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Wettbewerbs- und Handelsrecht: Kämpfer gegen Kartelle

Patrick Krauskopf ist einer der profundesten Kenner des Kartellrechts: Der Leiter des Zentrums für Wettbewerbs- und Handelsrecht an der ZHAW verbindet Praxis und Theorie perfekt im beruflichen Alltag.

Impact Nr. 32 vom März 2016

Als typischer Anwalt geht er nicht durch. Sein Lächeln ist zu freundlich. Die bei Juristen häufig anzutreffende kühle Reserviertheit fehlt. Patrick Krauskopf erzählt gerne, holt in präzis formulierten Sätzen aus und erläutert bereitwillig. Bekanntheit erlangte Krauskopf als dynamischer und kommunikativer Vizedirektor der Wettbewerbskommission (Weko), der er fast zehn Jahre lang angehörte. Die letzte erfolgreiche Revision des Kartellgesetzes von 2003, als Geldbussen gegen Kartellsünder möglich wurden, ist untrennbar mit seinem Namen verbunden.

Medien und Politiker schätzen seine klaren Worte

Von jeher schätzen Politiker und Medien seine klaren Worte und die Fähigkeit, komplizierte Zusammenhänge einfach und verständlich darzustellen. Mit Verve und Ehrgeiz tut er das auch heute als Anwalt und Dozent der ZHAW. Seine Laufbahn ist beeindruckend; auch wenn es mal nicht klappt, geht der 47-Jährige unbeirrt seinen Weg: 2008 scheiterte seine Bewerbung als Direktor der Weko. Konsequent, wie er ist, verliess er die Weko und wurde Partner in einer Zürcher Anwaltskanzlei. «Wenn man in einer solchen Ausmarchung den Kürzeren zieht, ist es nur redlich weiterzuziehen», sagt Krauskopf.

Sein Familienname und sein perfektes Hochdeutsch lassen vermuten, der ZHAW-Professor sei aus Deutschland zugezogen. Tatsächlich ist Krauskopf Romand, seine Mutter stammt aus Genf, sein Vater aus Hamburg. Aufgewachsen in der Westschweiz, sprach man zu Hause Französisch. In von deutschsprachigen Nonnen geprägten Primarschulen und Gymnasien in Fribourg wurde ihm korrektes Deutsch eingetrichtert.

In Fribourg und im kalifornischen Berkeley absolvierte er sein Jus-Studium, wo er mit Summa cum laude promovierte. Später absolvierte er in Harvard den begehrten Legal Master (LL.M.) und in New York die amerikanische Anwaltsprüfung. Dies erlaubt ihm, auch in New York als Anwalt tätig zu sein. Krauskopf war Gerichtsschreiber an einem Bezirksgericht und später am Bundesgericht. Über den damaligen Präsidenten der Weko, Pierre Tercier, kam er 1999 nach Bern zur Weko und baute in der Folge den Rechtsdienst der Wettbewerbskommission auf. Bereits zwei Jahre später wurde er zum Vizedirektor ernannt. Sein Pflichtenheft wurde 2002 entscheidend erweitert, als er zum Chief International Affairs ernannt wurde und die Schweiz in internationalen Gremien wie der OECD oder der WTO zu vertreten hatte.

«Das Schweizer Kartellgesetz hat etwa 80 Prozent des Niveaus der Kartellgesetze in den USA oder in der EU erreicht.»

Prof. Dr. Patrick Krauskopf, Leiter des Zentrums für Wettbewerbs- und Handelsrecht an der ZHAW

Ein Teilzeitmandat an der SML

An der School of Management and Law unterrichtet Krauskopf seit 2003. Vor fünf Jahren gründete er das Zentrum für Wettbewerbs- und Handelsrecht, das heute über zehn Mitarbeitende beschäftigt. Neben seiner Lehrtätigkeit – ein Teilzeitmandat – ist Krauskopf als selbstständiger Anwalt tätig und betreibt die grösste allein auf Kartellrecht spezialisierte Anwaltskanzlei der Schweiz. Dank seiner langjährigen Erfahrung gilt er – nebst seinem Wissen als Vertragsrechtler – längst als Superspezialist für Kartellfragen. Entsprechend muss er sich über mangelnde Aufträge aus allen Wirtschaftsbereichen nicht beklagen. Diese Kombination von Wissenschaft und Wirtschaft hat denn auch die School of Management and Law bewogen, ihn zu engagieren. Im Führungsteam hat Krauskopf massgeblich zum guten Ruf der ZHAW bei der Ausbildung von Compliance-Spezialisten beigetragen – eine äusserst gefragte Berufsdisziplin. Die Nachfrage nach Inhouse-Wirtschaftsjuristen, die nicht zwingend als Anwalt tätig sein müssen und die auch über betriebs- und volkswirtschaftliches Know-how verfügen, hat massiv zugenommen. Dieses Segment deckt die SML ab.
Ob praxisnahe Crash-Kurse oder CAS-Kurse, die Nachfrage nach Compliance-Wissen ist so gross, dass  zahlreiche Kurse innerhalb kurzer Zeit ausgebucht sind. Den CAS International Competition Law and Compliance bietet die SML in Zusammenarbeit mit der Unctad (Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung) und dem New Yorker Anwaltsverband jetzt zum vierten Mal an. Viele dieser Kurse dauern bis zu 15 Tage und sind regelmässig ausgebucht.

