Implementation von Patient:innen-zentrierten Outcome Messinstrumenten (PROMs) im Zentrum für Palliative Care am Kantonsspital Winterthur
Ergebnis
Ziel 1: Beschreibung des Patient:innenklientels und der Komplexität der Palliative Care Population am Zentrum für Palliative Care am KSW
- Der Datensatz umfasst 1‘486 Fälle, wobei einige Patient:innen mehrfach aufgenommen wurden, sodass die tatsächliche Anzahl der Personen bei 1‘282 liegt.
- Die Erhebung der Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) erfolgte mit hoher Vollständigkeit: 97% bei Aufnahme und 94% bei Entlassung. Um Lücken zu schliessen, wurden für verstorbene Patient:innen in 20% der Fälle IPOS-Bögen aus den letzten drei Tagen ergänzt. Während des Aufenthalts wurde bei 68% der Fälle mindestens eine zusätzliche IPOS-Erhebung durchgeführt, häufig im Zusammenhang mit einem Wechsel der Palliativphase (90%).
- Die Patient:innenpopulation entspricht in vielerlei Hinsicht dem typischen Profil von Palliativpatient:innen in stationären Settings. Die mittlere Liegedauer von etwa einer Woche ist vergleichbar mit Daten aus spezialisierten Palliative-Care-Einheiten, in denen Patient:innen häufig in instabilen oder terminalen Krankheitsphasen aufgenommen werden. Die Mortalitätsrate von 49% liegt innerhalb der erwarteten Spanne für Palliativstationen, in denen ein hoher Anteil der Patient:innen in der Einrichtung verstirbt. Auch das Muster wiederholter Aufnahmen entspricht der Erfahrung in Palliativstationen und Hospizen, wo Patient:innen aufgrund komplexer Symptome oder stabiler Phasen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung wechseln. Die hohe Vollständigkeit der erhobenen PROMs-Daten ermöglicht eine fundierte Analyse des Symptomverlaufs und der Versorgungsqualität.
- Das Durchschnittsalter der Patient:innen liegt im Mittel bei 72 Jahren mit einer hohen Streuung von 13 Jahren. Die jüngsten Patient:innen sind unter 30 Jahre alt, die älteste Person 101. Der Grossteil bildet die Altersgruppe der 70–79-Jährigen. Es liegt ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter vor.
- Knapp 60% der Patient:innen treten mit einer Tumorerkrankung oder hämatologischen Krebserkrankung ein. Um die 40% der Patient:innen weisen eine lebenslimitierende organische Erkrankung auf. Aufgrund der Datenerhebung während der SARS-CoV-2-Pandemie ist ein höherer Anteil an Infektionskrankheiten und Sepsis unter den Patient:innen zu verzeichnen.
- Der häufigste Eintrittsgrund ist eine hohe Symptomlast, gefolgt von einer Verschlechterung des Allgemeinzustands und der Notwendigkeit der komplexen Symptomkontrolle. Die Eintrittsgründe zeigen damit eine hohe Komplexität der Patient:innen an, was dem SENS-Modell der Palliativversorgung entspricht.
- Die Analyse der Palliativphasen zeigt, dass die Mehrzahl der Patient:innen (62%) bei Eintritt in der instabilen Phase ist, während 10% sich bereits in der sterbenden Phase befinden. Beim Austritt dominiert die stabile Phase mit 49%, während verstorbene Patient:innen die zweitgrösste Gruppe darstellen. Diese Verteilung entspricht internationalen Berichten zum stationären Palliativsetting und verdeutlicht die Effektivität der Versorgung hinsichtlich der Stabilisierung der Patient:innen.
- Der AKPS-Funktionsstatus zeigt zu Eintritt und bei Phasenwechsel einen Median von 40%, was auf eine ausgeprägte Pflegebedürftigkeit hinweist. Bei Austritt liegt der Median bei 0%, was durch den hohen Anteil verstorbener Patient:innen erklärbar ist. Jedoch verbessert sich der Funktionsstatus bei Patient:innen, die in andere Versorgungssettings überführt werden, deutlich.
