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Quantified Self – Schnittstelle zwischen Lifestyle und Medizin

Beschreibung

Ausgangslage Die preiswerten Sensoren in tragbaren Geräten und eine immer grössere Anzahl von Applikationen (Apps) zu den Themen Lifestyle, Wellness und Gesundheit machen es den Nutzerinnen und Nutzern dieser Produkte möglich, ihren Körper und ihr Verhalten selbst zu messen. Diese Selbstvermessung ist unter dem Begriff „Quantified Self (QS)“ bekannt geworden. Die dabei gewonnene Datenfülle (Big Data) weckt nicht nur bei den Selbstvermessenden Hoffnung auf Erkenntnisse. Auch Akteure aus dem Gesundheitsbereich und der Wirt-schaft wollen von den Auswertungen profitieren. Über die möglichen Konsequenzen, Chancen und Risiken für Individuen, Organisationen und die Gesellschaft ist bisher noch wenig bekannt.

Zielsetzung

Die Studie „Quantified Self – Schnittstelle zwischen Lifestyle und Medizin” zielt darauf ab, einen Überblick über den aktuellen Stand der Technik und Nutzung der Selbstvermessung sowie zukünftige Trends zu geben. Aus einer Analyse der Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Risiken werden Empfehlungen für Ent-scheidungsträgerinnen und -träger gegeben, unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen, wirtschaft¬lichen, ethischen und rechtlichen Perspektiven. Die Empfehlungen sollen es ermöglichen, die Chancen zu nutzen, die sich aus der Anwendung von QS ergeben und gleich¬zeitig die damit verbundenen Risiken zu kontrollieren.

Methoden

Das Projekt ist in vier Teilprojekte gegliedert:

  1. Ist- und Trend-Analyse,
  2. Nutzerbefragung,
  3. Gesamtbeurteilung und Empfehlungen sowie
  4. Dissemination.

Im Teilprojekt (1) wurden der aktuelle Stand und die zukünftigen Entwicklungen zu QS mittels Literatur- und Dokumentenanalyse für die jeweiligen Fachbereiche erhoben. Das dabei gewonnene Wissen wurde ergänzt durch Interviews mit 19 Expertinnen und Experten. Im Teilprojekt (2) wurden Nutzen, Nutzungsmotive und Auswirkungen von QS untersucht. Die Perspektiven der Anwenderinnen und Anwendern sowie der Gesundheitsfachpersonen wurden mittels Fokusgruppeninterviews, einer Online-Befragung und der Befragung einer sogenannte QS-Usergroup erfasst. Auf Basis dieser Ergebnisse führte die Projektgruppe in Teilprojekt (3) einen Workshop durch. Chancen und Risiken wurden interdisziplinär analysiert und für eine anschliessende Gesamtbeurteilung bewertet. Daraus wurden spezifische Handlungsempfehlungen für verschiedene Entscheidungsträger und Akteure abgeleitet. Die Dissemination der Resultate erfolgt in Teilprojekt (4).

