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Betroffene teilen ihre Erfahrungen zu Krankheiten

Was durchleben Menschen, die an Multipler Sklerose, Demenz oder chronischen Schmerzen leiden? Welche Erfahrungen machen sie in Arztpraxen oder im Spital? Welche Unterstützung finden sie hilfreich? Die von Zürcher Forschenden lancierte Plattform dipex.ch macht Erfahrungsberichte zu Krankheiten und Gesundheitsthemen öffentlich zugänglich und für Versorgung, Forschung, Lehre sowie Selbsthilfe nutzbar.

ihren persönlichen Erfahrungen befragt. (Bild: istock.com/sturti)

Tagtäglich machen Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen vielfältige Erfahrungen rund um den Verlauf von Krankheiten, die Gesundheitsversorgung, die Unterstützung, die sie erhalten und die Entscheidungen, die sie treffen müssen. «Daraus lassen sich wertvolle Rückschlüsse ziehen», sagt Nikola Biller-Andorno, Professorin am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Universität Zürich UZH, «nicht nur für die Institutionen des Gesundheitswesens, sondern auch für die Aus- und Weiterbildung, die Forschung und die Selbsthilfe.»

Wie werden Schwangerschaft, Demenz und Covid-19 erlebt?

Zusammen mit einer Gruppe von Forschenden der UZH und ZHAW haben Nikola Biller-Andorno und Andrea Glässel, Professorin am ZHAW-Departement Gesundheit, eine umfangreiche Sammlung von Erfahrungsberichten rund um verschiedene Krankheitsbilder und Gesundheitsthemen lanciert: die Database of Individual Patient Experiences (DIPEx). Zehn thematische Module werden aktuell erarbeitet und werden über die Website dipex.ch sukzessive öffentlich zur Verfügung gestellt. Das inhaltliche Spektrum reicht von Demenz und Covid-19 über chronische Schmerzen und psychische Gesundheit bis hin zu Schwangerschaft und pränataler Diagnostik.

«Viele Erfahrungsberichte im Internet und in den sozialen Medien werden in einer bestimmten Absicht – etwa für Marketingzwecke – eingesetzt», erläutert Biller-Andorno. «Im Gegensatz dazu ist unsere Sammlung systematisch aufgebaut, unabhängig und wissenschaftlich abgestützt.» Das Projekt hat sich bewusst dem HON-Code (Health on the Net) verpflichtet, der ein Sponsoring durch die Industrie und damit die Einflussnahme oder Verwertung der Daten zu Marketingzwecken ausschliesst.

Selbsthilfe und Patientenorientierung in der Versorgung fördern

Von den öffentlich zugänglichen Erfahrungen anderer zu lernen, ist in vielerlei Hinsicht wertvoll und mitunter ein bewährtes Mittel der Selbsthilfe: Zu hören, wie andere Betroffene auf eine Diagnose reagieren, wie sie im Alltag zurechtkommen und warum sie welche Behandlungsentscheidungen treffen, kann Menschen bei der eigenen Krankheitsbewältigung unterstützen.

Indem DIPEx die Perspektive von Menschen spiegelt, die das Gesundheitssystem nutzen, dient die Plattform auch als Informationsquelle zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. «Um Studierende möglichst realitätsnah auf ihre angehende Rolle in einem Gesundheitsberuf vorbereiten zu können, ist es für sie zentral zu wissen, welche Versorgungsbedürfnisse aus Sicht der Patientinnen und Patienten, bzw. der Betroffenen und auch für deren Angehörige von Bedeutung sind», so Andrea Glässel. «Auf diese Weise soll es Studierenden leichter gelingen, möglichst patientenorientierte Versorgungsangebote, Qualitätsmassnahmen und Best-Practice-Modelle zu entwickeln», ergänzt Biller-Andorno. Die systematisch aufbereiteten Erzählungen von Betroffenen und Angehörigen lassen sich damit auch für Aus- und Weiterbildungszwecke in Medizin- und Gesundheitsberufen nutzen, was letztlich ebenfalls zu einer stärker patientenorientierten Versorgung führt.

Nutzen für Forschung und Entwicklung

Nicht zuletzt leistet das Projekt einen Beitrag zur narrativen Forschung in einem gesundheitsbezogenen Umfeld. Nachwuchsforschenden aus Medizin oder anderen Gesundheitsdisziplinen, aber auch aus den Sprachwissenschaften oder den Medical Humanities bietet es die Chance, in einem wachsenden interdisziplinären Forschungsgebiet Fuss zu fassen. Zudem können die Erfahrungsberichte in die Entwicklung praxisnaher Produkte – etwa Entscheidungshilfen oder Versorgungsguidelines – einfliessen und die Stimme der Betroffenen in ihrer Sichtbarkeit stärken.

Internationales Netzwerk und etablierte Methodik

Zusammen mit 14 Nationen ist die Schweiz Teil des Netzwerkes von DIPEx-international (https://dipexinternational.org), zu dem unter anderem Grossbritannien (www.healthtalk.org), Deutschland (www.krankheitserfahrungen.de), die USA (http://healthexperiencesusa.org) Australien (http://www.healthtalkaustralia.org) und Kanada (https://healthexperiences.ca) gehören.

DIPEx arbeitet mit einer langjährig etablierten qualitativen Forschungsmethodik, die an der Universität Oxford entwickelt wurde. Für jedes Gesundheitsthema (Modul) werden zwischen 30 und 50 Personen nach ihren persönlichen Erfahrungen befragt. Dazu werden narrativen, teils semi-strukturierte Interviews geführt, systematisch ausgewertet und unter Berücksichtigung relevanter Ethik- und Datenschutzaspekte für die nationale Website aufbereitet.

Kontakt

  • Kontakt und Projektleitung UZH:
    Prof. Dr. Dr. Nikola Biller Andorno
    Institut für Biomedizinische Ethik (IBME)
    Universität Zürich
    Tel. +41 44 634 40 80
    E-Mail: biller-andorno@ibme.uzh.ch
  • Kontakt und Projekt DIPEx ZHAW:
    Prof. Dr. Andrea Glässel, MPH, MAE
    Institut für Public Health
    ZHAW Departement Gesundheit
    E-Mail: andrea.glaessel@zhaw.ch