Wasserkraftreserve mittels handelbarer Verpflichtungen
Im Kontext steigender Strompreise wird die Speicherreserve, die der Bund über eine Auktion beschaffen möchte, vermutlich sehr teuer. Im Artikel schlagen wir ein alternatives Instrument zur Beschaffung der Reserve vor.
Von Ingmar Schlecht (ZHAW CEE) und Jonas Savelsberg (ETH Zürich).
Wasserkraftreserve. Der Bundesrat möchte eine Wasserkraftreserve einführen und hat dazu an seiner Sitzung am 7.9.2022 eine Verordnung verabschiedet. Wasserkraftwerksbetreiber sollen dafür bezahlt werden, im Winter und Frühling (1.12-15.5.) eine gewisse Mindestmenge in ihren Speichern zu lassen, um sie für den Krisenfall bereit zu haben. Die Reserve soll über eine Ausschreibung beschafft werden, bei der die Betreiber Gebote abgeben können und basierend auf den Gebotspreisen und der beschafften Menge ergeben sich die Gesamtkosten der Reserve, die von den Verbrauchern über Netzentgelte bezahlt werden.
Reserve wird teurer. Die Kosten für die Beschaffung der Reserve werden deutlich höher sein als sie es vor der Energiekrise gewesen wären. Das hängt mit den durch die Krise gestiegenen Strompreisen zusammen. Der Bundesrat rechnet derzeit mit Kosten zwischen 650 und 750 Millionen CHF, also ca. 80 CHF je Einwohner für den Winter.
Zufallsgewinne für Wasserkraft durch Energiekrise. In der EU ist vor dem Hintergrund gestiegener Strompreise eine Diskussion über eine Umverteilung von krisenbedingten Zufallsgewinnen auf Stromverbraucher entstanden. Nach Vorschlägen aus Griechenland und Spanien wird am 14. September auch die EU-Kommission ihre Vorschläge dafür vorlegen. Auf mittlere Sicht werden aufgrund der gestiegenen Strompreise und zunehmender Preisunterschiede zwischen hoch- und niedrig Preiszeiten auch bei den Betreibern der Schweizer Wasserkraftwerke hohe Gewinne anfallen, denn auch die Strompreise für künftige Jahre, die z.T. noch nicht auf Termin vermarktet wurden, liegen weit über dem historischen Durchschnitt.
Marktmacht. In dem vom Bundesrat vorgesehenen Weg, die Reserve über eine Auktion zu beschaffen, besteht das Problem, dass einzelne Anbieter eine hohe Marktmacht haben, und Preise über ein wettbewerbliches Niveau anheben können. Da der Schweizer Markt ein relativ kleiner mit hoher Marktkonzentration ist, und die Reserve auf einen hohen Anteil der gesamten Kapazität auf dem Markt verteilt werden soll, ist er dem Problem von Marktmacht besonders ausgesetzt (wir haben darauf bereits in der Vergangenheit hingewiesen). Die Wasserkraftreserve droht daher, in einer Zeit mit hohen Strompreisen – und daher (für künftige Jahre) hohen Profiten der Schweizer Wasserkraft – Verbraucher weiter zu belasten. Es kann daher ein Ziel der Politik sein, die Beschaffung der Reserve anders zu organisieren, um Marktmacht zu begrenzen und Kosten für Verbraucher gering zu halten.
Handelbare Verpflichtungen. Eine Möglichkeit dafür wäre die Beschaffung mittels handelbarer Verpflichtungen, auf die wir im Folgenden näher eingehen. Die Idee wäre, aufgrund der aktuellen besonderen Lage auf eine Vergütung zu verzichten, und die Reserve stattdessen über eine Verpflichtung der Speicherbetreiber zu organisieren. Dieser Verpflichtung ist aber handelbar, sodass Speicherbetreiber untereinander die Verpflichtung handeln und an andere Speicherbetreiber weitergeben können, sodass sich eine Allokation einstellt, bei der diejenigen Speicherbetreiber die Reserve erbringen, die dies am günstigsten tun können. Es würde also das effiziente Marktresultat erreicht werden, wäre jedoch für den Verbraucher kurzfristig kostenlos. (In einer normalen Situation würden die Kosten langfristig zwar auf die Verbraucher überwälzt werden, aber in einer Situation mit kurzfristigen Zufallsgewinnen ist dies nicht der Fall.)
Funktionsweise. Die Beschaffung mittels handelbarer Verpflichtungen könnte wie folgt funktionieren.
- Jedes Wasserkraftwerk bekommt anfänglich die Verpflichtung, z.B. 5% ihres Speichervolumens für die Speicherreserve zurückzuhalten
- Diese Verpflichtung ist handelbar (einfach bilateral, also kein aufwändiger zentralisierter Handel). Wer also nicht möchte, kann andere Kraftwerke dafür bezahlen, die Verpflichtung zu übernehmen. Dadurch wird die Allokation effizient.
- Dem Regulator muss final am z.B. 1.12.2022 mitgeteilt werden, wer die Verpflichtung übernimmt.
- Das Resultat ist eine effiziente Allokation (ähnlich einer Ausschreibung), aber unter Vermeidung der Marktmacht-Problematik, die eine Auktion hätte.
Die oben dargestellte Abbildung visualisiert die Funktionsweise.