Hebammennetzwerk entlastet Spitäler
Der Verein Familystart Zürich vermittelt pro Jahr über 3’000 Frauen an frei praktizierende Hebammen für die Zeit zuhause nach der Geburt. Laut einer ZHAW-Studie werden dadurch Spitäler bei der aufwändigen Suche stark entlastet und es profitieren vor allem Familien in schwierigen Lebenssituationen.
Heute werden Frauen bereits wenige Tage nach der Geburt mit ihren Neugeborenen aus dem Spital entlassen, da mit dem Fallpauschalen-System die Spitalaufenthaltsdauer auf etwa vier Tage gesunken ist. Frei praktizierende Hebammen betreuen deshalb Mütter und ihre Kinder in der Zeit nach dem Spitalaufenthalt auch zuhause. Damit diese Versorgung gewährleistet ist und niemand durch die Maschen des Gesundheitssystems fällt, haben sich die Zürcher Hebammen 2015 als gemeinnütziger Verein im Netzwerk Familystart Zürich organisiert. Nun haben ZHAW-Forschende die Dienstleistungen des Hebammennetzwerks – in deren Auftrag und finanziert durch den Lotteriefonds des Kantons Zürich – evaluiert. Für die ZHAW-Studie werteten sie quantitative Daten von Familystart, der frei praktizierenden Hebammen in der Schweiz sowie von Vertragsspitälern aus und führten Interviews mit Gesundheitsfachpersonen, Nutzerinnen sowie Hebammen durch.
Garantierte Versorgung von Familien
Familystart Zürich vermittelte 2016 rund 3’100 Frauen an frei praktizierend Hebammen, welche Mütter und Neugeborene die erste Zeit zuhause betreuen. Rund 40 Prozent der Frauen meldeten sich während der Schwangerschaft an, der Grossteil wartete bis nach der Geburt. Für Frauen, die in einem der Partnerspitäler von Familystart gebären, ist die Vermittlung einer Betreuung garantiert. Aber auch Frauen aus anderen Spitälern werden in den allermeisten Fällen an eine Hebamme vermittelt. «Besonders entlastet das Hebammennetzwerk Frauen, die mit den Angeboten des Schweizer Gesundheitssystems nicht vertraut, fremdsprachig, sozial benachteiligt oder psychisch belastet sind», erläutert ZHAW-Forscherin Susanne Grylka. Für sie ist die Suche nach einer Hebamme schwierig oder sie sind nicht mit den Möglichkeiten einer Hebammenbetreuung ausserhalb des Spitals vertraut. «Familystart Zürich ist zu einer festen Grösse in der Gesundheitsversorgung im Kanton Zürich geworden und vermittelt rund 20 Prozent aller Wochenbettbetreuungen», erklärt Carolina Iglesias, Präsidentin von Familystart Zürich.
Entlastung für Pflegepersonal
Durch die Vermittlungsarbeit von Familystart hat sich der Organisationsaufwand für das Pflegepersonal in Spitälern um bis zu 85 Prozent reduziert. Gemäss dem an der ZHAW-Studie beteiligten Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie zeichnet sich der ökonomische Mehrwert für die Spitäler vor allem durch Zeitersparnis, Zufriedenheit oder weniger Stress beim Pflegepersonal aus. Denn bisher war die Hebammensuche sehr zeitintensiv und mit vielen Absagen verbunden. Zudem hat sich die vom Verein versprochene Vermittlungsgarantie für Frauen aus den Vertragsspitälern bestätigt. Auch die dem Netzwerk angeschlossenen Hebammen und Pflegefachfrauen profitieren von ihrer Mitgliedschaft im Verein. Sie können dank der Koordination durch Familystart ihre Arbeitszeit effizienter planen, Lücken mit wenig Arbeitsaufwand füllen und Wegzeiten verkürzen, indem sie wohnortsnah Frauen betreuen.
Mehrheitlich psychosozial belastete Familien
Mehr als 90 Prozent der von Familystart im Jahr 2016 vermittelten Frauen bekamen ihr Kind in einem der Vertragsspitäler. Grösstenteils wohnten sie im Kanton Zürich, die Mehrheit in der Stadt Zürich. 68 Prozent waren ausländische Staatsangehörige und kamen vor allem aus Süd- und Osteuropa sowie Afrika und Asien. Im Vergleich zu Zürcher Frauen, die selber eine Hebamme suchen, waren die Familystart-Nutzerinnen häufiger ausländische Staatsangehörige (Familystart: 68 Prozent; Andere: 41 Prozent), hatten keine Berufsausbildung (Familystart: 26 Prozent; Andere: 9 Prozent) und waren nicht berufstätig (Familystart: 38 Prozent: Andere: 25 Prozent). Zusätzlich waren sie öfter belastet durch Kaiserschnitte, Frühgeburten oder Armut. Die betroffenen Frauen schätzen die Unterstützung bei der Hebammensuche und die Hebammenbetreuung und fühlen sich dadurch entlastet. Gemäss den ZHAW-Forschenden zeigt sich hier das Potential von Familystart Zürich. Sie empfehlen deshalb dem Hebammennetzwerk eine verstärkte Vernetzung mit Spitälern und weiteren Institutionen, damit Familien in schwierigen Lebenssituationen noch besser versorgt werden können. Zum Beispiel sind die Vereinsmitglieder auf Dolmetschende angewiesen, die auch kulturell vermitteln können.
Downloads
- Medienmitteilung(PDF 145,1 KB)
- Studie Familystart
- Bild Hebamme mit Neugeborenem (hoch)
- Bild Hebamme mit Neugeborenem (quer)
- Bild Neugeborenes
- Bild Untersuchung am Neugeborenen (hoch)
- Bild Untersuchung am Neugeborenen (quer)
- Bild stillende Mutter (hoch)
- Bild stillende Mutter (quer)
- Bild Familystart-App (hoch)
- Bild Familystart-App (quer)
- Bild Hebamme wiegt Säugling
Kontakt
Susanne Grylka, Forschungsstelle Hebammenwissenschaft, ZHAW-Departement Gesundheit, Telefon 058 934 43 77, E-Mail susanne.grylka@zhaw.ch
Carolina Iglesias, Präsidentin Verein Familystart Zürich, Telefon 076 343 13 55, E-Mail carolina.iglesias@me.com
José Santos, Leiter Kommunikation ZHAW-Departement Gesundheit, Telefon 058 934 63 84, E-Mail jose.santos@zhaw.ch
Interviewmöglichkeit
Corinne Graf, frei praktizierende Hebamme in der Hebammenpraxis Winterthur und Mitglied in der Arbeitsgruppe von Familystart Zürich, steht für Interviews zu Verfügung oder vermittelt Interviewpartnerinnen. Kontakt läuft über ZHAW-Forscherin Susanne Grylka.