Resultate

QS wird bisher nicht einheitlich definiert. Im Rahmen dieser Studie wird der Begriff wie folgt verstanden: Quantified Self ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Person sich aktiv mit Geräten und Applikationen misst, um aufgrund der Analyseresultate Wissen zu generieren, das dazu beiträgt, ihren Lebensstil und ihr Verhalten in den Bereichen Fitness, Wellness oder Gesundheit zu optimieren. Es gibt eine Vielzahl von Geräten und Apps, die der Selbstvermessung dienen. Sie können rechtlich in Konsum- und Medizinprodukte unterteilt werden. Unter Konsumprodukten sind diejenigen QS-Produkte zu verstehen, die für Lifestyle, Wellness, Fitness oder Gesundheit verwendet werden und dem Konsumrecht zuzuordnen sind. Die meisten Produkte fallen in diese Kategorie. Mit dem Einsatz von Medizinprodukten wird ein medizinischer Zweck verfolgt, weshalb sie den strengen Regulativen des Heilmittelrechts unterliegen. Das Phänomen der Selbstmessung ist keine Erfindung der Neuzeit. Seit Jahrhunderten misst sich der Mensch, das bekannteste Beispiel ist das Körpergewicht. Aus der gesellschaftlichen Perspektive betrachtet tragen verschiedene Entwicklungen dazu bei, dass die digitale Selbstvermessung an Bedeutung gewinnt: neue Technologien, der kulturelle Wandel und das veränderte Kommunikationsverhalten der Menschen. Dabei tritt das gesellschaftliche Leitbild der Selbstoptimierung und der Einzelverantwortung stärker in den Vordergrund. Der Körper wird als Ergebnis der persönlichen Leistung gesehen und nicht mehr als biologisches Schicksal. Die ökonomische Haltung gegenüber dem Selbst gewinnt an Bedeutung. Diese Verschiebung der Verantwortung von der Behandlung einer Krankheit durch Gesundheitsfachleute bis hin zur Eigenverantwortung und Prävention der einzelnen Person unterstreicht den Paradigmenwechsel in der Gesundheitsversorgung. Die digitale Selbstvermessung ist Teil dieser Entwicklung und trägt andererseits dazu bei. Im Bereich Medizin werden bereits QS-Anwendungen erprobt, vor allem bei chronischen Erkrankungen. Im Schweizer Gesundheitswesen ist man noch zurückhaltend, obwohl QS-Anwendungen viel Potenzial zuge-schrieben wird. Dies ist zurückzuführen auf die mangelnde Reliabilität der erhobenen Daten, die lückenhafte Evidenz bezüglich der Wirksamkeit sowie den fehlenden Qualitätsstandards der vorhandenen Geräte und Apps. Aus technischer Perspektive stellt trotz der ständig verbesserten Sensortechnologie die mangelhafte Datenqualität der Produkte (Wearables) ein Problem dar, ebenso die unzureichende Datensicherheit. Technische Herausforderungen sind u.a. die grossen Datenmengen und die Aggregation von verschiedenen Datenquellen. Zu den Anbietern von QS-Produkten und -Leistungen zählen aus wirtschaftlicher Sicht neben den Akteuren des Gesundheitswesens zunehmend auch Handels- und Telekommunikationsunternehmen. In der Schweiz sind Smartphones die bevorzugte Hardware zum Tracken von Gesundheitsdaten; Wearables sind deutlich weniger verbreitet. Die Schweizer Uhrenindustrie kooperiert vermehrt mit Technologieunternehmen, um im Markt mit Smartwatches konkurrenzfähig zu bleiben. Hohe Wachstumsraten zeigen sich auch bei den gesundheitsbezogenen Apps. Eine Reihe von wirtschaftlichen Akteuren wie Versicherungen und die Pharmaindustrie interessieren sich ebenso für die in der Selbstvermessung generierten Personendaten wie die Forschung. Ausländische Anbieter, die QS-Produkte auf den Markt bringen wollen, halten sich häufig nicht an die regulato-rischen Anforderungen. Die Entwickler und Anbieter, die neu im Gesundheitsmarkt tätig sind, kennen diese Normen oft nicht oder ignorieren sie. Bei grenzüberschreitenden Rechtsverhältnissen ist es für die Kundinnen und Kunden mit hohen Hürden verbunden, ihre Ansprüche gegenüber den Anbietern geltend zu machen und durchzusetzen. Dies gilt aus rechtlicher Perspektive auch für den von den Herstellern und Dienstleistern unzu-reichend gewährleisteten Datenschutz in der Anwendung von QS-Produkten bis hin zum Datenmissbrauch. Aus rechtsethischer Sicht herrschen in Bezug auf QS unterschiedliche Vorstellungen. Für manche Autorinnen und Autoren gilt QS als Innovationstreiber, andere heben die Risiken für die Werte wie Privatheit, Transparenz, (informationelle) Selbstbestimmung, Gleichheit und Solidarität hervor. Chancen und Risiken von QS ergeben sich für (1) für Individuen, (2) für Institutionen, Organisationen und Un-ternehmen sowie (3) für die Gesellschaft als Ganzes. Diese betreffen vor allem die Gesundheit, den Daten-schutz und die Ethik. Die Risiken weisen nicht unbedingt auf einen Handlungsbedarf hin, vor allem, wenn be-stehenden Normen und die Rechtsdurchsetzung ausreichen, um ein grundsätzliches Risiko zu beschränken. Um die Chancen von QS-Anwendungen nutzen zu können, sind noch einige Schritte zu leisten. Diese sind als konkrete Handlungsempfehlungen aufgelistet worden.

Eckdaten

Projektleitung

Prof. Dr. Heidrun Karin Becker

Stellv. Projektleitung

Projektteam

Michaela Evers-Wölk, Gabriel Eyyi, Stefan Hegyi, Mattis Jacobs, Britta Oertel, kein Titel Yvonne Prieur, Dr. Mandy Scheermesser, Prof. Dr. Kurt Stockinger

Projektpartner

Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung IZT

Projektstatus

abgeschlossen, 04/2016 - 03/2018

Institut/Zentrum

Institut für Ergotherapie (IER); Institut für Physiotherapie (IPT); Institut für Informatik (InIT); Abteilung Business Law (ABL)

Drittmittelgeber

Stiftung

Publikationen