"Erziehung zur Welt?"
Eine ethnographische Untersuchung zu Vorstellungen sozialer Ordnung in Praktiken institutioneller Erziehung
Beschreibung
Im Jahr 2013 wurden knapp 73% aller 0-3jährigen Kinder sowie knapp 55% aller 4-12jährigen Kinder bis zu 30 und mehr Wochenstunden extern betreut (vgl. BFS, 2014). Der Bedarf an externer, schulergänzender sowie elternentlastender Kinderbetreuung wächst dabei weiter an. Im Zentrum der politisch-medialen aber auch fachlichen Diskurse steht dabei die Frage nach der optimalen Kompetenzförderung. Trotz einer relativen Eindeutigkeit in der Vorstellung, über welche Kompetenzen ein erwachsener Mensch verfügen soll (vgl. OECD 2003), scheint Erziehung als solche und mit ihr verbundene normative Vorstellungen von Lebens- und Gesellschaftsentwürfen kaum mehr thematisiert (vgl. Lessenich, 2008). Die Erziehungswissenschaft selbst beschäftigt sich in aktuellen Beiträgen primär mit Bildungsforschung, mit internationalen Vergleichen zu „what works“ und kaum noch mit dem Erziehungsgeschehen und den in ihr eingelagerten Vorstellungen zu sozialer Ordnung (vgl. Fatke & Oelkers, 2014). Diese thematische Verschiebung hin zu Bildungsfragen erscheint insofern bemerkenswert, als seit der zweiten Moderne die institutionalisierte Erziehung innerhalb der kindlichen Lebenswelt eine immer grössere Bedeutung erhält. Erziehung kann dabei nach Winkler (2006b) als eine Wirklichkeit beschrieben werden, in der im Rahmen von Generationenordnungen immer auch Lebensformen machtvoll ausgehandelt werden. Dies bedeutet, dass in Praktiken der Erziehung Vorstellungen zu sozialer Ordnung bewusst oder unbewusst ‚mitverhandelt‘ werden, ohne weiter zu explizieren, was diese beinhalten bzw. wie sie sich konkret in den erzieherischen Praktiken manifestieren. Dennoch sind solche Vorstellungen im Sinn von Welt- und Gesellschaftsbildern vorhanden und prägen das Erziehungsgeschehen in Form von impliziten Wissensbeständen massgeblich mit. An diese diskursive sowie wissenschaftliche Lücke knüpft das vorliegende Projekt an. Unsere Forschung beabsichtigt, durch die Analyse und Explizierung der ins Erziehungsgeschehen hineinwirkenden Vorstellungen sozialer Ordnung einen Beitrag zur empirischen Beschreibung gegenwärtiger institutioneller Erziehungspraktiken zu leisten. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Welche Vorstellungen von sozialer Ordnung kommen im Kontext institutioneller Erziehung in erzieherischen Praktiken von Fachkräften zum Ausdruck und wie werden diese in Interaktionen mit Kindern und Jugendlichen vermittelt?Mittels eines ethnographischen Zugangs werden verschiedene kontrastierende Fälle institutioneller Erziehung aus dem Feld der ergänzenden Kinderbetreuung sowie aus dem Arbeitsfeld der Resozialisation für unterschiedliche Altersgruppen untersucht. Mittels teilnehmender Beobachtung, der Analyse von Sprechakten im Interaktionskontext sowie Interviews mit Fachkräften werden Erziehungspraktiken und darin wirkende Vorstellungen sozialer Ordnung systematisch erfasst und interpretiert (vgl. Honegger, Bühler & Schallberger, 2002). Die Ergebniserwartung des hier vorgeschlagenen Forschungsprojekts fokussiert auf eine systematische Analyse von normativen Grundlagen, von Vorstellungen zu sozialer Ordnung, welche aktuelle Erziehungspraktiken im Kontext institutioneller Erziehung formen und prägen. Aufgrund des bestehenden Forschungsdesiderates, welches nachfolgend skizziert wird, ist die Studie explorativ angelegt.
Eckdaten
Projektleitung
Prof. Dr. Monika Götzö, Prof. Dr. Annegret Wigger
Projektteam
Kushtrim Adili, Gianluca Cavelti, Dr. Susanne Nef, Thomas Schmid
Projektpartner
Fachhochschule St. Gallen FHSG
Projektstatus
abgeschlossen, 11/2016 - 12/2019
Institut/Zentrum
Institut für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe (IVGT)
Drittmittelgeber
SNF-Projektförderung / Projekt Nr. 169727