Forschung für eine wirksamere Tabakprävention
Geht es nach der Politik, soll Tabakwerbung in Printmedien und Online weiterhin möglich sein. Damit Präventionsakteure dem Marketing der Tabakkonzerne künftig mit wirksameren Kampagnen entgegenwirken können, entwickeln Forschende der ZHAW Grundlagen und Werkzeuge, um verschiedene Zielgruppen besser ansprechen zu können.
Werbung für Tabakprodukte in Printmedien und im Internet soll in der Schweiz erlaubt bleiben. In der Sommersession 2021 ist der Ständerat dem Nationalrat gefolgt und hat die vorgesehenen Verschärfungen im neuen Tabakproduktegesetz, über welches das Parlament seit rund fünf Jahren berät, aufgeweicht. Verbieten wollen National- und Ständerat die Tabakwerbung damit lediglich in Zeitschriften und auf Internetseiten, die sich explizit an Kinder und Jugendliche wenden, sowie im öffentlichen Raum, also beispielsweise auf Plakaten oder in Kinos. Für die Befürworter eines strikteren Werbeverbots für Zigaretten und weitere Tabakprodukte ist damit klar: die Politik stellt die Interessen der Tabak- und Werbeindustrie über die Gesundheit der Bevölkerung und den Jugendschutz. Das Komitee der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» bezeichnet das vorliegende Gesetz in einer Medienmitteilung als Alibiübung, «in der weiterhin gezielt Kinder und Jugendliche beworben werden dürfen». Ursprünglich strebte das Komitee im Rahmen des Tabakproduktegesetzes eine Kompromisslösung an – mit der Aufweichung des Gesetzes hält es nun aber an seiner Initiative fest, über die voraussichtlich 2022 abgestimmt wird.
Klare Zielgruppenprofile erarbeiten
Sollte sich das Stimmvolk an der Urne für das Tabakproduktegesetz und gegen die Volksinitiative entscheiden, bliebe die Tabakwerbung über verschiedenste Kanäle erlaubt – und damit auch die Möglichkeit der Tabakkonzerne erhalten, ihre Werbebotschaften passgenau auf verschiedene Zielgruppen zuzuschneiden. Demgegenüber besteht auf Seiten der Tabakprävention noch ein grosses Potential auf dem Gebiet der Marktsegmentierung, sind Forschende der Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften und der Fachstelle Behavioral Marketing an der ZHAW überzeugt. Mit dem vom Tabakpräventionsfonds des Bundes in Auftrag gegebenen Projekt «Zielgruppenprofile in der Tabakprävention» möchten sie dieses Ungleichgewicht ändern. Im Rahmen des Projekts möchten die Forschenden der ZHAW-Departemente Gesundheit sowie School of Management and Law bis 2022 Grundlagen und anwendungsorientierte Werkzeuge für eine wirksame Prävention schaffen. Akteure im Bereich der Tabakprävention sollen detaillierte Informationen zu den Lebenswelten, Werten und Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen erhalten, um sie gezielt zur Tabakprävention oder dem Rauchstopp ansprechen zu können. Darüber hinaus erarbeitet das Projektteam anhand von klar segmentierten Zielgruppenprofilen Empfehlungen zur Ausrichtung von Angeboten und der Kommunikation.
Heutige Prävention geht an Bedürfnissen vorbei
Die Forschenden sind der Ansicht, dass die bisherige Prävention oft nicht auf die Werte, Bedürfnisse und Realitäten einzelner Zielgruppen eingeht, sondern übergeordnete Argumente wie etwa die Förderung der öffentlichen Gesundheit ins Zentrum stellt. Dies sei problematisch, weil damit Präventionsmassnahmen «wahrscheinlich häufig an den individuellen Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden vorbeigehen und damit wenig effektiv und effizient sind und abgelehnt werden», schreiben sie auf der Projektwebsite.