Qualitative Begleitforschung 31DAYS-Challenge in Winterthur
Schweizer Städte und Gemeinden spüren die Auswirkungen des Klimawandels und setzen Klimaziele, die durch Massnahmen in Energie und Mobilität erreicht werden sollen. Winterthur strebt bis 2040 netto null CO₂ an. In der 31DAYS-Challenge verzichteten 1005 Personen auf ihr Auto und nutzten nachhaltige Mobilitätslösungen.
Ergebnis
Die Teilnahme an der 31DAYS-Challenge führte bei vielen Teilnehmenden zu einer Veränderung der Mobilitätsabsichten. Vor dem Experiment war das Auto oft die bevorzugte Wahl für verschiedene Aktivitäten. Nach dem Experiment ziehen viele Teilnehmende neue, nachhaltigere Mobilitätslösungen in Betracht und haben ihre Pläne teilweise bereits umgesetzt. Die positiven Erfahrungen während des Experiments haben dazu beigetragen, dass die Teilnehmenden ihre Mobilitätsgewohnheiten überdenken und teilweise anpassen. Ob sich ihr Verhalten tatsächlich langfristig verändern wird, kann zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht festgestellt werden.
Vor dem Experiment konnten sich die meisten Teilnehmenden nicht vorstellen, ihr Auto zu verkaufen. Viele nutzten ihr Auto aus Bequemlichkeit oder für bestimmte Zwecke wie Freizeitaktivitäten und Arbeit. Eine kleine Gruppe betrachtete die Challenge als Generalprobe für ein Leben ohne eigenes Auto. Nach dem Experiment berichten deutlich mehr Teilnehmende, dass sie nun darüber nachdenken, ihr Auto zu verkaufen. Auch solche, die das vor dem Experiment nicht geplant hatten. Einige haben erkannt, dass sie auf das Auto verzichten können und haben ihr Auto nach der Challenge inseriert, planen es in näherer Zukunft zu verkaufen oder wollen sich nach dem aktuellen Auto kein neues mehr kaufen.
Die positiven Erfahrungen mit alternativen Verkehrsmitteln haben dazu geführt, dass die Teilnehmenden ihre Mobilitätsgewohnheiten überdenken. Die Zahlen aus der quantitativen Begleitforschung zeigen, dass 84 Haushalte ihr Auto innerhalb von drei Monaten nach Abschluss der Challenge verkauft haben. Das führt zu einer jährlichen CO2 -Einsparung von mindestens 2 Tonnen pro Haushalt jährlich.
Der Einfluss der Prämie von 3000 Franken variiert dabei je nach Lebenssituation der Teilnehmenden. Einige überlegen sich aufgrund der Umstiegsprämie einen Verkauf. Für einige Teilnehmende bleibt das Auto jedoch aus praktischen Gründen notwendig. Gründe sind die Kosten oder der lange Arbeitswege und Berufe, in denen der Transport grosser Güter erforderlich ist. Auch die Zeitersparnis und die Betreuung von Familienmitgliedern sind Gründe, weshalb einige Teilnehmende weiterhin ihr eigenes Auto nutzen. Zudem spielen auch psychische oder physische Einschränkungen bei der Entscheidung eine Rolle.
Die Teilnehmenden berichten nach Ende der Challenge von verschiedenen positiven Erfahrungen im öffentlichen Verkehr. So haben einige auf ihrem Arbeitsweg oder in ihrem Alltag neue Routinen entwickelt. Viele haben ihr Generalabonnement während der Challenge auch für Ausflüge und Wochenendreisen in der Schweiz genutzt. Diese positiven Erfahrungen übersetzen sich teilweise in den Kauf eines Abonnements für den öffentlichen Verkehr.
Einige Teilnehmende verkaufen das persönliche Auto nicht, möchten aber zusätzlich in eine nachhaltige Mobilitätslösung wie z.B. ein ÖV-Abo investieren. Eine zweite Gruppe erhielt mit der zweckgebundenen Umstiegsprämie einen Zustupf für den Kauf eines ÖV-Abonnements. Einige Teilnehmende berichten aber auch, dass sie die regelmässige Nutzung des öffentlichen Verkehrs als zu teuer empfinden.
