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Schweizer Unternehmen lassen das Potenzial der Verhaltensökonomie ungenutzt

Die Unternehmen in der Schweiz nutzen verhaltensökonomische Erkenntnisse kaum. Dabei könnten sie ihnen helfen, insbesondere im Marketing erfolgreicher zu sein. Grund für die mangelnde Anwendung ist der geringe Wissensstand bei den Firmen. Das zeigt eine aktuelle Studie der ZHAW.

Über 70 Prozent mittlerer und grosser Unternehmen in der Schweiz wenden verhaltensökonomische Erkenntnisse und Methoden bislang gar nicht oder nur ansatzweise an. Die Hauptgründe dafür sind ein Mangel an Wissen und Erfahrung, aber auch eine fehlende Sensibilisierung für das Thema innerhalb der Firmen. Gleichzeitig schätzen rund 80 Prozent der Befragten das Potenzial der Verhaltensökonomie für ihr Unternehmen und dessen Marketing als mittel bis hoch ein. Das zeigt eine Studie der ZHAW School of Management and Law. Sie basiert auf Interviews und einer Umfrage unter Führungskräften und Marketingverantwortlichen von Schweizer Unternehmen.

Grosse Wettbewerbsvorteile

Die Verhaltensökonomie beschäftigt sich mit dem menschlichen Verhalten im wirtschaftlichen Kontext. Insbesondere untersucht sie das tatsächliche Entscheidungsverhalten von Menschen und analysiert, welche Faktoren darauf wirken. «Vor allem im angelsächsischen Raum setzen sowohl Regierungen als auch NGOs und Unternehmen auf die Expertise von Verhaltensökonomen. Sie nutzen sie, um Verhaltensweisen der Bürgerinnen und Bürger, von Mitarbeitenden oder Kundinnen und Kunden besser zu verstehen oder Anreize für ein gewünschtes Verhalten zu setzen», erklärt Kurt Ackermann, Hauptautor der Studie und stellvertretender Leiter der Fachstelle Behavioral Marketing an der ZHAW School of Management and Law. Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Anwendung verhaltensökonomischen Wissens Unternehmen signifikante Wettbewerbsvorteile bringen kann, etwa ein gesteigertes Absatzwachstum. So kann es beispielsweise für einen Anbieter vorteilhaft sein, in einem Online-Shop drei Produktvarianten (z.B. klein, mittel und gross) zu präsentieren, um die Wahl auf die mittlere Variante zu lenken und deren Verkauf zu fördern.

Grundbegriffe wenig bekannt

Wie die Studie zeigt, ist jedoch nur etwas mehr als einem Drittel der befragten Unternehmensvertreter in der Schweiz der Begriff «Verhaltensökonomie» überhaupt vertraut. Weiter kennt nur jeder Sechste den Begriff «Nudging». Er bezeichnet einfache Massnahmen, die ein erwünschtes Verhalten bei Menschen anstossen sollen. «Beispiele für Nudging sind etwa das Anbringen von Klebestreifen, die das Abstandhalten erleichtern, oder andere visuelle Erinnerungshilfen, die seit der Coronakrise allgegenwärtig geworden sind», erklärt Ackermann.

Bedeutung wird wachsen

Künftig dürfte die Nutzung der Verhaltensökonomie in Schweizer Unternehmen zunehmen. «Immerhin arbeiten bereits in rund jeder zehnten Firma, die wir befragt haben, Mitarbeitende, die sich ausschliesslich mit verhaltensökonomischen Themen und Fragestellungen auseinandersetzen», sagt Steffen Müller, Leiter der Fachstelle für Behavioral Marketing. Auch würden es rund 70 Prozent der Unternehmen, die bisher keine entsprechenden Mitarbeitenden beschäftigen, als sinnvoll erachten, über solche Expertise zu verfügen.

Die «Swiss-Behavioral-Economics-Studie» basiert auf telefonischen und persönlichen Interviews mit Managerinnen und Managern und Marketingverantwortlichen sowie einer quantitativen Befragung bei rund 130 Schweizer Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Die Erhebung fand im Sommer und Herbst 2019 statt.

Vollständige Studie: www.zhaw.ch/imm/behavioral-marketing

Kontakt

ZHAW School of Management and Law, Institut für Marketing Management, Dr. Kurt Ackermann, Telefon 058 934 68 98, E-Mail: kurt.ackermann@zhaw.ch