Verschiedene Wege, der Angst zu begegnen
Health Professionals sind in ihrem Berufsalltag oft mit Ängsten von Patient:innen, insbesondere in der Geriatrie, konfrontiert. Deshalb beleuchtete das Symposium Geriatrie das Thema «Der Angst aktiv begegnen – Ansätze in Therapie und Technologie» unterschiedlichen Perspektiven. Rund 110 Therapeut:innen der Professionen Physiotherapie, Ergotherapie und Pflege nahmen am Symposium teil.
So unterschiedlich unsere Ängste sind, so verschieden sind die Wege der Angst zu begegnen. Am Symposium Geriatrie zeigten Referent:innen aus verschiedenen Fachgebieten Blickwinkel und Möglichkeiten auf. Als erste sprach Psychotherapeutin Beatrix Horni. Ihr beruflicher Schwerpunkt ist die Behandlung von älteren Menschen und ihren Angehörigen. Die Gebrechlichkeit im Alter bringt oft Kontrollverlust mit sich. Dieser löst Angst aus, kann zu einem Teufelskreis aus negativen Gedankenmustern, eigener Schuldzuschreibung und abnehmendem Selbstvertrauen führen. Denn die Kontrolle ist ein unverzichtbares Grundbedürfnis und zentral für unser psychisches Wohlbefinden. Sie gibt uns Menschen Sicherheit und Orientierung. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen hilft, die Ängste aktiv anzusprechen und die Ressourcen der Betroffenen zu stärken. «Wichtig ist, trotz der Angst zu handeln. Nur so wird die Angst kleiner», sagte die Referentin. Es gilt daher, die älteren Menschen aufzuklären, ihnen durch Training schrittweise Sicherheit zu vermitteln, positive Kontrollerfahrungen zu ermöglichen und auch die kleinen Fortschritte zu würdigen. Verhaltensänderungen im Alter sind schwierig, aber durchaus möglich.
Angst vor Stürzen
Christian Mikutta ist leitender Arzt der Privatklinik Meiringen und setzt sich mit dem Thema der posttraumatischen Belastungsstörung nach Stürzen auseinander. Sturzangst ist eine Ursache, die dazu führen kann, dass ältere Menschen vermehrt Stürzen. Sie führt zu einem Verlust von Autonomie und ist ein Risikofaktor für Depression. Dagegen helfen realistische Ziele zur Erreichung zunehmender Aktivität in sicherer Umgebung. Ein Training zur Verbesserung von Kraft und Gleichgewicht kann weiter unterstützen. Dazu erhöhen Entspannungs- und Visualisierungsübungen das Selbstwirksamkeitsgefühl. Akute Belastungsreaktionen sind normale Reaktionen auf unnormale Ereignisse. Während Posttraumatische Belastungsreaktionen eine ernsthafte Erkrankung darstellen. Die Unterscheidung sollten nur Fachpersonen vornehmen. Warum jemand an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt, kann gemäss verschiedener Studien an der Resilienz der Personen liegen.
Angst und Demenz
«Einmal nach nirgendwo – wohin führt die Reise von Demenzbetroffen?» Mit diesen Worten eröffnete die Referentin Dr.med. Irene Bopp-Kistler ihren Vortrag. Die Demenz betrifft den Bereich, der uns so wichtig ist: unser Denken und unsere Persönlichkeit. Betroffene müssen loslassen, von ihren Fähigkeiten, ihrer Sprache, ihren Beziehungsmustern, ihrer Arbeitsstelle oder vom Autofahren.
«Menschen mit Demenz sind das Spiegelbild ihres Umfelds», so die Fachfrau für Demenzerkrankungen. Ist das Umfeld ruhig, sind auch sie ruhig. Ist das Umfeld von Ängsten geplagt oder möchte aus Scham die Symptome verstecken, überträgt sich das auf die Betroffenen. In der Kommunikation mit Betroffenen ist es darum wichtig, nicht auf Fehler hinzuweisen. So erzählte Irene Bopp-Kistler von einer verwirrten dementen Frau, die ihre Mutter suchte. Hier sollte ein Zurechtweisen wie: «Ihre Mutter ist doch schon lange tot» vermieden werden und dafür Verständnis für die Unordnung gezeigt und die Gefühle gespiegelt werden: «Sie suchen ihre Mutter? Das ist ein unangenehmes Gefühl, nicht zu wissen, wo sie ist». Ebenso ist es wichtig, den Selbstwert von Betroffenen zu stärken, sie nicht mit ihren Defiziten zu konfrontieren und nicht mit ihnen zu diskutieren.
Die mangelnde Krankheitseinsicht, ist Teil der Krankheit. Aus diesem und vielen anderen Gründen lehnen viele demente Menschen am Anfang Therapien ab. Trotzdem sind Therapien wichtig. Sie helfen, Angst abzubauen und die Lebensqualität von Demenzerkrankten zu erhalten. Oft sind gerade die Therapeut:innen wichtige Bezugspersonen über lange Zeit.
Die Angst vor dem Lebensende
Über die Angst vor dem Lebensende sprach Roland Kunz. Der Facharzt für Geriatrie und Palliativmedizin ist leitender Arzt im Spital Herisau. Alle Lebewesen auf der Erde haben etwas gemeinsam: sie sind sterblich. Der Mensch aber weiss um die Endlichkeit des Lebens. Das verdrängen wir aber im Alltag häufig. Sterben ist eine Grenzerfahrung, wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Etwa 70-80 Prozent aller Menschen am Lebensende fürchten sich davor. Angst ist ansteckend, die Sorgen der Angehörigen und des Pflegeteams können sich auf den Patienten übertragen. Als Health Professional ist es darum wichtig, vorsichtig zu kommunizieren und sich selbst mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Über unsere Ängste und Gedanken zu sprechen, helfen Berührungsängste mit dem Tod abzubauen. «Es lernt uns aber auch, mehr zu geniessen, was beschränkt verfügbar ist» sagt der Redner. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben ist eine wichtige Grundlage um mit Patient:innen und Angehörigen über den Tod zu sprechen. Oft fehlt den Angehörigen die Erfahrung mit Sterbenden. Denn fremdes Sterben im häuslichen Umfeld erleben wir immer seltener, immer mehr Menschen sterben im Pflegeheim oder im Spital.
Tiere, Musik und Technik
Trotz dem schweren Thema gelang es der Moderatorin und Poetin Jenn Unfug eine Leichtigkeit in die Veranstaltung zu bringen. Neben den vier Hauptreferaten gab es am Nachmittag in verschiedenen Parallelveranstaltungen weitere Denkanstösse zum Thema Angst. So wurde die tiergestützte Therapie vorgestellt und die Möglichkeit gezeigt mit Musik, Rhythmus und Humor der Angst zu begegnen. Zudem wurde der Bodentransfer anschaulich mit Filmen gezeigt.
Die Industriepartner des Symposiums zeigten neuste Technologien, um die Lebensqualität von geriatrischen Patient:innen zu steigern und um Health Professionals in ihrer Arbeit zu unterstützen.
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