- Die Analyse der IPOS-Items/das Komplexitätsprofil zeigt, dass bei Eintritt kein Symptom als nicht beeinträchtigend empfunden wird. Die häufigsten und stärksten Belastungen betreffen Familienangst, Fatigue, eingeschränkte Mobilität, Angst, Depression und Schmerzen. Besonders ausgeprägt sind Familienangst sowie Fatigue und Mobilitätseinschränkungen, die oft als schwer behandelbar gelten. Die Prävalenz der meisten Symptome nimmt über die Zeit ab, wobei Fatigue, Appetitlosigkeit und Mobilitätsprobleme die deutlichsten Verbesserungen aufweisen.
- Die Analyse der Prävalenz von Symptomen nach Palliativphasen zeigt, dass die Symptomlast in den instabilen und sich verschlechternden Phasen am höchsten ist. In der instabilen Phase erreicht Familienangst mit 83% die höchste Prävalenz, während in der sterbenden Phase Atemnot vermehrt auftritt. In der sich verschlechternden Phase dominieren Fatigue, Angst der Familie sowie Mundtrockenheit und Appetitlosigkeit. Bei Austritt bestehen weiterhin Symptome, auch wenn die Belastung insgesamt abnimmt.
- Die Hauptprobleme der Patient:innen bei Eintritt, erhoben durch die offene Fragen nach den Hauptanliegen zu Beginn der IPOS, decken sich weitgehend mit den festgelegten IPOS-Symptomen, beinhalten aber auch nicht erfasste Aspekte wie innere Unruhe, Delir, Schwindel, Sterbewunsch sowie psychische und spirituelle Belastungen. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer umfassenden, individuell angepassten palliativmedizinischen Betreuung.
Ziel 2: Vollständigkeit und Implementierungsgüte der patientenzentrierten Outcomes bei Palliative Care Patient:innen am ZfPC KSW
- Die Implementierungsgüte der PROMs am ZfPC des KSW ist als sehr hoch einzuschätzen. Dies ist vor allem anhand der hohen Vollständigkeit der Daten zu erkennen.
- Es ist auf die kontinuierliche Schulung des Teams, insbesondere bezüglich des Ausfüllverhaltens und Rate der Vollständigkeit der Angaben in den emotionalen und sozialen Items der IPOS zu achten.
- Ein Themenfeld für die weitere Teamentwicklung bezüglich der PROMs bleibt die Erhebung der PROMs in der sterbenden Palliativphase und bei verstorbenen Patient:innen. Aufgrund der hohen Mortalitätsrate in der Palliative Care und der Notwendigkeit, auch in dieser kritischen Phase die Wirksamkeit der geleisteten Palliativversorgung darstellen zu können, wäre die Anwendung der PROMs zu diesen Messzeitpunkten kritisch für die weitere Qualitätsentwicklung.
- Trotz zahlreicher Herausforderungen wurde die Implementierung der PROMs erfolgreich durchgeführt. Die kontinuierliche Schulung des Personals, die Etablierung fester Rollen im Team und die hohe Eigenmotivation der Pflegekräfte waren entscheidend für den nachhaltigen Erfolg. Die elektronische Dokumentation bleibt ein zentrales Entwicklungsfeld für die Zukunft, um die Nutzung der Daten weiter zu optimieren.
Ziel 3: Feststellung der Wirksamkeit der geleisteten Palliative Care auf Basis der Outcomemessinstrumente
- Längsschnittanalyse: Die Analyse der IPOS-Daten zeigt eine allgemeine Abnahme der Prävalenz mässig bis stark ausgeprägter Symptome und Probleme zwischen Ein- und Austritt. Besonders deutliche Verbesserungen betreffen Schmerzen, Fatigue, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Eingeschränkte Mobilität sowie Angst/Sorge der Patient:innen und Praktische Probleme. Geringfügige Veränderungen sind bei Atemnot, Mundtrockenheit, Familienangst, Nicht im Frieden mit sich selbst sein, Gefühle teilen und Informationsbedürfnissen erkennbar.
