Von der Studentenparty zu den Oscars
Mit 31 ist Daniel Dessauges Miteigentümer eines erfolgreichen Start-ups, das den Zutritt zu exklusiven Events auf der ganzen Welt regelt. Seine 18 Mitarbeitenden managen 22'000 Events mit drei Millionen Gästen.
Impact Nr. 33 vom Juni 2016
«Ich brauche wohl mal wieder einen neuen Hit», scherzte Sir Paul McCartney, als ihm der Eintritt zu einer Afterparty nach der Grammy-Verleihung 2016 verweigert wurde. Mit einer sauber geführten elektronischen Gästeliste wäre das wohl nicht passiert. Hier liegt die Marktnische, in der sich Daniel Dessauges und sein Team mit der App zkipster einen Namen gemacht haben. Die Bezeichnung zkipster ist abgeleitet von «Skip the line» – an der Schlange vorbeigehen. Gästelisten können mit dieser Lösung zentral in einer Cloud gespeichert und abgeglichen werden. «Die App verknüpft die Namen auf der Gästeliste automatisch via Suchmaschinen mit Fotos», erklärt Dessauges. Peinliche Ausweiskontrollen bei Prominenten werden dadurch überflüssig.
Vom Gründergeist beflügelt
Ungebetene Gäste können sich auch nicht einschleichen, wie der Jungunternehmer beteuert: «Ausserdem verzeichnet die App, wie zuverlässig geladene Gäste zu Veranstaltungen erscheinen und wie sie über Social Media darüber kommunizieren.»
Im Jahr 2008 hat der gelernte Informatiker sein Bachelorstudium in Banking and Finance an der ZHAW School of Management and Law (SML) abgeschlossen. Heute ist er Miteigentümer eines Start-ups mit 18 Mitarbeitenden und einem siebenstelligen Umsatz. «In der Nische von Invitation-only-Anlässen für Luxusgüter, Medienkonzerne, Finanzdienstleister, Regierungen oder die Kunstwelt haben wir uns mit zkipster weltweit als Branchenleader etablieren können», sagt der 31-jährige Dessauges. Zu Beginn des Jahres hat das Start-up mit der Gästeliste für die Oscars-Afterparty des Modemagazins «Vanity Fair» den Ritterschlag erhalten – den Anlass mit der höchsten Promidichte in den USA. Bis zum Durchbruch mussten Daniel Dessauges und sein Geschäftspartner David Becker einen steinigen Weg auf sich nehmen. Seit 2006 veranstalten die beiden Freunde die Partyreihe «Use It» im Zürcher Club Kaufleuten. «Weil wir ein Chaos mit den Gästelisten auf Papier hatten, kamen wir auf die Idee, eine App dafür zu entwickeln», erzählt Daniel Dessauges.
«Weil wir ein Chaos mit den Gästelisten auf Papier hatten, kamen wir auf die Idee, eine App dafür zu entwickeln.»
Daniel Dessauges, ZHAW Absolvent und Miteigentümer des Start-ups zkipster
Zunächst als Lösung für das eigene Problem angedacht, versuchten die Jungunternehmer, ihre App in der Clubszene zu vermarkten. «Wir merkten aber rasch, dass der Schweizer Markt dafür zu klein ist und die Akzeptanz gegenüber neuen Technologien zu gering», sagt Daniel Dessauges. Dank David Beckers Cousin fanden beide den Zugang in die New Yorker PR- und Eventszene. «Die Dichte an Events ist in New York so hoch, dass wir unseren Fokus zunächst vor allem hier setzten.»
Als er versuchte, mit zkipster in New York Fuss zu fassen, hatte Daniel Dessauges gerade sein Masterstudium in Barcelona abgeschlossen und arbeitete bei einer Genfer Privatbank. «Nach dem Studium in einem Konzern zu arbeiten, kann frustrierend sein», erinnert er sich. «Man fängt ganz unten in der Nahrungskette an und kann eigene Ideen kaum umsetzen.» Der Wunsch, sich als Unternehmer zu versuchen, wurde stärker. Im Gegensatz zur Schweiz sei der Gründergeist in den USA viel stärker ausgeprägt. Dabei hätten Schweizer Studierende oftmals eine viel bessere Ausgangslage. «Sie haben in der Regel nach dem Studium keine Schulden und ein ausgeprägtes Sozialsystem, das sie auch im Falle eines Misserfolgs wieder auffängt», so Dessauges.
