profil des Instituts schärfen. Andere Schwerpunkte wie beispielsweise die Wirkungsmessung und -beratung werden sie in den kommenden Monaten gemeinsam mit den anderen Mitarbeitenden weiterentwickeln. Vor allem wollen sie die Angebote kohärenter gestalten und noch praxisorientierter ausrichten. Denn das Institut ist in allen vier Leistungsbereichen gleich stark unterwegs, also nicht nur in Studium, Weiterbildung und Forschung, sondern auch bei den Dienstleistungen.

Als Teil des Departements Soziale Arbeit lässt sich das Institut grundsätzlich näher bei Non-Profit-Organisationen als bei anderen Unternehmen verorten. Dennoch betonen die Co-Leiterinnen, dass eine klare Abgrenzung nicht sinnvoll sei. «Natürlich haben NPO oft andere Rahmenbedingungen, etwa was die Gesetze oder die Ressourcen angeht», sagt Claudia Sidler-Brand, «aber viele Themen sind ähnlich, gerade wenn es um Führung und die Formulierung von Werten geht.»

«Durchhaltevermögen kann man lernen und Diversität auch.»

Marianne Hänseler, Co-Leiterin Institut für Sozialmanagement

So nehmen denn auch regelmässig Mitarbeitende aus Profit-Organisationen an ihren Weiterbildungen teil, sagt Marianne Hänseler: «Sie wissen, dass soziale Kompetenzen, Vertrauen und Wertschätzung in der Führung heute immer wichtiger werden, und hier haben wir die Expertise.» Es bestehen denn auch schon Kooperationen, etwa mit der School of Management and Law im CAS Culture Change. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit werden sie ausbauen, sind die beiden überzeugt.

Im Bereich Führungskultur kann in der Schweiz noch einiges getan werden. Das zeigte zuletzt beispielhaft die während Monaten schwelende Kritik an Zürcher Chefärzten, welche aus einem veralteten System persönlichen Profit gezogen hatten. Marianne Hänseler bekräftigt: «Wichtig sind nicht nur eine gute Beziehung unter und mit Mitarbeitenden und Vertrauen, sondern ebenso die adäquaten Unternehmensstrukturen und und -zielsetzungen. Wenn diese drei aus dem Gleichgewicht geraten, gefährdet das die ganze Organisation.»

Frauen, die dranbleiben

Allein schon der Umstand, dass öffentlich über solche Dinge gesprochen wird, zeigt jedoch, dass sich etwas verändert. «Die Sensibilität ist dahingehend gewachsen, dass Unternehmen, wenn sie produktiv sein wollen, zur Selbstreflexion fähige Führungskräfte benötigen», sagt Claudia Sidler-Brand.

Mehr Diversität könne hier unterstützend wirken, ergänzt Marianne Hänseler. Worauf sich unter den Stellenpartnerinnen eine Diskussion über Frauenkarrieren entspinnt: Quote – ja oder nein, Vereinbarkeit mit Familie, Teamspirit. In einem Punkt sind sich sofort einig: Ebenso wie passendere Strukturen braucht es Frauen, die zeigen können, dass sie talentiert sind und dranbleiben – und ein Umfeld, das dies wahrnimmt und entsprechend honoriert. So wie es eben für Männern normal ist, wie neuere Studien belegen. Das ist nicht nur eine Frage der Persönlichkeit, sagt die Coaching-Expertin: «Durchhaltevermögen kann man lernen und Diversität auch.»

Institut für Sozialmanagement

Das Institut für Sozialmanagement entwickelt gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern aus der Praxis Impulse, Interventionen und Strategien, um die Kompetenzen zu erweitern. Die Mitarbeitenden forschen und bilden Studierende der Sozialen Arbeit aus. Ebenso bietet das Institut zahlreiche Weiterbildungen für angehende und tätige Führungs- und Beratungspersonen an.