- Bei Patient:innen, deren Palliativphase von instabil zu stabil wechselt, zeigt sich eine gleichmässige Verbesserung der Symptomatik, insbesondere bei Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit und Verstopfung. Emotionale und kommunikative Probleme verringern sich ebenfalls, wenn auch in geringerem Ausmass. Symptome wie Atemnot, Fatigue, Nicht im Frieden mit sich selbst sein und Gefühle teilen bleiben hingegen weitgehend unverändert.
- Für die kleine Gruppe von Patient:innen, deren Palliativphase von sich verschlechternd zu stabil wechselt, zeigen sich deutliche Verbesserungen für fast alle Symptome, mit Ausnahme von ‚Gefühle teilen‘ und ‚Informationsbedürfnissen‘.
- Anteile leichter bis starker Veränderung für individuelle IPOS-Items: Die Mehrheit der Patient:innen erfährt eine Stabilität oder eine Verbesserung der Symptome. Verschlechterungen treten zum Austritt hin seltener auf. Bei 14 von 17 IPOS-Items zeigt mindestens ein Viertel der Patient:innen eine Verbesserung. Die Versorgung auf der Palliativstation des KSW führt somit in der Regel zu einer Verbesserung oder Stabilisierung des Symptomprofils für drei Viertel der Patient:innen. Dies spricht für die hohe Wirksamkeit und Versorgungsqualität.
Beschreibung
Hintergrund:
Das Zentrum für Palliative Care (ZfPC) am Kantonsspital Winterthur möchte Patient:innen-zentrierte Outcome Messinstrumente im Rahmen der anhaltenden Evaluation und Verbesserung der geleisteten Pflegequalität einführen. Sie erteilt der ZHAW den Auftrag PROMs (Palliativephase, AKPS, IPOS) mit dem Team zusammen einzuführen.
Ziele / Fragestellung:
- Vorbereitung der Implementation inklusive Schulung vom Team über die PROMs, deren Wert und Nutzen, Dokumentation, entsprechendes Ableiten von Interventionen.
- Implementation und folglich Messung von PROMs an allen Patient:innen, welche auf die Palliativstation am KSW aufgenommen werden.
- Feedback der Ergebnisse an Pflegende und Leitung des Zentrums für Palliative Care zur Sicherstellung der Datenqualität und Festlegung von abteilungsspezifischen Zielen.
- Bericht über nachhaltige Implementationsstrategie und Verbesserungsvorschläge anhand von beobachteten hinderlichen und fürwörtlichen Aussagen der Pflegenden.
Methode:
Die gemessenen Daten werden mittels quantitativer Methoden der Statistik (Deskriptiv-, Inferenzstatistik) ausgewertet.
Nutzen/Resultate:
Die Zusammenarbeit zwischen Praxis und Forschung soll gestärkt werden. Hierbei erfolgt die Implementation der PROMs in partnerschaftlichem Einvernehmen und dient zur anhaltenden Verbesserung der Qualität der Palliative Care im KSW.
Eckdaten
Co-Projektleitung
Projektteam
Margarete Reisinger, Susanne de Wolf-Linder
Projektpartner
Kantonsspital Winterthur KSW / Zentrum für Palliative Care
Projektstatus
abgeschlossen, 09/2020 - 03/2025
Institut/Zentrum
Institut für Pflege (IPF)
Drittmittelgeber
Kantonsspital Winterthur KSW / Departement Innere Medizin
Publikationen
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Using normalization process theory to evaluate the use of patient-centred outcome measures in specialist palliative home care : a qualitative interview study
2024 Lehmann-Emele, Eva; Jansky, Maximiliane; Clapham, Sabina; de Wolf-Linder, Susanne; Bausewein, Claudia; Hodiamont, Farina
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Culture in the spotlight : cultural adaptation and content validity of the integrated palliative care outcome scale for dementia : a cognitive interview study
2021 Hodiamont, Farina; Hock, Helena; Ellis-Smith, Clare; Evans, Catherine; de Wolf-Linder, Susanne; Jünger, Saskia; Diehl-Schmid, Janine; Burner-Fritsch, Isabel; Bausewein, Claudia