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Angewandte Linguistik

Studium der Zukunft: Kreativer, flexibler, aktueller

Leandro Huber ist Präsident der Studierendenorganisation VSZHAW. ZHAW-Impact wollte von ihm wissen, wie er sich das Studium der Zukunft vorstellt.

Impact Dezember 2018

Wissen pauken war gestern. Voice-Control-Systeme wie Alexa von Amazon werden künftig auch in der Schweiz intensiver genutzt werden. Sie liefern jede Definition viel präziser, als ich das könnte. Deshalb halte ich es für wichtiger, dass Studierende den Sinn einer Definition oder eine Formel verstehen. Vorbildlich war da mein früherer Mathelehrer. Er hat in den Klausuren die korrekte Lösung nur mit wenigen Punkten bewertet. Ihm war viel wichtiger, dass wir den richtigen Lösungsweg angewandt haben. Hatten wir uns unterwegs leicht verrechnet, dann wollte er uns dafür nicht bestrafen.

An der ZHAW habe ich aber manchmal den Eindruck, dass man den Fokus auf die präzise Wiedergabe von Wissen und Definitionen legt. Das finde ich schade. Denn je anspruchsvoller eine Aufgabe ist, je mehr ich selbst etwas erarbeiten musste, desto mehr habe ich mich reingekniet und engagiert. Deshalb plädiere ich auch dafür, Studierende noch mehr in die Forschung einzubeziehen – natürlich stufengerecht. Das ist viel motivierender. Dort, wo Neues entsteht, könnten Studierende nicht nur von Dozierenden lernen. Man könnte sich gemeinsam Wissen erarbeiten oder sogar teilweise die Rollen tauschen. Nehmen wir die neuen digitalen Social-Media-Plattformen. Dort sind Studierende viel mehr zuhause als viele Dozierende, und beide können voneinander lernen. In meinem früheren Studiengang Journalismus und Organisationskommunikation hätte ich es bevorzugt, mehr über aktuelle Trends zu erfahren: etwa darüber, wie man in 180 Zeichen auf Twitter Relevantes kommuniziert.

Traditioneller Qualitätsanspruch

Ich denke, da steht sich die Hochschule manchmal mit ihrem traditionellen Qualitätsanspruch selbst im Weg. Bis ein neues Modul steht, ist das einst so aktuelle Thema, welches der Auslöser war, vielleicht schon nicht mehr relevant. Dieser Anspruch tötet jede Kreativität. Vielleicht muss man heutzutage in dieser schnelllebigen Welt einfach mal was ausprobieren, dann evaluieren und anpassen oder wieder absetzen. Für die Lehre der Zukunft wünsche ich mir mehr Freiheit und Kreativität.

Studium und Beruf verbinden

Und ich wünsche mir mehr Flexibilität beim Unterricht. Vor allem was Ort und Zeit anbelangt. Heutzutage steht fast jede Studentin und jeder Student mit einem Bein im Berufsleben. Klassische Werdegänge – erst Studium, dann berufliche Karriere – existieren kaum noch. Eine gute Mischung zwischen digitalem und analogem Studium, wie ich das jetzt im FLEX-Studiengang in Betriebsökonomie erlebe, könnte ein möglicher Lösungsansatz sein. Dass individuelle Eintrittskompetenzen keine Hürden für ein Studium mehr darstellen, begrüsse ich. Denn diese heterogene Zusammensetzung bei den Studierenden empfinde ich als sehr bereichernd. Noch mehr Individualisierung würde ich mir auch bei den Austrittskompetenzen wünschen. Natürlich müsste dazu auch die Praxis befragt werden, welches die jeweiligen Bedürfnisse sind.

Mehr Interdisziplinarität

Vor meinem Studium stand ich im Berufsleben und habe in vielen verschiedenen Projekten mitgearbeitet. Da war ich, in Bezug auf die Fachrichtung, fast nie unter meinesgleichen. Die Projektgruppen waren immer interdisziplinär zusammengesetzt. Deshalb wäre es auch wünschenswert, wenn das Studium interdisziplinärer ausgerichtet wäre. Wie cool wäre es, wenn angehende Marketingleute nicht Produkte bewerben müssten, die es gar nicht gibt, sondern ein konkretes Produkt, das angehende Ingenieure im Studium entwickelt haben? Wenn man diese beiden Gruppen – und eventuell auch noch viele andere – zusammenbringen könnte, könnte man etwas sehr Spannendes lernen. Nicht nur fürs Studium, sondern auch für das Berufsleben.

Mehr Ethik

Nicht zuletzt ist meiner Ansicht nach auch die Vermittlung von Ethik wichtig für das Studium der Zukunft. Das wird beispielsweise am öffentlichen Diskurs zu selbstfahrenden Autos deutlich: Wie sollen sie programmiert werden? Sollen die Fahrzeuge im Notfall immer die eigenen Insassen schützen? Oder immer die jüngeren Personen? Oder sollen sie stets zwischen den einzelnen Optionen abwägen? Und falls ja: Welches Leben ist wie viel Wert? Nicht nur solche Fragen machen deutlich, wie wichtig Wertediskussionen im Unterricht sind. Davon könnte es ruhig mehr geben, denn vielleicht arbeiten die Absolventinnen und Absolventen einmal an solchen Projekten mit. Das ist kein Plädoyer für eine theoretische Einführung in ethische Konzepte um 8 Uhr morgens. Vielleicht könnten sich Dozierende aber überlegen, welche Denkanstösse, sie uns im Unterricht mitgeben wollen, die wir dann nach Unterrichtsschluss abends bei einem Glas Wein noch intensiv weiterdiskutieren würden.

Aufgezeichnet von Patricia Faller

Hochschulmagazin ZHAW-Impact

«Studium der Zukunft» lautet das Dossierthema der Dezember-Ausgabe des Hochschulmagazins ZHAW-Impact.

Eine Auswahl der Themen:
Individualisiertes und flexibles Lernen für die digitale Transformation – eine neue ZHAW-Teilstrategie begründet den Masterplan für die nächsten zehn Jahre. Kreativer, flexibler und aktueller, so stellt sich Leandro Huber, der Präsident der Studierendenorganisation VSZHAW, sein Studium der Zukunft vor. Die Lernfabrik an der School of Engineering erklärt das Prinzip Industrie 4.0. Im Biotech-Labor der Zukunft können Studierende ihre Experimente von unterwegs kontrollieren. Kreativ sein, ausprobieren, Fehler machen dürfen: Bei den Lernkonzepten «Service Design» und «Collaborative Online International Learning» steht Erfahrung im Fokus. Hybride Lebensläufe: Rafael Freuler – der einstige Internetunternehmer ist Quereinsteiger in die Soziale Arbeit. Halb real, halb online studieren mit Blended Learning. Mit Seamless Learning Brüche in der Lernbiografie verhindern. Lesen Sie weitere Beiträge über praxisorientiertes Studieren und Prüfungen der Zukunft.

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