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Yello-Gründer Dieter Meier: Ein Game Changer in der Schokoladen-Industrie

Multitalent Dieter Meier will die Schokoladenwelt revolutionieren. Dank eines ganz neuen Verfahrens enthalten seine Schokoladen viel weniger Zucker und vor allem die originären natürlichen Aromen. Anhand deren kann man auf die Herkunft der Kakaobohnen schliessen.

Auszug aus ZHAW-Impact vom Dezember 2017

Herr Meier, Sie sind angetreten, mit ZHAW-Know-how die Schokoladenwelt zu revolutionieren. Wie kam es dazu?

Dieter Meier: Tilo Hühn vom Institut für Getränke- und Lebensmittelinnovation ist in einem Magazin auf einen Artikel über Kaffee, den ich in der Dominikanischen Republik anbaue, gestossen. Dort ernte ich nur die reifen «Kaffeekirschen» von Hand. Das gibt dann das vollreife Kaffeearoma. Zudem baue ich ja als Landwirt auch biologische Weine an. Deshalb vermutete er, dass ich Wert auf natürliche Aromen lege, und hat mir dieses Verfahren vorgestellt.

Grosse Schokoladenhersteller haben das völlig neuartige Verfahren abgelehnt.

Das hat mich nicht weiter beeindruckt. Die wollen natürlich ihre Produkte nicht kannibalisieren.
Einige wollten das Know-how kaufen und wegsperren, damit es nicht auf den Markt kommt. Die Hochschule wollte aber nicht, dass Ergebnisse aus der Forschung in irgendwelchen Tresoren landen. 

Was hat Sie überzeugt?

Ich war von Anfang an begeistert, weil das ein ganz neuer Weg ist, den Professor Hühn da entdeckt hat. Er führt zu Qualitäten, die man so bei Schokolade noch nie gehabt hat – ein absoluter Game Changer in dieser Industrie. So ein Verfahren kann nur jemand initiieren, der aus einem ganz anderen Gebiet kommt, nicht aus der Schokoladeproduktion. Professor Hühn ist ja Mikrobiologe und Experte für Getränkeextraktion. Er hat schon verschiedene neuartige Extraktionsverfahren entwickelt.

Was ist so anders an dem Weg?

Bei uns stammt das Aroma zu 100 Prozent aus den Kakaobohnen. Wir können die Bohnen in vier natürliche Bestandteile zerlegen und daraus ganz neue Produktkompositionen kreieren. Es ist faszinierend, welche Vielfalt an Aromen aus den Kakaobohnen extrahiert werden kann. Auch die Bitterstoffe können wir separieren. Dadurch wird die Schokolade noch schmackhafter. Bei der herkömmlichen Produktion werden die Bohnen erst bei rund 130 Grad geröstet. Durch die Hitze werden die ursprünglichen Aromen zerstört. Dann werden die Bohnen conchiert, das heisst nochmals erhitzt und über 12 Stunden bis drei Tage gerührt. Was rauskommt, ist eine Masse, die sehr homogen wirkt, aber kaum noch originäre Aromastoffe enthält und von Röstkomponenten geprägt ist. Die Schokoladenindustrie arbeitet deshalb mit Fremdaromen wie Vanillin, die nachträglich hinzugefügt werden.

«Nachdem wir den Proof of Concept erbracht haben, stellen die Leute fest, dass das keine eigenartige alchimistische Idee ist, sondern ein hochwissenschaftlicher Prozess.»

Unternehmer Dieter Meier

Haben Sie schon eine Lieblingsschokolade?

Ich habe keine Lieblingsschokolade. Was ich besonders liebe, ist die Möglichkeit, Kakaobohnen aus den verschiedensten Gebieten der Welt ganz neu zu entdecken. Bei uns kann der Kunde degustativ unterscheiden, woher die Kakaobohnen stammen. Wie beim Wein ist das aber so, dass man einmal mehr Interesse hat an einem Wein aus dem Ribera del Duero und ein anderes Mal mehr an einem Wein aus dem Pomerol.

Für neuartige Verfahren gibt es kaum Fachleute oder Maschinen. Wie sind Sie vorgegangen?

Bald stand der Entschluss fest, dass wir eine Pilotfabrik bauen, in der wir dieses Verfahren perfektionieren. Hier arbeiten fast ausschliesslich Absolventen, die an der ZHAW bei Professor Hühn den Bachelor oder Master gemacht oder mit ihm an diesem oder ähnlichen Verfahren geforscht haben oder noch forschen. In der Pilotanlage stehen Maschinen aus verschiedenen Industrien, die für unsere Zwecke angepasst wurden. Der Dekanter, das Herzstück der Anlage, stammt aus der Getränkeindustrie. Oder ein Apparat zum Trocknen aus der Nudelfabrikation. Mit der Pilotanlage wollten wir testen, wie das Verfahren in einem Industrial Scale funktioniert.

Sie wollen eine Fabrik bauen für rund 35 Millionen Franken. Wie sehen da Ihre Pläne aus?

Ich möchte so schnell wie möglich im industriellen Massstab produzieren. Wenn wir alles auf der grünen Wiese aufbauen müssten, dauerte das mindestens zwei Jahre. Wenn wir in eine bestehende Hülle einziehen könnten, wie hier bei Chocolats Halba, die ihre Produktion nach Pratteln verlegt, dann könnten wir in 11 bis 12 Monaten produktionsbereit sein. Mit dem Liegenschaftenentwickler sind wir im Gespräch.

