Der Finanzminister-Coach
Ob Indonesien, Ecuador oder Kirgisien: Viele Länder nutzen die Expertise von Andreas Bergmann und seinem Team, wenn sie das öffentliche Finanzmanagement auf Vordermann bringen wollen.
ZHAW-Impact Nr. 36 vom März 2017
Vorurteile bleiben zu Hause, wenn Andreas Bergmann im Auftrag des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank, von regionalen Entwicklungsbanken oder des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) die Koffer packt. So zum Beispiel das Klischee, dass in Lateinamerika alles ein bisschen länger dauert. «Ecuador zum Beispiel ist in manchen Bereichen schon weiter als die Schweiz», sagt der Professor für Public Finance an der ZHAW School of Management and Law. Das zeigt sich daran, dass zum Beispiel die Steuererklärung standardmässig online eingereicht wird. Jeder Steuerpflichtige hat überdies beim Staat ein eigenes Kontokorrentkonto für Belastungen und Rückerstattungen, wie Bergmann feststellte, als er letztes Jahr im Andenstaat tätig war. Dort begleitete, evaluierte und unterstützte der 48-Jährige, gemeinsam mit Christoph Schuler von der Fachstelle Public Financial Management, im Auftrag der Inter-American Development Bank ein Reformprojekt in integriertem Finanzmanagement.
Transparenz und Vergleichbarkeit
Dass beide fliessend Spanisch sprechen und auch längere Studien in dieser Sprache verfassen, ist eine wichtige Voraussetzung für solche Aufträge. «Mit Englisch kommt man in den Ministerien Lateinamerikas nicht weit», sagt der grossgewachsene Rechnungslegungsexperte. Mit seinen knapp zwei Metern überragte er beim Arbeitstreffen nicht nur die Vize-Finanzministerin Madeleine Abarca um mehr als einen Kopf, sondern in den folgenden Arbeitswochen auch sämtliche seiner ecuadorianischen Gesprächspartner. Als «unvoreingenommen und wohlwollend-kritisch» bezeichnet er seine Haltung. Evaluationen wie jene wollen sicherstellen, dass aufstrebende Länder wie Ecuador ihre eigenen Ressourcen und internationale Kredite sinnvoll einsetzen. «Die Entwicklungsbanken und der IWF sind zu Recht davon überzeugt, dass ein Land vorankommt, wenn sein Finanzmanagement gut ist.» Wie lässt sich dieses «gut» messen? Ein wichtiger Punkt ist die Vergleichbarkeit der Zahlen. Dafür sorgen die internationalen Rechnungslegungsstandards IPSAS (International Public Sector Accounting Standards). IPSAS hat im öffentlichen Sektor eine ähnliche Bedeutung wie der Standard IFRS in der Unternehmenswelt. Damit wird etwa sichergestellt, dass ein Budgetdefizit oder ein Verschuldungsgrad in Chile nach denselben Regeln ausgewiesen wird wie in Frankreich. Oder dass das Budget in Polen am Ende mit der Rechnung tatsächlich vergleichbar ist. «Das mag selbstverständlich klingen», sagt Bergmann, «ist es in etlichen Ländern aber nicht.» Aufstrebende Länder sind aber hoch motiviert, zu den besten internationalen Standards aufzuschliessen. Sie sind mit einem – oft ungerechtfertigt – negativen Image aus der Vergangenheit belastet und zahlen so für Kredite 5 bis 8 Prozent Zins – während erstklassige Schuldnerländer heutzutage Zinssätze um den Nullpunkt erhalten. Wenn sie verlässlich aufzeigen können, wie gut es um ihren Staatshaushalt steht, erhalten solche Schwellenländer bessere Zinskonditionen. Das erspart dem Staatshaushalt rasch Hunderte von Millionen Dollar.
In der Weltklasseliga
Die IPSAS-Standards kennt Andreas Bergmann aus dem Effeff. Von 2006 bis 2015 war er Mitglied des IPSAS-Boards, die letzten sechs Jahre als dessen Präsident. Bergmann und sein Team haben sich international einen guten Ruf erarbeitet. Das zeigt sich am breiten Auftragsportfolio. Einerseits sind sie in zentralasiatischen Ländern wie Kirgisien oder Tadschikistan tätig, wo manche Gemeinden die Buchhaltung noch von Hand führen. Zugleich behaupten sie sich in der Weltklasseliga gegen rund ein Dutzend andere Hochschulen und betreuen aufstrebende Volkswirtschaften wie das G20-Mitglied Indonesien oder den OECD-Beitrittskandidaten Kolumbien.
Autor: Thomas Müller