Datengrundlage für nachhaltige Entscheidungsfindungen
Das Projekt DISCAP hat das Ziel, eine datenbasierte, digitale Infrastruktur zu entwerfen, die faktenbasierte Entscheidungen für nachhaltigen Konsum und Produktion ermöglichen soll. Dafür müssen Daten aus den Bereichen Umwelt und Lieferketten mit grüner Wirtschaftspolitik zusammengebracht werden. Ein nicht zu unterschätzender Aufwand, da jedes Land seine Daten anders aufbereitet und gewichtet.
Der Klimawandel und seine Folgen zwingt viele Staaten und Unternehmen rund um den Globus ihre Produktionsprozesse und Wirtschaftsagenden auf Nachhaltigkeitskriterien zu überprüfen und in vielen Fällen entsprechend neu auszurichten. Doch damit die Anstrengungen messbare Ergebnisse zeigen, braucht es faktenbasierte Entscheidungsfindungen. Die entsprechenden Grundlagen dafür zu schaffen, ist das Ziel des ZHAW-Forschungsprojekts DISCAP (Digital Infrastructure for Sustainable Consumption and Production), das das UN Environmental Programme in Auftrag gegeben hat und finanziert. Neben der ZHAW School of Engineering sind auch die ETH Zürich sowie die Universität St. Gallen beteiligt.
Viele Daten für eine Entscheidung
Möchte beispielsweise ein Staat einen bestimmten Wert an CO2 durch die Reduzierung des Rindfleischkonsums einsparen, muss er wissen, wie viel CO2 durch die Rindfleischproduktion überhaupt verursacht wird. Dazu benötigt er eine Vielzahl an Informationen: wieviel Weidefläche brauchen die Rinder, was essen sie, woher stammt ihre Nahrung, wie wird diese hergestellt und transportiert und wieviel Wälder werden dafür wiederum gerodet? Daten zu Lieferketten und Umwelt-Monitorings müssen gesammelt und ausgewertet werden, damit am Ende klar ist, dass zum Beispiel die Reduzierung des Rindfleischkonsums um 20 Prozent eine CO2-Reduktion von X Prozent bewirkt. «Letzten Endes geht es darum, die Wirtschaftspolitik von Staaten zu verbessern, das heisst, sie nachhaltiger zu gestalten», erklärt Kurt Stockinger, ZHAW-Professor für Informatik, der das Projekt von Seiten der School of Engineering leitet. «Unser Part bei DISCAP ist es, eine Methode zu entwickeln, das mithilfe von Machine-Learning Informationen aus Textdokumenten im Web automatisch aggregiert, zusammenführt und auswertet. Dadurch soll am Ende eine Datenbasis entstehen, die die Grundlage für die Entscheidungsfindung darstellt», so der ZHAW-Forscher. Zudem sollen die Daten in natürlicher Sprache abgefragt werden können, wozu bereits das EU-Projekt INODE die nötigen Werkzeuge geschaffen hat.
Jedes Land sammelt anders Daten
Doch damit am Ende die digitale Infrastruktur faktenbasierte Entscheidungshilfen anbieten kann, braucht es eine solide Datenbasis. Die Beschaffung der Daten ist jedoch eine komplexe Herausforderung. «Die Verfügbarkeit von Daten zu bestimmten Bereichen unterscheidet sich von Staat zu Staat und von Unternehmen zu Unternehmen teils sehr stark voneinander. In Brasilien etwa ist das Monitoring der Regenwälder sehr stark ausgeprägt, in anderen Ländern dagegen kaum», nennt Kurt Stockinger ein Beispiel. Wie kommt man daher an die fehlenden Daten? «Viele Unternehmen haben kein Interesse daran, ihre Lieferketten transparent zu machen, also braucht es dafür ökonomische Anreize, damit sie diese Daten zur Verfügung stellen. In anderen Bereichen gibt es dagegen wieder eine regelrechte Datenflut, die aber durch ihre uneinheitliche Aufbereitung schwierig zu nutzen ist. «Corona ist dafür ein gutes Beispiel. Hauptsächlich sind für die Pandemie drei Zahlen relevant, die Anzahl der Infizierten, die Sterberate und die Hospitalisierungsrate. Doch jedes Land bereitet diese Zahlen anders auf», so der ZHAW-Forscher weiter. Und das ist nicht die einzige Herausforderung, die zu stemmen ist.
Unterschiedliche Vorstellungen von Umweltpolitik
Das Ziel von DISCAP ist es zwar, eine Datenbasis zu schaffen, um nachhaltigere Entscheidungen für Produktion und Konsum zu ermöglichen, doch haben viele Staaten teilweise unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Massnahmen nachhaltig sind und dem Umweltschutz nutzen. «Angesichts des Krieges in der Ukraine lässt sich das gut beobachten. Davor galt die Erdgasförderungsmethode Fracking als umweltschädliche Technologie, inzwischen wird diese Methode wieder in Betracht gezogen», sagt Kurt Stockinger. Um also eine solche digitale Infrastruktur für die UN zu schaffen, braucht es nicht nur genügend gleichwertige Daten, zusätzlich müssen die verschiedenen Vorstellungen von Umweltpolitik der Staaten zusammengebracht werden – was ungleich die grössere Herausforderung darstellt. «Unsere Aufgabe ist es daher, eine Datenbasis zu schaffen, die ganz konkret die Auswirkungen der unterschiedlichen Umwelt-Policies zeigt», bringt es Kurt Stockinger auf den Punkt.
Kontakt
Prof. Dr. Kurt Stockinger, Professor für Informatik an der ZHAW School of Engineering, kurt.stockinger@zhaw.ch
Projektseite DISCAP