Gab es schon zarte Annäherungsversuche anderer Hersteller?

Nachdem wir den Proof of Concept erbracht haben, stellen die Leute fest, dass das keine eigenartige alchimistische Idee ist, sondern ein hochwissenschaftlicher Prozess. Alle Grossen, die mit Schokolade zu tun haben, sind daran interessiert, dass wir Schokolade für bestimmte Kundenprofile für sie machen. 

Schokoladenhersteller geraten immer wieder in die Kritik wegen schlechter Arbeitsbedingungen bei Lieferanten. Werden Sie selbst Kakao anbauen?

Das weiss ich noch nicht. Ich habe aber schon Kakaoplantagen besucht. Ich werde ein sehr nachhaltiges Sourcing betreiben, was die Qualität der Bohne betrifft, und darauf achten, dass diese ohne Kinderarbeit und andere Menschenschinderei gewonnen wird. Gerade bin ich dabei, eine Zusammenarbeit aufzubauen mit einer mexikanischen Kooperative, in der 600 Kakaoanbauer vereinigt sind. Das werde ich auch in anderen Teilen der Welt machen. Ich werde einen vernünftigen Preis zahlen für ihre Qualität.

Wie geht es jetzt weiter?

Am 7. Dezember werden wir in Zürich an der Limmat beim Hotel Storchen einen «Salon de Cacao» eröffnen, wo kompetente Leute den Schokoladeliebhabern erklären, was denn nun so anders bei unseren Produkten ist und warum das so anders ist. Weitere Läden sollen folgen. Verschiedene Handelspartner sind daran interessiert, unsere Schokolade in einigen Filialen ins Sortiment aufzunehmen.

Was werden Sie im «Salon de Chocolat» anbieten?

Wir werden eine Art «Chocolate Library» führen, damit der Schokoladeliebhaber erkennt, dass man anhand der Aromen auf die Herkunft der Bohnen schliessen kann. Wir bieten verschiedene Grundprodukte an, Schokoladen aus verschiedenen Destinationen und mit unterschiedlichem Kakaogehalt. Wir haben auch zwei weisse Schokoladen, die degustativ verschieden sind. Ebenso Jahrgangsschokolade, denn wie bei einem Weinberg ist auch bei einer Kakaoplantage nicht jedes Jahr gleich. Deshalb ist das Aroma der Bohnen, wenn man sie so präzise extrahiert wie wir, jedes Jahr anders.

Wer soll denn Dieter Meiers Oro-de-Cacao-Schokolade kaufen?

Jeder, der Schokolade liebt und bisher vergeblich darauf gewartet hat, dass die Industrie endlich Entwicklungen hervorbringt, welche dem natürlichen Geschmack der Schokolade näherkommen. Wir werden es leicht haben, die Vorteile von unserem Produkt aufzuzeigen: Denn wir ermöglichen einen Genuss ohne Reue. Unser Produkt hat bis zu zwei Drittel weniger Zucker. Herkömmliche Schokoladen, vor allem Milchschokolade, sind ja regelrechte Zuckerbomben.

Wie wird die Geschichte zwischen dem Entrepreneur Dieter Meier und dem Hochschulprofessor Tilo Hühn fortgeschrieben?

Ich freue mich schon auf unsere nächsten Projekte. Unter anderem interessieren wir uns für die extrahierten Bitterstoffe, die Polyphenole, die wir aus den Kakaobohnen gewinnen. Diese sind sehr wertvoll und auf verschiedenen Gebieten sehr gefragt, zum Beispiel in der Kosmetik. Ihre Struktur führt dazu, dass Crème viel besser in die Haut eindringt und einen hervorragenden Schutz bietet. Da sind wir jetzt daran, das zu testen. 

Was ist Ihr Geheimnis, dass Sie so fit und agil bleiben?

Für mich ist es das grösste Glück, wenn ich mit kompetenten Leuten etwas Neues aufbauen kann. Wenn ich etwas bewege, dann ist das für mich eine Freude – ein Mich-Selbst-Finden und -Erfinden. Es ist eigentlich wie Bergsteigen. Ein Bergsteiger hat eine Passion, weil er sich beim Klettern ganz anders spürt. Die Natur macht mehr oder weniger mit. Es gibt keine perfekte Besteigung eines Berges. So geht es auch bei einem Unternehmer nicht ohne Probleme. Ich glaube aber, dass ich eine gewisse Begabung habe, in Zusammenarbeit mit kompetenten Leuten Probleme zu lösen.

Das Interview mit Dieter Meier führte Patricia Faller

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Einblicke in die Schokoladenfabrik und die Pläne von Dieter Meier und Tilo Hühn mit Oro de Cacao (Quelle: Star TV).

Aktuelle Ausgabe ZHAW-Impact Nr. 39

«Wahrheiten» lautet das Dossierthema der aktuellen Ausgabe des Hochschulmagazins ZHAW-Impact. Eine Auswahl der Themen: Was ist wahr an Fake News? Was ist Wahrheit überhaupt? Wie halten Sie es mit der Wahrheit und wer ist heute noch glaubwürdig? Wahr ist etwas immer nur solange, bis es andere widerlegen und neue Erkenntnisse liefern. In diesem Magazin wollen wir Ihnen also keine alternativen Fakten, sondern Alternativen zu Fake News bieten.

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