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Virtual Reality als Lernort für die Berufliche Grundbildung – Pilotversuch an Berufsschulen in Tansania

Virtual Reality (VR)-Lernübungen sind bekannt dafür, dass sie die Motivation von Schüler:innen steigern und sich gut skalieren lassen. In Zentraltansania führten die Organisation für Entwicklungszusammenarbeit Helvetas und die ZHAW eine Pilotstudie mit Lernenden der Elektrotechnik an zwei staatlichen Berufsschulen durch.

VR ermöglicht es den Lernenden, jederzeit und überall mit verschiedenen anspruchsvollen oder sogar potenziell gefährlichen praktischen Tätigkeiten zu lernen und zu experimentieren – mit minimaler Aufsicht durch eine:n Ausbilder:in. VR-Szenarien oder Serious Games machen den Schüler:innen Spass und faszinieren sie und können ein wirksames Element für ansprechende Lernumgebungen sein. Empirische Studien der letzten Jahre legen nahe, dass Schüler:innen in Prüfungen besser abschneiden, wenn sie zuvor in VR geübt haben. Darüber hinaus kann die Technologie einen möglichen Mangel an physischen Lehrmitteln und Infrastrukturen ausgleichen, was zu besserem Lernen und höherer Motivation führt.

Im Juni 2022 untersuchten Helvetas und ZHAW School of Engineering das Potenzial des Einsatzes von VR-Technologie bei Elektroinstallations-Lernenden an öffentlichen Berufsschulen in Tansania. Die Tests wurden in Dodoma und Singida durchgeführt, zwei der landesweit 33 Colleges der Vocational Training and Education Authorities (VETA). Helvetas arbeitet derzeit mit der VETA in zwei Projekten zusammen: in einem Berufsbildungsprojekt in Zentraltansania und in der Gamification und Vermarktung von mobilen Lernkursen für die Berufsbildung.

Das VR-Szenario ermöglicht es den Lernenden, in einer VR-Darstellung einer Autogarage und eines angrenzenden Kellers eine einfache Elektroinstallation aus einer Lampe und einem Sicherungskasten zu testen. Nach einer kurzen Einführung führten kleine Gruppen von Schüler:innen und Lehrpersonen anspruchsvolle elektrische Messungen durch, die Teil ihres Lehrplans für Elektrotechnik sind: Sichtprüfung, Isolationsmessung, Fehlerstromschutzschaltermessung. Sie müssen in der Lage sein, die vorgegebenen Handlungselemente korrekt auszuführen und auf eventuelle Fehler im System zu reagieren. Text- und Audiohilfen in Suaheli führen die Schüler:innen durch die Aufgaben, die eng an die lokal verwendeten Elektrogeräte angepasst sind.

Die grosse Mehrheit der 24 Schüler:innen und 6 Lehrkräfte genossen die Erfahrung und empfanden sie als sehr motivierend. Die Erfahrung mit Video- und Handyspielen schien beim Erlernen der Steuerung zu Beginn des Tests zu helfen, da jüngere Lehrpersonen und Schüler:innen viel schneller damit zurechtkamen. In den nächsten Wochen wird eine Umfrage ausgewertet, um mehr über die Erfahrungen und Herausforderungen zu erfahren, mit denen die Schüler:innen und Lehrpersonen konfrontiert waren.

Umfassenderes VR-Forschungsprojekt in der Schweiz

Der Pilotversuch ist Teil eines grösseren Forschungsprojekts der ZHAW und der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH), das die Auswirkungen des VR-Trainings auf die Noten der Abschlussprüfungen von Schweizer Elektrotechnik-Studierenden eingehend prüft – ein Forschungsprojekt, das von der Digitalisierungsinitiative der Zürcher Hochschulen finanziert wird. Ziel ist es, die notwendigen didaktischen und gestalterischen Faktoren für einen effektiven Einsatz von VR in der beruflichen Grundbildung in der Schweiz und in Tansania zu untersuchen. Ausserdem wird das Team zusammen mit einer Schweizer Softwarefirma ein Geschäfts- und Betriebsmodell für die Produktion und den Vertrieb von VR-Lerneinheiten entwerfen. Dazu hat das Team der ZHAW und der PHZH die Szenarien in der Software Unity für Oculus Quest 2 unter Verwendung des VR Interaction Frameworks gebaut und den Anwendungsfall für Lernende, die sich in der Schweiz auf ihre Prüfung als Montageelektriker:innen vorbereiten, getestet: die korrekte Sicherheitsprüfung einer Elektroinstallation nach den Vorgaben der Schweizerischen Normungsorganisation Electrosuisse.

