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Soziale Arbeit

Miteinander reden ist Gold in der Stadtentwicklung

In einer demokratischen Gesellschaft gestaltet und bestimmt die Bevölkerung ihren Lebensraum mit. Zu Konflikten kommt es oftmals dann, wenn die Erwartungen nicht geklärt wurden.

Von Anke Kaschlik

Sie appellieren an Kreativität und enden gern energisch mit Ausrufezeichen: «Brings uf d’Strass!», «Stadtidee!» oder «(Y)our City!» heissen einige Mitwirkungsprojekte der Stadt Zürich. In Basel soll Partizipation gesetzlich verankert werden. Und in der Zentralschweiz hat man mit «Dialog Luzern» unlängst eine Partizipationsplattform lanciert.

Dies sind nur wenige Beispiele für einen Trend in der Stadt- und Gemeindeentwicklung: die Förderung konkreter Partizipation der Bevölkerung bei der Gestaltung ihres Lebensraums. Trotz des plausiblen Gedankens dahinter – der Bündelung von Kräften und Wissen – gelingt die Umsetzung nicht immer. Dann kommt es zu Frustrationen, Verzögerungen oder Konflikten.

Erwartungen klären

Als Stadt- und Regionalforscherin durfte ich in Deutschland und in der Schweiz in und mit Städten unterschiedlicher Grösse zahlreiche Erfahrungen mit Partizipation sammeln. Dabei zeigte sich: Oftmals sind vergleichbare Faktoren für die eine oder andere Reaktion auf ein Projekt entscheidend.

«Partizipation sollte nicht mehr als Zusatzaufgabe betrachtet werden, sondern als selbstverständlicher Teil jeglicher Entwicklungsprozesse.»

Anke Kaschlik, Dozentin und Forscherin

Vor allem muss man sich stets etwas Grundsätzlichem bewusst sein: Ein Partizipationsprojekt oder -prozess hat immer zwei Seiten. Die eine Seite initiiert die Partizipation und bietet Teilhabe und Teilnahme an beziehungsweise fördert diese. Die andere Seite nimmt teil (oder eben auch nicht) oder fordert Teilhabe ein.

Häufig entstehen Unstimmigkeiten schon zu Beginn, nämlich dann, wenn eine Erwartungsklärung und gegebenenfalls eine Erwartungsanpassung ausbleibt. Zum Beispiel: Es gibt eine öffentliche Freifläche, die man neuerdings nutzen kann. Auf der einen Seite haben wir die Verwaltung, die eine möglichst breite Beteiligung anstrebt. Darum möchte sie die Ideen und Wünsche der Anwohnenden erfahren, um diese im Rahmen der Möglichkeiten umsetzen zu können. Auf der anderen Seite steht eine locker organisierte Gruppe von Anwohnenden. Diese erwarten, selbst Hand anlegen zu können.

An Vorgaben gebunden

Es gibt also zwei Positionen, die nicht einfach zu vereinbaren sind, wenn sie nicht angesprochen werden. Was aber braucht es? Im Grunde drei Dinge: eine gute Kommunikation, Zeit und Ergebnisoffenheit.

Damit widerspricht Partizipation in gewissem Masse den sehr unterschiedlichen Handlungslogiken beider Seiten. Die Stadt beziehungsweise die Verwaltung handelt, wenn sie muss, wenn sie den Auftrag dafür erhalten hat sowie innerhalb von Hierarchien und Fachressorts. Ihre Arbeit ist an politische Verfahren gebunden. Unsicherheiten wie bei einem Projekt mit offenem Ausgang lassen sich kaum im Verwaltungsalltag integrieren. Zielvereinbarungen und Evaluationen sind nach vorherrschenden Managementanforderungen kaum in der Lage, ergebnisoffene Prozesse abzubilden.

Bürgerinnen und Bürger hingegen sind aktiv im Rahmen der Stadtentwicklung, wenn und vor allem solange sie wollen und sie den Eindruck haben, etwas bewegen zu können. Dafür braucht es möglichst schnell sicht- oder spürbare Entwicklungen.

Lokales Wissen erkunden

Eine weitere wichtige Grundfrage: Wie viel Partizipation darf es denn sein? In vielen Fällen geht die städtische Seite fälschlicherweise davon aus, der Bevölkerung möglichst viel Mitsprache einräumen zu müssen. Falls aber der Entscheidungsspielraum sehr klein ist, reicht es aus, wenn die Verwaltung lediglich verständlich und nachvollziehbar die einschränkenden Rahmenbedingungen erklärt. So fühlt sich die Bevölkerung einbezogen und kann darauf vertrauen, dass bei einem anderen Projekt mit grösseren Spielräumen diese auch genutzt werden.

Ebenso sind Informationsaustausch und die Erkundung von Wissen und Interessen jener Menschen, die in irgendeiner Weise partizipieren wollen, die Grundlage jedes partizipativen Prozesses – zumindest sollten sie das sein. Dadurch werden lokale Wissensbestände erkundet und integriert, die der Verwaltung allein nicht zugänglich wären.

Angst vor Machtverlust

In der Folge stehen Entscheidungen auf breiterer Grundlage, und es entstehen soziale Innovationen. Zudem sind diese Wissensbestände implizit immer vorhanden und wirken im Zweifel gegen das geplante Vorhaben. Ich bin überzeugt davon, dass die Bevölkerung auch einschränkende Planungen mittragen kann, wenn der Sinn dahinter in einem grösseren Zusammenhang verständlich ist.

Neben der Angst vor den konkreten Anliegen aus der Bevölkerung ist auch die Angst vor Machtabgabe durch Partizipation auf städtischer Seite immer noch weit verbreitet. Dies lässt ausser Acht, dass mit der Abgabe von Entscheidungsmacht auch die Abgabe von Verantwortung und damit letztlich Arbeitserleichterung für die Verwaltung verbunden ist.

Sonderrolle der Stadt

Die Erfahrung zeigt: Vorhaben, die aus partizipativen Verfahren resultieren, werden üblicherweise auch von denjenigen mitgetragen, die nicht direkt beteiligt waren. In den überwiegend fertig gebauten Städten wird die Abstimmung unterschiedlicher Interessen, Motive und Ressourcen weiter an Bedeutung gewinnen.

Partizipation im Rahmen der Stadtentwicklung ist herausfordernd. Aber es führt kein Weg daran vorbei: Nicht nur die Stadtentwicklung, sondern auch der Umgang mit dem Klimawandel sind soziale Veranstaltungen. Alle sind betroffen und müssen möglichst gemeinsam oder zumindest abgestimmt handeln. Letztlich braucht es dafür nicht weniger als eine Kulturveränderung. Denn Partizipation sollte nicht mehr als Zusatzaufgabe betrachtet werden, sondern als selbstverständlicher Teil jeglicher Entwicklungsprozesse.

Die Stadt ist innerhalb dieser Prozesse eine Akteurin unter vielen. Dennoch behält sie eine Sonderrolle: Sie ist als einzige dem Gemeinwohl verpflichtet und behält die Planungshoheit. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung – unter anderem für Chancengleichheit bei der Beteiligung an partizipativen Verfahren.