Integrativer Lebensraum trotz Lärm
Kostengünstige Wohnungen an lärmbelasteten Lagen
Beschreibung
Lärmschutzvorschriften engen die Architektur und die Gestaltung des sozialen Raums in städtischen Gebieten zunehmend ein. Das Forschungsprojekt misst die Gesetzgebung an den baulichen und gesellschaftlichen Realitäten und schlägt Strategien für ein sozialverträgliches, zukunftsfähiges Bauen am Lärm vor.
Ausgangslage
Über 20% der Schweizer Bevölkerung leben in lärmbelasteten Gebieten. Derweil ist wissenschaftlich belegt, dass Lärm die physische und psychische Gesundheit beeinträchtigen kann. Die externen Gesundheitskosten infolge von Strassenverkehrslärm betrugen 2019 rund 2.1 Milliarden Franken. Die Notwendigkeit von Lärmschutz ist demnach unbestritten. Der Wohnungsbau an lärmbelasteten Lagen stellt für Architektinnen und Architekten aber eine grosse Herausforderung dar. Sind die Immissionsgrenzwerte überschritten, schränkt die Gesetzgebung den planerischen Spielraum massiv ein: Wohnräume, Schlafzimmer und Balkone rücken auf die lärmabgewandte Gebäudeseite, während sich Treppenhäuser, Badezimmer, Küchen und Abstellräume an der Strasse konzentrieren. Die Folgen dieser rigiden Handhabung sind in unseren Städten bereits sichtbar: Neuere Wohnbauten zeigen dem öffentlichen Raum ihre Rückseite, belebte Strassen mitten in der Stadt verwandeln sich in unwirtliche Verkehrsachsen. Lärmschutz hat auch seinen Preis: Einkommensschwache Haushalte können sich die Mieten in sanierten oder neuen Bauten oft nicht leisten. Sie werden aus der Innenstadt verdrängt oder bleiben dem Lärm in unsanierten Gebäuden ausgesetzt. Damit wirkt sich Lärm auch auf die Teilhabe verschiedener sozialer Gruppen am urbanen Lebensraum aus. Diese Entwicklung wird sich im Zuge der raumplanerisch notwendigen und von der Bevölkerung geforderten Verdichtung nach innen verstärken. Ob und wann der Verkehrslärm etwa durch den Einbau von Flüsterbelägen, Elektromobilität oder Temporeduktionen abnehmen wird, ist ungewiss. Eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen baulichen und regulatorischen Praxis ist daher dringend notwendig.
Methodik
Das Forschungsprojekt vereint die Disziplinen Architektur und Städtebau mit der Sozialraumforschung. Vier Forschungsstränge werden in einem iterativen Prozess miteinander verknüpft:
1. Untersuchung der geltenden Lärmschutzgesetzgebung und ihres Vollzugs
2. Erstellung eines Inventars aktueller Fallbeispiele für Wohnbauten an lärmbelasteten Lagen
3. Qualitative Befragungen zur Wohn- und Lebensqualität im Untersuchungsperimeter entlang der lärmbelasteten Zürcher Badenerstrasse. Feststellen von Bewältigungsstrategien der Betroffenen im Umgang mit Lärm.
4. Entwurfsstudien in demselben Untersuchungsperimeter unter Mitwirkung von Architekturstudierenden. Erarbeitung neuer architektonischer Strategien. Überprüfung anhand von Workshops (soziologische Aspekte) und Simulationen (bauphysikalische Aspekte).
Zielsetzung
Als Lärmschutz wird heute vornehmlich die technische Herausforderung verstanden, Innenräume vor Aussenlärm abzuschirmen. Das Forschungsprojekt hat demgegenüber eine ganzheitliche Betrachtung der Lärmschutzproblematik zum Ziel. Es will erstens Architekt*innen, Bauherrschaften, Politik und Behörden auf die architektonischen und sozialen Konsequenzen der heutigen Handhabung aufmerksam machen. Zweitens skizziert es Ansätze für ein zukunftsfähiges und sozialverträgliches Regulativ auf.
Eckdaten
Projektleitung
Deborah Fehlmann
Stellv. Projektleitung
Barbara Chiasserini-Miotti
Projektteam
Elias Brandenberg, Philipp Esch, Martial Jossi, Dr. Anke Kaschlik, Prof. Dr. Philippe Koch, Prof. Dr. Stefan Kurath, Andreas Sonderegger, Prof. Astrid Staufer, Prof. Dr. Peter Streckeisen
Projektpartner
Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA; Kanton Zürich / Fachstelle Lärmschutz
Projektstatus
abgeschlossen, 05/2019 - 12/2021
Institut/Zentrum
Institut Konstruktives Entwerfen (IKE); Institut Urban Landscape (IUL); Institut für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe (IVGT)
Drittmittelgeber
ZHAW Forschungsschwerpunkt «Gesellschaftliche Integration»
Weiterführende Dokumente und Links
Publikationen
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Mit Wohnenden forschen : über den Einbezug der Betroffenenperspektive hinaus
2024 Fehlmann, Deborah; Kaschlik, Anke; Streckeisen, Peter
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Visionen des Urbanen mit und ohne Lärm
2022 Brandenberg, Elias; Streckeisen, Peter; Kaschlik, Anke; Jossi, Martial
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Wohnen und Lärm in der wachsenden Stadt : Multidimensionalität der Lebensverhältnisse und Einbezug von Betroffenenperspektiven
2021 Kaschlik, Anke; Streckeisen, Peter
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Wege aus der Lärmschutz-Sackgasse
2021 Fehlmann, Deborah
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Integrativer Lebensraum trotz Lärm : Ansätze für ein künftiges Wohnen in der Stadt
2021 Fehlmann, Deborah
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A city without noise? : tackling the unintended effects of noise abatement, and developing strategies to enhance the quality of urban life
2021 Brandenberg, Elias; Jossi, Martial; Kaschlik, Anke; Streckeisen, Peter
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Lärmschutz & Lebensraum : zum Stand der Dinge
2020 Staufer, Astrid
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Wohnen trotz(t) Lärm?! : Lebensqualität und Bewältigungsstrategien Betroffener in lärmbelasteten Wohnlagen
2019 Kaschlik, Anke; Jossi, Martial