Grosse Nachfrage nach Weiterbildungsprogrammen

Der Erfolg dieser Bildungs- und Weiterbildungsangebote liegt in der Kombination von Theorie und Praxis, sagt Krauskopf. Die Liste seiner eigenen Publikationen ist lang. Konkrete Fälle aus der Praxis regen ihn dazu an, sie für die Wissenschaft festzuhalten. Umgekehrt entwickelt das Zentrum für Wettbewerbs- und Handelsrecht theoretische Modelle und verifiziert diese in der täglichen Praxis. «Diese Gegenseitigkeit ist für alle sehr bereichernd und führt zu einem extrem praxisnahen Unterricht», sagt Krauskopf.

Tatsächlich müssen die Studierenden beispielsweise konkrete Vertriebsverträge für Hersteller auf deren kartellgesetzliche Vorschriften hin überprüfen. Oder  sie gehen der Frage nach, ob ein Vertrag den Intentionen des Gesetzgebers überhaupt entspricht. «Für die Studenten ist es faszinierend zu sehen, wie sich ein Fall über mehrere Monate hin zwischen Theorie und Praxis entwickelt», sagt Krauskopf. Kartellrechtliche Auseinandersetzungen, die für Schlagzeilen sorgen, werden im Unterricht analysiert und Szenarien über die mögliche Entwicklung des Falls skizziert.

Schweizer Kartellrecht: Luft nach oben

Trefflich lässt sich mit Krauskopf über Kartellrecht und die Besonderheiten hierzulande in Kartellfragen diskutieren, etwa darüber, dass die Schweiz nach wie vor ein verbesserungswürdiges Kartellgesetz hat. Im Vergleich zur EU oder den USA sei das  Schweizer Kartellrecht weniger scharf: «Wir haben etwa 80 Prozent des Niveaus der USA oder der EU erreicht», analysiert der Jurist. Eine verbesserte Kartellüberwachung hätte die geplante Revision des Kartellgesetzes von 2014 bringen sollen. Doch das Parlament hat die Revisionsvorlage nach langen Beratungen und einem grossen Hin und Her im September 2014 verworfen. Die Enttäuschung darüber klingt noch heute aus Krauskopfs Worten.

«Für eine gute Stimme würde ich meine gesamte Juristerei opfern.»

Prof. Dr. Patrick Krauskopf, Leiter des Zentrums für Wettbewerbs- und Handelsrecht an der ZHAW

Griffigere und präzisere Paragrafen wurden versäumt

Vorschläge für griffigere und präzisere Paragrafen, welche für mehr Rechtssicherheit gesorgt hätten, hätten auf dem Tisch gelegen. «Es wurde verpasst, Bundesrat und Parlament die Notwendigkeit der Gesetzesrevision verständlich zu machen», stellt Krauskopf fest. «Jetzt werden einige Jahre ins Land gehen, bis ein neuer Anlauf unternommen werden kann.

Die Folge dieser verpassten Chance? Mit dem geltenden Recht können die Konzentrationsbewegungen etwa im Detailhandelsmarkt kaum gestoppt werden. Heute kann diese Marktmacht nicht mehr kontrolliert werden: «Wer die Anforderungen der Grossen nicht erfüllt, wird ausgelistet.» Dies trifft selbst die internationalen Markenartikelhersteller. Der Kämpfer für mehr Wettbewerb stellt fest: «Wenn es ums Aushandeln von Konditionen geht, sind Migros und Coop jedenfalls nicht die schwächeren Verhandlungspartner.»

Ein grosser Opernfan

Eine 80-Stunden-Woche ist bei Patrick Krauskopf keine Seltenheit. In der wenigen Freizeit, die er sich gönnt, studiert er intensiv die Programme der grossen Opernhäuser dieser Welt. Als normaler Opernfan geht Patrick Krauskopf jedoch nicht mehr durch. Vielmehr muss man ihn beinahe schon als opernsüchtigen Aficionado bezeichnen. Für eine spezielle Aufführung reist er schon mal für ein Wochenende an die Metropolitan Opera in New York. Eben war er in Paris, um Anna Netrebko zu hören, die in Giuseppe Verdis Oper «Il Trovatore» die Leonora sang.

Verdi ist sein Lieblingskomponist, Jonas Kaufmann aktuell sein Favorit unter den Tenören. Spricht da eine grosse Sehnsucht aus seinem tiefsten Innern? «Für eine gute Stimme würde ich meine gesamte Juristerei opfern», sagt Patrick Krauskopf.  Doch Wunder dauern bekanntlich etwas länger – zum Glück. So bleibt er der Welt des Kartellrechts bis dahin erhalten.

Autor: Markus Gisler