Nächste Entwicklungsschritte für den VR-Piloten

Die Schweizer Version des VR-Szenarios verfügt über weitere Elemente, die den Lernprozess unterstützen: ein Hilfebildschirm, der die anstehenden Arbeitsschritte anzeigt und bei Bedarf weitere Hilfestellungen geben kann. Über das Chatbox-ähnliche Dashboard erhalten die Lernenden zudem gezielt theoretische Inputs, die bei bestimmten Messungen ausgefüllt werden müssen, um das Szenario voranzutreiben. Als Gamification-Element hilft ein Leaderboard, die Motivation der Lernenden zu steigern. Die Ergebnisse der breiteren Studie von ZHAW und PHZH im Rahmen dieses Forschungsprojekts werden bessere Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Trainingsszenarien liefern. VR wird (vorerst) nicht die Art und Weise verändern, wie wir lernen, aber gut entwickelte VR-Trainingsanwendungen können eine wertvolle Ergänzung zu ansprechenden Lernumgebungen für die Ausbildung von beruflichen Fähigkeiten sein. Die Tests in der Schweiz und in Tansania haben bereits gezeigt, wo wir die Tests für Elektrotechniklernende verbessern können: in erster Linie durch eine Multi-User-Funktion, so dass die Ausbilder:innen aus der Ferne auf die Brillen der Studierenden zugreifen können, um sie zu unterstützen, ohne die Brillen abnehmen zu müssen. Für die tansanische Version der Szenarien: eine vollständige Audiounterstützung in Suaheli.

Ein wachsendes VR-Ökosystem in Ostafrika

Während die Regierungsbehörde VETA erst anfängt, VR für die berufliche Bildung zu erforschen, ist VR im Bereich der beruflichen Bildung in Ostafrika nicht völlig neu. Die belgische Entwicklungsagentur Enable erprobte die VR-Technologie 2017 als IT-Hilfsmittel für die Ausbildung von Handpumpenmechaniker:innen in Geflüchtetenlagern. Verschiedene NGOs erforschen derzeit die Technologie zusammen mit lokalen Partnern in der Region für Schulungen im Bereich Schweissen, aber es gibt noch kein grösseres Projekt, das die Führung übernimmt.

Private Virtual-Reality-Produktionsfirmen sind seit einigen Jahren in Tansania und Ostafrika aktiv. Seit 2016 kombiniert OnaStories in Tansania VR/AR-Medientrainings für Unternehmen und NGOs mit VR-Videoproduktion und journalistischem Storytelling für private und institutionelle Kund:innen. Grosse lokal geführte IT-Unternehmen wie Magilatech beginnen, die VR-Technologie zu erforschen. Der Pionier in der Region ist seit 2015 das in Nairobi ansässige Unternehmen BlackRhino VR, das immersive Virtual-Reality-Technologien einsetzt, um Bildungsmaterial und Marketingkampagnen für grosse nationale und internationale Organisationen zu entwickeln.

Die Tests in Tansania zeigen die Faszination von Lehrpersonen und Schüler:innen für diese Technologie. Es muss erforscht werden, wie ein sinnvolles Projekt im Entwicklungsbereich umgesetzt werden könnte. Digitales Lernen im Allgemeinen hat vielerorts noch einen langen Weg vor sich, und VR kann eines der Elemente moderner Online-Schulungsplattformen und -systeme sein. Da der Einsatz von VR auch in den Schweizer Berufsbildungsinstitutionen noch begrenzt ist und erst am Anfang steht, müssen valide Business Cases untersucht werden, die die bereits existierenden lokalen Unternehmen einbeziehen.

Text und Bilder: Franz Thiel, Helvetas

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Video: Yusuf Msafiri / Franz Thiel