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Gutes Leben im Alter: die philosophischen Grundlagen

Seit der Antike beschäftigen sich Philosophen mit dem Thema Alter. Der vorliegende Reader stellt Auszüge aus einigen Grundlagentexten zusammen, auf die bis heute immer wieder Bezug genommen wird. Drei von ihnen seien hier näher vorgestellt.

Der älteste Text betrifft eine Passage aus Platons «Staat», in der er im Gespräch mit Sokrates den häufig (von Männern) beklagten Verlust der «Sinnesfreuden» geradewegs in sein Gegenteil verkehrt und ihn als «Befreiung durch das Alter» darstellt. Zudem sei die durch lebenslang erworbene Bildung gefestigte Lebenserfahrung im Alter hochzuschätzen. Er kommt daher zu dem Schluss, für die Übernahme von Regierungsämtern sei ein Mindestalter von 50 Jahren sinnvoll.

Ganz anders sieht sein berühmtester Schüler Aristoteles das Alter. Wie in seiner «Nikomachischen Ethik» geht er auch in der «Rhetorik» vom Schema eines dreigliedrigen Lebensalters aus: Jugend, die Jahre der Lebensmitte, das Alter. Und sieht im Gegensatz zu seinem Lehrmeister das Alter vor allem defizitär, bezeichnet alte Menschen als meist geizig, kleinmütig und todesfürchtig, die Jugend als unreif und überschießend, während die «reifen Mannesjahre» von Tatkraft und optimal entwickelten Fähigkeiten gekennzeichnet sind, die jetzt «massvoll eingesetzt» werden können. Das lässt wohl darauf schließen, dass er seine Schriften in diesem Alter verfasste.

«…nur die Dümmsten zittern vor dem Tod.»

 

Einen Gegenpol zu solcher Misanthropie des Alters bildet der fast drei Jahrhunderte später lebende römische Philosoph Cicero (Marcus Tullius Cicero), der als Vermittler des Griechentums und seiner Schriften gilt. In seiner Schrift «Cato der Ältere über das Alter», verfasst in bereits höherem Alter, lässt er in einem fiktiven Dialog den einstigen Feldherrn und hoch angesehenen Staatsmann Cato das Alter loben und hauptsächlich gegen vier Behauptungen argumentieren. Gegen altersbedingte Inaktivität hält er Wissen und Erfahrung im Alter. Gegen den schwächer werdenden Körper setzt er die besseren Geisteskräfte, die nun eher gefragt sind. Der dritte Vorwurf gegen das Alter betrifft wieder die Sinneslust. Cicero lässt Cato hier zwar gegen das epikureische Lustprinzip argumentieren, aber nur, weil es jedem massvollen Lebenswandel widerspricht. Das Alter hingegen bietet die bessere Möglichkeit, sich geistigen Genüssen (wie der Philosophie) zu widmen, wobei auch die Pflege der Freundschaften, der Gesellschaft und des Gartens der Lebensfreude dienten. Dem vierten Vorwurf, der Angst vor dem Tod, hält Cato entgegen, dass der alte Mensch bereits ein langes Leben geführt hat, der Tod somit eher dem jungen Menschen als Bedrohung erscheint, während der alte Mensch sich bereits mit dem eigenen Tod als naturgegeben auseinandergesetzt haben kann.

Als Stoiker weist ihn besonders seine Schlusssequenz aus: «So zeigen die Weisesten den grössten Gleichmut und nur die Dümmsten zittern vor dem Tod.» Wie ersichtlich, ging es in der Antike bei diesem Thema nur um die Wahrung des «guten Lebens». Erst das christliche Gebot der Nächstenliebe trug auch Gedanken der Sorge und Pflege alter Menschen in die Gesellschaften.

Thomas Rentsch, Morris Vollmann (Hg):
Gutes Leben im Alter. Die philosophischen Grundlagen.
Ditzingen: Reclam, 2020, 260 S.

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Zur Rezensentin

Brigitta Klaas Meilier arbeitete nach ihrem Studium der Gesellschaftswissenschaften und Russisch zunächst als Übersetzerin und Lektorin. Als Dozentin für soziologische Fragestellungen im Sozialbereich wirkte sie an Fachhochschulen, Höheren Fachschulen und anderen Institutionen. Sie veröffentlichte mehrere Bücher, darunter Studien im Rahmen der Frauenforschung, und führt heute das Kulturbüro k&s.