Subjektfinanzierung stärkt Menschen mit Behinderung
Ein Bericht der ZHAW Soziale Arbeit zeigt: Die individuell bemessene Unterstützung von Menschen mit Behinderung ermöglicht ihnen eine freiere Wahl bei der Lebensgestaltung. Sie löst einen wichtigen Grundsatz der UNO-Behindertenrechtskonvention ein.
Menschen mit Behinderung sollen über ihre Lebensgestaltung stärker mitentscheiden können. Das befand die Schweiz 2014, als sie die UNO-Behindertenrechtskonvention ratifizierte. Damit diese hierzulande umgesetzt werden kann, lautet eine Idee: Die Finanzierung soll nicht wie bisher über Leistungsanbieter wie Wohnheime oder Werkstätten laufen, sondern einer Person individuell gewährt werden. Das heisst, statt einer Objekt- ist eine Subjektfinanzierung angezeigt.
Ein Bericht der ZHAW Soziale Arbeit, der im Auftrag des Kantonalen Sozialamts Zürich erstellt wurde, bekräftigt den Nutzen der Subjektfinanzierung. «Mit dem Systemwechsel wird kein Sonderrecht geschaffen, vielmehr geht es um eine Gleichstellung», sagt Projektleiter Christian Liesen. «Die betreffenden Personen oder ihre Stellvertretung können zentrale Entscheide im Unterstützungssystem selbst treffen.»
Umsetzung ist Sache der Kantone
Der von Liesen und seiner Mitautorin Angela Wyder verfasste Bericht dient als Basis für die Erarbeitung einer gesetzlichen Grundlage. Der Kantonsrat Zürich hat am 25. Juni 2018 eine entsprechende Motion überwiesen. Diese verlangt, Selbstbestimmung durch Subjektfinanzierung zu ermöglichen. Die Bedarfserhebung und die Qualitätssicherung sollen mit anerkannten Instrumenten erfolgen, wobei eine interkantonale Zusammenarbeit anzustreben ist.
Zurzeit arbeiten mehrere Kantone an einer subjektorientierten Weiterentwicklung ihres Unterstützungssystems. Dazu gehören neben Zürich auch Bern, Basel-Landschaft und Basel-Stadt sowie die Kantone Luzern, Thurgau und Zug. Für ihren Bericht zogen Christian Liesen und sein Team die Erfahrungen anderer Kantone bei und analysierten Erfahrungsberichte aus anderen Ländern. Gemeinsam mit rund 60 Stakeholdern aus dem Kanton Zürich entwickelten sie danach ein Grundmodell der Subjektfinanzierung.
«Mit dem Systemwechsel wird kein Sonderrecht geschaffen, vielmehr geht es um eine Gleichstellung.»
Christian Liesen, Projektleiter
Finanzielle Folgen hängen vom Umsetzungsweg ab
Auch im neuen System behalten die Institutionen eine wichtige Rolle inne. Zahlreiche Menschen mit Behinderung sind noch an sie gebunden, weil alternative massgeschneiderte Angebote fehlen. «Am wichtigsten ist es darum, zunächst den ambulanten Bereich auszubauen», sagt Christian Liesen. Institutionen müssen dabei gemäss Bundesgesetzgebung auch im neuen System bestehen bleiben.
Ein kostenneutraler Systemwechsel auf die Subjektfinanzierung ist laut dem ZHAW-Projektleiter nicht möglich. Die finanziellen Auswirkungen lassen sich noch nicht genau einschätzen, so Liesen, das Projektteam hat aber Schätzungen vorgenommen, wie sich verschiedene Umsetzungswege finanziell niederschlagen und welchen Nutzen sie stiften. Das Kantonale Sozialamt erarbeitet zuhanden des Regierungsrats nun den Entwurf für ein neues Gesetz.
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Kontakt
Christian Liesen, ZHAW Soziale Arbeit, Institut für Sozialmanagement, Telefon 058 934 86 37, E-Mail: christian.liesen@zhaw.ch