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Unter diskursfreudigen Studierenden in Berlin

Etwas flexiblere Strukturen, etwas weniger durchgeplant: So habe ich meinen Studienalltag an der Alice Salomon Hochschule in Berlin erlebt.

Zugegeben, das lag zum Teil auch daran, dass im öffentlichen Verkehr regelmässig gestreikt wurde. Von Studierenden und Dozierenden erforderte das eine gewisse Anpassungsfähigkeit. So wurden beispielsweise Lehrveranstaltungen kurzfristig online durchgeführt.

Horizonterweiterung

Das ist einer von vielen Punkten, weshalb ich Auslandserfahrungen in der Ausbildung sehr empfehlen kann: Man erweitert seinen Horizont in vielerlei Hinsicht. Ich habe sowohl während meines Bachelor- wie auch während meines Masterstudiums an der ZHAW je ein Semester in Berlin verbracht und einmal ein Zwischenjahr als Au-pair in den USA eingelegt. Für Berlin habe ich mich entschieden, weil ich von ehemaligen Studierenden viel Gutes gehört habe. Auch ist die Alice Salomon Hochschule (ASH) eine sehr geschichtsträchtige Hochschule. Bereits im Bachelorstudium beschäftigten wir uns intensiv mit Alice Salomon, der Sozialreformerin und Frauenrechtlerin. Diese Kultur wird an der Hochschule wirklich gelebt. Das hat mich so begeistert, dass ich auch während des Masters nochmals in diese Welt eintauchen wollte.

Klar, ein Auslandssemester ist mit einem gewissen Aufwand verbunden. Man muss viel organisieren und flexibel bleiben. In Berlin eine Unterkunft zu finden, ist nicht einfach. Und während des zweiten Auslandssemesters, als ich bereits eine feste Anstellung in der Schweiz hatte, musste ich unbezahlten Urlaub nehmen und meine Wohnung in Zürich untervermieten. Was das Zusammenstellen der Module und die Anrechenbarkeit der ECTS-Punkte fürs Studium anging, konnte ich zum Glück voll und ganz auf die Zusammenarbeit zwischen ZHAW und ASH setzen. Ich habe mich früh mit der Studienberatung in Zürich in Verbindung gesetzt und sie haben mich optimal unterstützt.

Lernen, hinterfragen, wachsen

An der ASH gefiel mir besonders gut, dass wir im Master sehr kleine Klassen hatten. Der Diskurs mit den Dozierenden und unter den Studierenden wird hier viel stärker gewichtet als in der Schweizer Hochschulkultur – vielleicht, weil hierzulande auch generell weniger intensiv diskutiert wird? Ich kann beiden Hochschulkulturen Vorteile abgewinnen. Den etwas straffer geführten Unterricht an der ZHAW schätzte ich durchaus. Aber die Kultur in Berlin hat mich gelehrt, mich selbst immer wieder zu hinter- oder befragen: Welche Position nehme ich meiner Rolle als Sozialarbeiterin in einer multikulturellen Gesellschaft ein? Was bedeutet interkulturelle Kompetenz für die Soziale Arbeit? Man lernt so etwas nicht bloss für den Unterricht, sondern auch fürs Berufsleben. Berlin hat mich auch geprägt, was die Genderthematik betrifft. Dort wird sie bewusster und selbstverständlicher in den Alltag integriert als in Zürich. Wenn man sich jemandem vorstellt, sagt man immer auch gleich die Pronomen. Das motivierte mich, künftig noch mehr auf meine Sprache zu achten: Was ist diskriminierend, was nicht, in welchen Bereichen braucht es weitere Sensibilisierung? Dass so stark darauf geachtet wird, kann auch einschränkend sein, weil man Sorge hat, etwas Falsches zu sagen. Das Bewusstsein ist wichtig – in meinen Augen aber in einem gesunden und «alltagstauglichen» Masse.

Ich empfehle anderen Studierenden unbedingt, ein Austauschsemester zu machen. Es ist eine grosse und vielleicht einmalige Chance, so viel Zeit in einem anderen Land zu verbringen und in eine andere Schulwelt einzutauchen.