Bessere Arbeitsbedingungen halten Pflegende im Beruf
Neun von zehn Pflegefachpersonen könnten sich bei verbesserten Arbeitsbedingungen vorstellen, längerfristig im Beruf zu bleiben. Dies zeigt eine Langzeitstudie der ZHAW, in der die ersten sechs Jahre der Berufskarrieren von Pflegenden untersucht wurden.
Was Pflegefachpersonen vom Berufsleben erwarten, deckt sich nicht mit ihrer Wahrnehmung der beruflichen Realität. Mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege liesse sich die Zahl der frühzeitigen Berufsaustritte verringern und dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Zu diesem Schluss kommt eine Langzeitstudie der ZHAW, in der die frühen Berufskarrieren von Pflegenden untersucht wurden. Dafür wurden diplomierte Pflegefachpersonen FH und HF, die 2011/12 ihren Abschluss an einer Fachhochschule oder einer Höheren Fachschule gemacht haben, bis 2019 drei Mal befragt. An der letzten Befragung 2018/19 nahmen über 600 Pflegefachpersonen teil.
Arbeitsbedingungen sind zu belastend
«Sechs Jahre nach dem Berufseinstieg können sich neun von zehn diplomierten Pflegenden vorstellen, auch die nächsten zehn Jahre in der Pflege zu arbeiten. Dafür setzt die Mehrheit von ihnen jedoch bessere Arbeitsbedingungen voraus», so René Schaffert, Studienleiter vom ZHAW-Institut für Gesundheitswissenschaften. Der Anteil der Studienteilnehmenden, die nicht mehr im Pflegebereich tätig sind, war nach sechs Jahren zwar überschaubar: Fünf Prozent haben zu diesem Zeitpunkt in einen anderen Beruf gewechselt; weitere fünf Prozent waren nicht erwerbstätig, hauptsächlich aus familiären Gründen. Dennoch zeigten sich bereits hier wichtige Gründe dafür, weshalb die Berufsausstiegsrate gerade bei Pflegenden unter 35 Jahren laut Schweizerischem Gesundheitsobservatorium mit rund einem Drittel so hoch sei, meint Schaffert: «Die aktuellen Bedingungen sind zu belastend und stehen im Widerspruch zu zentralen Bedürfnissen der Pflegefachpersonen.»
Dazu gehören etwa die Vereinbarkeit von Berufs- und Privat- beziehungsweise Familienleben. Die Studienteilnehmenden beurteilten diese mit Blick auf ihre berufliche Zukunft in der Pflege als die zwei wichtigsten von insgesamt zwölf abgefragten Aspekten. Massen sie dem Thema Vereinbarkeit bei der ersten Befragung schon hohes Gewicht zu, gewann dieses im Verlauf der Studie noch an Bedeutung. Bei der Beurteilung des Berufsalltags landeten die beiden genannten Aspekte jedoch auf dem zweit- beziehungsweise dem drittletzten Platz. «Diese wahrgenommene Diskrepanz korreliert mit der beruflichen Zufriedenheit und der Häufigkeit von Gedanken an einen Berufsausstieg», so Schaffert.
Arbeit schlägt auf die Gesundheit
Diskrepanzen zwischen Erwartung und Realität offenbart die Studie auch in anderen Berufsaspekten, etwa der Möglichkeit, das eigene Potenzial im Job ausschöpfen zu können, oder beim Lohn. Bei den Erwartungen befindet sich dieser im Mittelfeld. Bei der wahrgenommenen beruflichen Realität landet er jedoch auf dem letzten Platz. «Für Pflegende steht ein guter Lohn zwar nicht im Mittelpunkt. Aber sie empfinden ihren eigenen als zu tief für das, was sie leisten», so Schaffert. Diese Empfindung verdeutlichen auch die Antworten auf eine Frage nach den Bedingungen für den längerfristigen Verbleib im Beruf. Fast 90 Prozent nannten hier einen besseren Lohn. Darüber hinaus erwarten 57 Prozent mehr Unterstützung durch das Management. «Dies deutet auf ein ausgeprägtes Bedürfnis nach stärkerer Wertschätzung durch die Betriebe und die Gesellschaft hin», sagt der Studienleiter. Eine deutliche Mehrheit (72 Prozent) setzt für einen längerfristigen Berufsverbleib zudem eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie voraus, weitere 62 Prozent weniger Zeitdruck bei der Arbeit. Eine nicht unbegründete Forderung: In der letzten Befragung (2018/19) gaben 55 Prozent der Pflegenden an, sich wegen der beruflichen Belastungen während der Arbeit oft müde und angespannt zu fühlen, 54 Prozent sind dadurch auch bei Aktivitäten im Privatleben spürbar eingeschränkt.
Mehr Möglichkeiten für Teilzeitarbeit
Die Studienteilnehmenden hatten auch die Möglichkeit, konkrete Massnahmen für bessere Arbeitsbedingungen vorzuschlagen. Mit Blick auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben wurden dabei am häufigsten genannt: Mehr niedrigprozentige Teilzeitarbeitsmodelle, mehr Regelmässigkeit und Berücksichtigung individueller Wünsche bei der Einsatzplanung sowie passendere Angebote für die Kinderbetreuung. In Bezug auf die stärkere Unterstützung durch das Management schlagen die Teilnehmenden eine höhere Sichtbarkeit der Leitungspersonen auf den Abteilungen vor sowie eine offene und transparente Kommunikation. «Mit der Umsetzung dieser und weiterer gezielter Massnahmen, etwa eine Verringerung der Arbeitsbelastung oder höhere Löhne, liesse sich der Berufsverbleib in der Pflege verlängern», so René Schaffert.
Über die Projektwebsite können das Management Summary sowie der Schlussbericht der Studie abgerufen werden.
Netzwerk gegen den Fachkräftemangel
Die Studie «Berufskarrieren Pflege: Längsschnittstudie nach dem Berufseinstieg» ist Teil des sechsteiligen Standortprojekts «Fachkräfte erforschen: Berufskarrieren und Berufsverweildauer Gesundheitsberufe» des ZHAW-Departements Gesundheit. Das Standortprojekt wird im Rahmen des Competence Network Health Workforce (CNHW) durchgeführt, ein Kompetenznetzwerk von fünf Schweizer Hochschulen, die Gesundheitsberufe ausbilden. Das Netzwerk soll dazu beitragen, den Fachkräftemangel im Schweizer Gesundheitswesen zu entschärfen.
Links und Downloads
- Medienmitteilung «Bessere Arbeitsbedingungen halten Pflegende im Beruf»(PDF 134,3 KB)
- Communiqué de presse «Retenir les infirmiers-ères dans la profession par de meilleures conditions de travail»(PDF 140,6 KB)
- Comunicato stampa «Migliori condizioni di lavoro evitano che gli infermieri cambino lavoro»(PDF 138,7 KB)
- Projektwebsite mit Management Summary sowie dem Schlussbericht der Studie
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Kontakt
- René Schaffert, Institut für Gesundheitswissenschaften, ZHAW-Departement Gesundheit, Tel. 058 934 63 54, E-Mail rene.schaffert@zhaw.ch
- José Santos, Leiter Kommunikation, ZHAW-Departement Gesundheit,
Tel. 058 934 63 84, E-Mail jose.santos@zhaw.ch