Wie sieht der Journalismus der Zukunft aus?
Nachgefragt bei Guido Keel.
ZHAW-Impact Nr. 36 vom März 2017
Populistische Kreise beschimpfen Medien als «Lügenpresse» und bezeichnen die eigenen Lügen als «alternative Fakten». Woher kommt das?
Der Journalismus wird zwar von der Öffentlichkeit kritisch wahrgenommen, aber das war schon früher so, und das ist auch verständlich: Seine Aufgabe ist es, kritisch hinzuschauen. Da ist es naheliegend, dass den Journalistinnen und Journalisten selbst auch kritisch auf die Finger geschaut wird. Neu ist, dass man erstens zahlreiche alternative Quellen hat, was journalistische Beiträge leichter überprüfbar macht. Dank diesen Alternativen erkennt das Publikum beispielsweise schnell, wenn Journalisten – auch wenn sie gute Gründe dafür haben – gewisse Informationen zurückhalten. Und zweitens ist es für Kritiker einfacher geworden, sich Gehör zu verschaffen. Auf Social Media, sogar auf den Seiten der Nachrichtenmedien selbst.
Hat sich das Verhältnis zwischen Medien und Nutzern verändert im Zeitalter von Leserreportern oder Facebook und Co.?
Auf jeden Fall. Das Publikum übernimmt heute eine viel aktivere Rolle. Es kann erstens aus einer weit grösseren Zahl an Anbietern journalistischer und scheinbar journalistischer Inhalte auswählen, und zweitens kann es selbst in die Rolle des Produzenten schlüpfen und mit eigenen Inhalten zum Informationsfluss beitragen. Aus linguistischer Sicht interessiert dabei vor allem, in welcher Form und mit welchen sprachlichen Mitteln sich Journalistinnen auf der einen und Blogger auf der anderen Seite ans Publikum wenden, um von diesem beachtet und verstanden zu werden.
Vor welchen Herausforderungen steht der Journalismus heute?
Der Journalismus muss sich einerseits gegen mächtige, oft nicht-journalistische Akteure wie zum Beispiel Google, Facebook oder auch PR-Stellen von Unternehmen behaupten, und er muss sich stärker denn je den Bedürfnissen des Publikums anpassen – und das mit immer weniger Ressourcen.
Wie sieht der Journalismus der Zukunft aus?
Es werden neben den traditionellen Journalistinnen und Journalisten neue Akteure auf den Plan treten, die ihr Nischenpublikum suchen und finden. Sowohl traditionelle als auch neue journalistische Akteure werden zudem verstärkt das Publikum in die Produktion einbinden und dieses an ihrer Arbeit teilhaben lassen, um noch mehr Aufmerksamkeit zu erhalten und auf Akzeptanz zu stossen. Das Publikum will auf Augenhöhe angesprochen werden; Journalisten werden stärker zu Moderatoren von öffentlichen und teilöffentlichen Gesprächen.
Dieses Interview ist in der Ausgabe N. 36 unseres Hochschulmagazins Impact erschienen.
Guido Keel und Vinzenz Wyss vom Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW haben Ende 2016 im Auftrag der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK) eine Expertise zu Wandel und Innovation im Journalismus erstellt. Die EMEK ist eine vom Bundesrat eingesetzte, unabhängige Expertenkommission. Sie berät die Behörden bezüglich der Medien sowie der Entwicklung der gesellschaftlichen Kommunikation und leistet einen Beitrag zu tragfähigen Lösungen für die zukünftige Gestaltung des schweizerischen Mediensystems.