Wie Lesen und Schreiben
Ans Aufgeben hat er nur selten gedacht: «Ich war ja noch angestellt und hatte einen Plan B.» Nachdem er und David Becker während zweier Jahre zwischen Zürich und New York hin und her gependelt waren, wagten sie 2012 den Schritt nach New York. «Wir hatten etwas Geld gespart und setzten alles auf eine Karte. Als Student habe ich gelernt, mit wenig auszukommen», erzählt Dessauges. «Wir plünderten unsere Pensionskassen, lebten in einer kleinen, bezahlbaren WG ausserhalb des Zentrums und arbeiteten 12 bis 15 Stunden am Tag. Doch Befriedigung und Motivation sind grösser, wenn man sein eigener Chef ist.» Beim Aufbau der eigenen Firma kam Daniel Dessauges sein Wissen aus dem Studium an der SML zugute. «Als ich als Student in den Accounting-Vorlesungen sass, konnte ich noch nicht ahnen, wie wichtig das für mich sein würde», erinnert er sich. Dass er trotzdem gut zugehört hat, zahlt sich jetzt aus. «Cashflow und Liquidität sind in der Start-up-Welt das A und O und Buchhaltung so wichtig wie Lesen und Schreiben.» Die Durststrecke dauerte vier Jahre. «Wir mussten viele Klinken putzen und auch mit Absagen klarkommen», sagt Dessauges. «Im Vergleich zu den IT-Start-ups aus dem Silicon Valley war unser Wachstum für viele Investoren nicht schnell genug.» Die Schweizer setzen stattdessen lieber auf nachhaltiges, langsames Wachstum. «In der Start-up-Szene sind viele Blender unterwegs. Doch wer verspricht, was er nicht halten kann, hat keinen bleibenden Erfolg», sagt Dessauges. «Ich habe gelernt, bescheiden zu sein und vor allem gut zuzuhören.»
Die Hartnäckigkeit und das intensive Networking zahlten sich schliesslich aus. 2014 kam der Durchbruch: Die Zürcher Kantonalbank gewährte der in der Schweiz ansässigen Firma einen Kredit, der weitere Möglichkeiten eröffnete.
Die «New York Times» berichtete
Gleichzeitig begannen sich PR und Marketing auszuzahlen. «Ein Meilenstein war sicherlich, als die ‹New York Times› im Zusammenhang mit der Fashion Week über uns berichtete», erinnert sich Daniel Dessauges. Mit jedem Event wuchs die Anzahl der Kontakte. Türen zu weiteren Märkten wurden aufgestossen. Bald darauf checkte der millionste Gast via zkipster an einen Event ein. Heute managt das Unternehmen jedes Jahr rund 22'000 Events mit drei Millionen Gästen. 18 Mitarbeitende sind in New York, London, Hongkong und Zürich beschäftigt. Dessauges ist in New York tätig, und zwölfstündige Arbeitstage sind auch heute keine Seltenheit – jetzt allerdings in einem Office am Broadway. «Heute kümmere ich mich vor allem um Vertrieb, Distribution und Kundenbetreuung. Da gibt es immer irgendwo ein Feuer zu löschen.»
«Vor 20 Jahren war Führungserfahrung aus dem Militärdienst ein Einstellungskriterium. Heute wird Start-up-Erfahrung als wertvoller eingeschätzt.»
Daniel Dessauges, ZHAW Absolvent und Miteigentümer des Start-ups zkipster
Trotzdem findet Daniel Dessauges noch die Zeit, um seine Erfahrung zu teilen – etwa beim Market Entry Camp der Wirtschaftsförderung Swissnex. «Ich möchte den Unternehmergeist, der in den USA weit verbreitet ist, auch in der Schweiz weitergeben», sagt er. «Hier hat man eine so gute Ausgangslage, dass es fast schade ist, es nicht zu versuchen.» Ehrgeiz, Offenheit, aber auch Bescheidenheit gehören zu den Eigenschaften, die Unternehmer aus seiner Sicht mitbringen sollten. Auch wenn es nicht auf Anhieb klappe, lerne man doch etwas fürs Leben. «Vor 20 Jahren war Führungserfahrung aus dem Militärdienst ein Einstellungskriterium. Heute wird Start-up-Erfahrung als wertvoller eingeschätzt», ist der Jungunternehmer überzeugt.
Autor: Florian Wehrli