Neue Methode zur Planung von Photovoltaikanlagen: «Damit lässt sich einfach Geld sparen»
Die Planung von kleinen Photovoltaikanlagen ist heute gleich teuer wie die Module selbst. Um die Kosten zu senken, setzt der ZHAW-Forscher Franz Baumgartner mit Augmented Reality eine futuristisch anmutende Technologie ein.
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Messen, planen, installieren: Der Weg zur eigenen Photovoltaikanlage ist mitunter weit – und teuer. Das weiss auch Franz Baumgartner, Leiter des Studiengangs Energie- und Umwelttechnik an der ZHAW School of Engineering. Der Spezialist für Photovoltaik sagt: «Bei kleinen Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern entfällt heute nur noch ein Fünftel der Kosten auf die Module selbst.» Ähnlich teuer sei mittlerweile die Planung der Anlage und die administrativ notwendige Dokumentation.
Genau hier setzen Baumgartner und das ZHAW-Institut für Energiesysteme und Fluid-Engineering in Zusammenarbeit mit der Firma Zühlke an. Vor drei Jahren habe ein Forscherkollege Baumgartner eine HoloLens-Brille gezeigt und demonstriert, wie sie im Medizinalbereich verwendet wird. Baumgartners erster Gedanke: «Die muss in der Photovoltaik eingesetzt werden.»
So funktioniert die HoloLens
Die HoloLens ist eine Augmented-Reality-Brille der Technologiefirma Microsoft. Augmented Reality, kurz AR, bedeutet, dass zusätzliche, virtuelle Informationen auf eine reale Umwelt projiziert werden. Die HoloLens ermöglicht genau das. Benutzerinnen und Benutzer befestigen sie mit einem Stirnband auf dem Kopf und klappen das Visier vor die Augen. Prozessoren, Kameras und Projektionsobjektive machen die HoloLens zu einem bestechenden Werkzeug.
Auf dem getönten Visier, durch das der Anwender die reale Umgebung sieht, werden Informationen und Daten eingeblendet. Mit Fingergesten kann die Anwenderin Befehle erteilen und mit der Brille arbeiten. Im Beispiel der Photovoltaikanlagen ist es unter anderem möglich, Punkte auf einem Dach anzuwählen und so Distanzen auf etwa zwei Zentimeter genau zu vermessen.
Die Brille macht alles auf einmal
Heute sind an der Entstehung von Photovoltaikanlagen verschiedene Parteien beteiligt. «Für die administrativen Aufwände fallen bis zu 15 Arbeitsstunden pro Anlage an», so Baumgartner. Bauanträge, feuerpolizeiliche Pläne und Abnahmen trügen dazu bei, die Kosten in die Höhe zu treiben.
«Wir sind bestrebt, diese Abläufe effizienter zu gestalten. Da kann man einfacher Geld sparen als mit günstigen Modulen.» Teil der Lösung könnte die HoloLens sein. Baumgartner sagt: «Neben ihrem Potenzial zur Dokumentation des gesamten Prozesses hat sie einen grossen Vorteil: Sie kann aus einer Hand vermessen, planen, offerieren und der Endkundschaft die Anlage demonstrieren.»
Und das geht so: Um Länge oder Breite eines Dachs zu messen, markiert der Brillenträger oder die Brillenträgerin einen Startpunkt mit einer Fingergeste, geht zum Endpunkt und beendet die Messung erneut per Geste. So kann er oder sie das ganze Dach ausmessen – auch Kamine oder Brüstungen, die störende Schatten auf die Module werfen, sind schnell erfasst.
«Mit effizienten Abläufen kann man einfacher Geld sparen als mit günstigen Modulen.»
Franz Baumgartner
Sobald der Anwender oder die Anwenderin die Südrichtung definiert, Ausrichtung und Anstellwinkel festgelegt und den maximal zulässigen Verlust durch Schattenwurf gewählt hat, erstellt die HoloLens automatisch ein Modell der Photovoltaikanlage. Dieses Modell kann im virtuellen Raum von allen Seiten betrachtet und auch im Nachhinein noch angepasst werden. Endkundinnen und Endkunden können die Anlage – ebenfalls mithilfe der HoloLens – virtuell begutachten.
Im letzten Schritt berechnet die HoloLens selbstständig die Kosten für die Anlage und erstellt eine Offerte. Geht es nach Baumgartner, soll das noch nicht das Ende sein: «Unser Ziel ist, direkt eine Bestellung mit allen nötigen Bauteilen auslösen zu können.» Dafür müsse er seine Anwendung zuerst möglichen Partnerfirmen näherbringen – auch für sie ist diese Art der Photovoltaikplanung Neuland.
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Wenn, dann in der Schweiz
Auch wenn die HoloLens heute noch eine teure Anschaffung ist, glaubt Baumgartner an eine Kostensenkung durch sein System. «Die Fachpersonen können sich dank der HoloLens genau dort einbringen, wo es sie wirklich braucht.» Damit würde die Kundschaft finanziell entlastet. Baumgartner sagt: «Wegen der hohen Löhne wird sich das System zuerst in der Schweiz bezahlt machen.»
Die Beteiligten
Für die ZHAW arbeitet das Institut für Energiesysteme und Fluid-Engineering an Franz Baumgartners SolAR-Projekt. Grossen Anteil an der bisherigen Entwicklung haben mehrere studentische Arbeiten und insbesondere die Mitwirkung von Fabian Carigiet und Philipp Staiger. Baumgartner steht ausserdem im Austausch mit der Firma Zühlke. Als Dienstleister für Innovationsprojekte hat die Zühlke bereits Erfahrung mit Augmented Reality.
Zusammen mit der Firma ThyssenKrupp hat Zühlke bereits ein System zur Veranschaulichung und Offertstellung von Treppenliften entwickelt. Das zeigt, dass die Planung mit Augmented Reality nicht auf Solaranlagen begrenzt ist. Baumgartner sagt: «Die gleiche Methodik kann auch auf Dimensionierung und Planung von Rohrleitungen oder Küchen angewendet werden.» Man müsse die Technologie in verschiedenen Bereichen einsetzen und: «Wenn das gelingt, wird Augmented Reality das Ingenieurwesen verändern.»
Zuerst einmal sind aber kleinere Schritte angesagt. Baumgartner will seine Anwendung auf alle Arten von Flachdächer und auf überdachte Parkplätze ausweiten. «Wir sind dabei, einen Projektantrag fürs Bundesamt für Energie zu formulieren und haben bereits positive Signale aus Bern erhalten.»