ZHAW-Forschende entwickeln intelligente Leggins
ZHAW-Forschende aus den Bereichen Technik und Gesundheit entwickeln zusammen mit europäischen Partnern ein Soft-Exoskelett für Menschen, die beim Gehen beeinträchtigt sind. Das verwendete Material soll lernfähig sein und sich je nach Bewegungsablauf mehr oder weniger versteifen.
Wer aufgrund eines Schlaganfalles oder von Geburt an beim Gehen beeinträchtigt ist, kann heutzutage mittels Stützstrukturen wieder besser laufen. Doch diese meist schweren und unflexiblen Konstruktionen passen sich oft nur einem Teil des Bewegungsablaufes an. Deshalb entwickeln ZHAW-Forschende zusammen mit europäischen Partnern eine Stützstruktur, welche sich je nach Bewegung versteift oder weich wird. Das innovative Gewebe wird mit Sensoren ausgerüstet, mit deren Hilfe eine integrierte Elektronik die Bewegung der betroffenen Gliedmassen lernt und diese dann im richtigen Augenblick stützt, entlastet oder frei bewegen lässt. Die Konstruktion soll dünn sein und wie Leggins oder Socken unter der Kleidung getragen werden können. Das Projekt trägt den Titel XoSoft und wird von der EU wie auch vom Bund im Rahmen der Übergangslösung zu Horizon 2020 unterstützt. Mit der Entwicklung hat das aus neun Partnern bestehende europäische Konsortium im Februar 2016 begonnen. Einen ersten Prototyp planen die Forschenden bereits im ersten Jahr des dreijährigen Projekts.
Natürlichen Bewegungsablauf unterstützen
Ein Anwendungsbeispiel für XoSoft sei der Fallfuss, so Christoph Bauer, Physiotherapie-Forscher an der ZHAW. Das betreffe Patientinnen und Patienten, bei denen beispielsweise die vordere Seite der Fussmuskeln gelähmt sei, der Fuss dadurch herunterhänge und beim Gehen schleife. «XoSoft könnte beispielsweise mit Sensoren erkennen, wann die Schwungphase beginnt, und dann dem Antriebselement übermitteln, wann er stabilisieren soll. Oder dadurch sogar eine Bewegung auslösen, welche den Fuss hochzieht. Beim Landen würde das Exoskelett dann wieder weich werden. Das können herkömmliche feste Hilfsmittel, sogenannte Orthesen, im Moment nicht.» Das Prinzip hinter dem sich in der Festigkeit verändernden Material sind Strukturen, welche auf elektrische Felder reagieren. Dieses Material entwickeln die Projektpartner vom Italian Institute of Technology IIT.
«Der Bewegungsablauf wird über Algorithmen erfasst, welche die Daten der eingesetzten Sensoren auswerten», erklärt Konrad Stadler, der im Bereich Regelungstechnik an der ZHAW School of Engineering forscht. Dahinter stecke ein Modell der Bewegungsabfolgen beim Gehen, welches auf den jeweiligen Patienten angepasst werde. Die Programmierung der Algorithmen hänge im Wesentlichen davon ab, welche Sensoren eingesetzt würden. Mögliche Kandidaten sind laut Stadler Drucksensoren, Elektro-Myogramm oder Lagesensoren. Elektro-Myogramme messen die natürliche elektrische Spannung in einem Muskel und die Lagesensoren die Position im Raum.
Während der Entwicklung werden der Prototyp und die Software regelmässig im Bewegungslabor des Instituts für Physiotherapie der ZHAW getestet und ausprobiert. Dort arbeitet Bewegungswissenschaftlerin Eveline Graf mit sehr präzisen Messmethoden um zu kontrollieren, ob die Algorithmen den Bewegungsablauf auch in gewünschter Weise unterstützen. «Wir können die menschliche Haltung und den Gang exakt messen und erkennen sofort, ob Prototypen von XoSoft das Gehen wie gewünscht unterstützen oder ob Anpassungen an Material oder Software notwendig sind», erklärt Graf. «An der ZHAW arbeiten Ingenieure, Physiotherapeuten und Bewegungswissenschaftler im XoSoft Projekt, somit können Anpassungen gleich vor Ort vorgenommen und überprüft werden. Zudem erlaubt diese Zusammenarbeit eine Entwicklung, die sich sehr eng am Bedürfnis der künftigen Anwenderinnen und Anwender orientiert.»
Diskret unter der Kleidung getragen
Die Form der Stützstruktur müsse man sich wie eine Leggins oder eine Socke vorstellen, je nachdem, für welchen Bereich die Gehhilfe gedacht sei, so Bauer. «Grundsätzlich sollte das Ganze bequem sein. Patienten sollen die Gehhilfe den ganzen Tag lang tragen können und das unter der Kleidung.» Mit einem grossen klobigen Ding fühle man sich viel eher stigmatisiert, erklärt der ZHAW-Forscher.
Europäisches Konsortium
Das Konsortium des XoSoft-Projektes besteht neben dem ZHAW-Departement Gesundheit und der ZHAW School of Engineering aus vier weiteren europäischen Forschungsgruppen in den Bereichen Robotik, Bioengineering, Ambient Intelligence und Design. Ebenfalls beteiligt sind vier Firmen und klinische Partner, welche in den Gebieten der Rehabilitationstechnologien, Geriatrie und Prothetik tätig sind.
Weitere Informationen:
Kontakt:
Markus Wirz, Abteilungsleitung Forschung und Entwicklung, Institut für Physiotherapie, ZHAW-Departement Gesundheit, Tel. 058 934 63 21, E-Mail markus.wirz@zhaw.ch
Konrad Stadler, Dozent für Regelungstechnik, Institut für Mechatronische Systeme, ZHAW School of Engineering, Tel. 058 934 78 27, E-Mail konrad.stadler@zhaw.ch
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