Partizipation
Sozipedia – Kolumne über Fachbegriffe auf Abwegen
«Da müssen wir immer machen, was wir wollen»: So berichtete mir der Kindermund einmal leicht verärgert-gelangweilt von Erlebnissen aus einem Projekt zur Partizipationsförderung in Kitas. Und traf damit bei mir einen Nerv. Der Begriff Partizipation hat in den letzten 20 Jahren im Jargon der Sozialen Arbeit massiv an Konjunktur gewonnen. Keine Angebotskonzeption, kein Förderantrag und kein Schlussbericht kommen mehr ohne den Verweis auf die (vermeintliche) Partizipation der Adressatinnen und Adressaten aus. Die inflationäre Verwendung des Begriffs weckt allerdings meine Skepsis. Was meint Partizipation eigentlich? Und, noch viel wichtiger: Lösen wir als Fachpersonen der Sozialen Arbeit den damit verbundenen Anspruch tatsächlich ein?
Das Wort Partizipation leitet sich vom lateinischen partem capere ab, was mit den (oder einen) Teil ergreifen/sich nehmen oder erhalten/bekommen übersetzt werden kann. Damit einher gehen also immer auch eine aktive und eine passive Konnotation. Menschen werden passiv beteiligt, nehmen aktiv an etwas teil, sie haben Teil oder nehmen sich ihren Teil. Noch mehr Brisanz steckt in der Verbform von Partizipation: «Partizipieren» beschreibt der Duden als «von etwas, was ein anderer hat, etwas abbekommen». Es geht also neben dem Teilen von Entscheidungsgewalt immer auch um das Teilen von sozialen, kulturellen und ökonomischen Ressourcen.
Partizipation meint demnach viel mehr als das blosse Abholen von Meinungen oder Ideen. Aus der Forschung wissen wir zudem, dass sich dabei oft diejenigen durchsetzen, die ohnehin schon über mehr Kompetenzen, Zeit und Beziehungen verfügen als andere. So gesehen kann falsch verstandene Partizipation auch zu Exklusion führen. Nimmt man vor diesem Hintergrund den Partizipationsbegriff ernst, ist damit ein besonderer Anspruch verbunden.
Der Erziehungswissenschaftler Hans Thiersch schrieb: «Mitbestimmung ist ein konstitutives Moment Sozialer Arbeit; sie allein reicht aber nicht, solange sie nicht einhergeht mit der Institutionalisierung von Einspruchs- und Beschwerderechten, wie sie dem Status des Bürgers in einer Demokratie entsprechen.» Anders gesagt: Es geht darum, jenen Menschen, die es mit der Sozialen Arbeit zu tun bekommen, die Entscheidungsgewalt über ihren Alltag zurückzugeben – auch dann, wenn wir mit diesen Entscheidungen nicht einverstanden sind.