Vor dem Experiment schätzten die meisten Teilnehmenden, dass es kein Problem sein würde, einen Monat lang auf ihr Auto zu verzichten. Einige waren gespannt darauf, neue Mobilitätslösungen auszuprobieren und ihre Gewohnheiten zu ändern. Nach dem Experiment beurteilt ein Grossteil der Teilnehmenden die Challenge als positive Erfahrung, wobei hier sehr unterschiedliche Gründe genannt werden. Viele berichten, dass sie während des Experiments häufiger unterwegs waren und Ausflüge und Reisen unternommen haben, die sie sonst nicht gemacht hätten. Einige Teilnehmende haben aber auch neue Routinen entwickelt, die ihnen ein positives Gefühl geben. So haben gewisse Teilnehmende das Wandern mit dem öffentlichen Verkehr für sich entdeckt. Andere sind stolz, dass sie trotz schlechten Wetters mit dem Velo zur Arbeit gefahren sind. Gerade positiv erfahrene Routinen möchten die Teilnehmenden auch nach dem Experiment beibehalten.
Die Kommunikation durch das Projektteam während des Experiments wurde von den Teilnehmenden sehr geschätzt und hat massgeblich zur positiven Erfahrung der Challenge beigetragen. Die Teilnehmenden fühlten sich gut informiert und erhielten rasch Antwort auf ihre Fragen. Einige Teilnehmende merken jedoch kritisch an, dass das Marketing ein merklicher Bestandteil der Kommunikation war.
Beschreibung
Im urbanen Raum Schweizer Städte und Gemeinden sind die Auswirkungen des Klimawandels direkt spürbar; gleichzeitig sind Gemeinden und Städte auch Verursacherinnen des Klimawandels (Schweizerischer Städteverband, 2024). Als Antwort auf diese Herausforderungen definieren Städte Klimaziele, die mit Hilfe unterschiedlicher Massnahmen erreicht werden sollen. Diese Massnahmen fokussieren vor allem auf die Bereiche Energie und Mobilität. Im Bereich der Mobilität spielt das Individualverhalten der Bevölkerung eine zentrale Rolle für die Zielerreichung.
Auch die Stadt Winterthur hat sich bis 2040 das Ziel gesetzt, die Treibhausgase auf netto null Tonnen CO₂ zu reduzieren (Abstimmung vom 28. November 2021). In der 31DAYS-Challenge Winterthur liessen 1005 Personen mit Wohnsitz in der Stadt Winterthur einen Monat lang ihr Auto stehen und probierten stattdessen nachhaltige Mobilitätslösungen aus. Die Teilnehmenden erhielten für den Monat ein Generalabonnement für den öffentlichen Verkehr in der ganzen Schweiz, ein E-Bike sowie ein Benutzerkonto für Car-Sharing und E-Scooter.
Als Anreiz für den Autoverkauf stellte die Stadt Winterthur allen Teilnehmenden, die ihr Auto höchstens drei Monate nach Ende der Challenge verkauften, eine Umstiegsprämie von höchstens 3000 Franken pro Haushalt zur Verfügung. Der Erhalt der Prämie ist an die erfolgreiche Teilnahme am Experiment sowie eine Erklärung, auf den Kauf eines neuen Autos zu verzichten, gebunden. Die Prämie wird nicht als Reinbetrag ausbezahlt, sondern muss von den Teilnehmenden in eine alternative Mobilitätslösung investiert werden.
Das Projekt wurde von 42hacks gemeinsam mit der Stadt Winterthur sowie verschiedenen Partnerorganisationen durchgeführt. Die ZHAW und die SUPSI haben das Projekt wissenschaftlich begleitet und die Auswirkungen der 31DAYS-Challenge auf das Mobilitätsverhalten der Teilnehmenden untersucht.
Die Begleitforschung des Projektes erfolgt in einem Mixed-Methods-Design. Das "Institut für Nachhaltige Entwicklung" an der School of Engineering der ZHAW hat gemeinsam mit dem "Istituto sostenibilità applicata all’ambiente costruito" am Dipartimento ambiente costruzioni e design der SUPSI die quantitative Begleitforschung der Challenge durchgeführt. Sie fusst auf drei quantitativen Befragungen zum Start und Ende des Experiments sowie ein Jahr danach.
Die qualitative Begleitforschung wurde vom Institut für Angewandte Medienwissenschaft IAM am Departement Angewandte Linguistik der ZHAW durchgeführt. Im Rahmen der qualitativen Begleitforschung wurden Fokusgruppengespräche jeweils zu Beginn sowie am Ende des Experiments durchgeführt. Insgesamt haben 43 Personen an den Fokusgruppengesprächen teilgenommen.
Eckdaten
Projektleitung
Projektteam
Projektpartner
Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana SUPSI
Projektstatus
laufend, gestartet 02/2024
Institut/Zentrum
Institut für Angewandte Medienwissenschaft (IAM); Ressort Forschung und Entwicklung
Drittmittelgeber
ZHAW Sustainable Impact Program
Projektvolumen
30'000 CHF