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Die Sozis von morgen

Auf dem Arbeitsmarkt findet ein Wechsel der Generationen statt. Soziale Organisationen sollten jetzt ins Personalmanagement investieren, um den Nachwuchs für sich zu gewinnen.

Das Streben nach Verantwortung verliert bei den neuen Sozialarbeitenden an Bedeutung. Dafür wollen sie genügend Freizeit haben. (Foto: Maya & Daniele)

Von Anita Weber und Konstantin Kehl

Sie sind hochgebildet, wollen mitreden und mitgestalten. Sie legen grossen Wert auf Selbstverwirklichung im Privaten und haben wenig Lust auf Verantwortung im Berufsleben: So wird die Generation Z beschrieben, wenn es um ihre Ansprüche als Arbeitnehmende geht. In wenigen Jahren werden die zwischen 1995 und 2010 Geborenen unter den Erwerbstätigen dominierend sein. Die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge 1950 bis 1964 sind dann mehrheitlich in Rente – eine Generation, die sich im Job besonders engagierte, die Verantwortung trug und für die Loyalität Ehrensache war.

Mit ihren Wertorientierungen wird die Gen Z den Arbeitsmarkt stark herausfordern. Das wird gerade auch viele Organisationen der Sozialen Arbeit betreffen. Denn sie kalkulieren ein gewisses Mass an freiwilligem Engagement ein, zu dem die junge Generation aber immer weniger bereit ist. Soziale Organisationen sind deshalb gut beraten, dem Personalmanagement einen höheren Stellenwert einzuräumen. Tun sie das? Diese Frage wurde im Rahmen einer Masterarbeit an der ZHAW am Beispiel von Betrieben des stationären Behindertenwesens untersucht. Die kurze Antwort lautet: Nein. Die längere ist ein wenig komplexer.

Gen Z will Freizeit

In einer statistischen Erhebung gaben mehr als 500 angehende Fachpersonen der Sozialen Arbeit Auskunft zu ihren Wertorientierungen, ihrer Einstellung zur Arbeitswelt sowie ihrem Stress- und Gesundheitserleben. Die Befragten im Alter zwischen 16 und 55 Jahren befinden sich in Ausbildung an insgesamt 21 Fachhochschulen, höheren Fachschulen und Berufsschulen der Deutschschweiz.

Wer glaubte, dass (zukünftige) Sozialarbeitende anders eingestellt sind als der Rest der Bevölkerung, täuscht sich. Zum Beispiel nimmt auch bei den Befragten das Streben nach verantwortungsvollen und herausfordernden Aufgaben ab: Rund 57% der Generation X (Jahrgänge 1965 bis 1979) zählen diesen Wert zu ihren drei wichtigsten Arbeitsplatzmerkmalen. In der Generation Y der zwischen den frühen 1980ern den und späten 1990ern Geborenen – auch Millennials genannt – wollen das weniger als die Hälfte (44%) und in der Generation Z nur noch rund ein Drittel (35%). Hingegen sind der Gen Z geregelte Arbeitszeiten doppelt so wichtig (19%) wie den Angehörigen der Generation X (9%), also ihrer Eltern-Generation.

Auch für ein Engagement ausserhalb der regulären Arbeitszeiten zeigen sie deutlich weniger Bereitschaft (61%) als die Gen X (86%). Zugleich wählen die Generationen Y (37%) und Z (39%) die Wichtigkeit, genügend Freizeit neben der Berufstätigkeit zu haben, mehr als doppelt so häufig in die Top-Drei der Arbeitsplatzmerkmale als die Generation X (16%). Die Befragung legt daher den Schluss nahe, dass die künftige Generation von Arbeitnehmenden ihren Job als rationales Tauschgeschäft betrachtet: Wer Leistung von ihnen erwartet, muss auch dafür bezahlen.

Mangelnde Personalstrategie

Wie wird die Arbeitseinstellung der Gen Z auf der Seite der Betriebe im stationären Behindertenwesen wahrgenommen? Und wie reagieren sie darauf? Um ihre Sicht und allfällige Massnahmen zu erfahren, wurden sieben leitfadengestützte Interviews mit Fach- und Führungspersonen aus vier Organisationen für Menschen mit Behinderung geführt.

Dabei zeigte sich: Der Wertewandel auf Personalebene wird zunehmend wahrgenommen. Die Antworten der Interviewten verdeutlichen jedoch, dass Organisationsentwicklung trotzdem mehrheitlich zweck- und auftragsorientiert verstanden wird. Eine auf den demografischen Wandel ausgerichtete Personalstrategie wird – wenn überhaupt – nur in geringem Masse verfolgt. Das ist besorgniserregend, denn Arbeitnehmende im Handlungsfeld des stationären Behindertenwesens kommen bereits jetzt oft an ihre Grenzen. Während ökonomische Effizienzorientierung gefordert ist, steigt zugleich die Auftragskomplexität.

Selbstwahrnehmung stimmt bedenklich

Darunter leidet die Qualität: Der Schlüssel zur Befähigung von Menschen mit Beeinträchtigung zu autonomer Lebensweise und gesellschaftlicher Gleichstellung liegt in der Verfügbarkeit von Personal- und Zeitressourcen. Doch anspruchsvolle Aufgaben konzentrieren sich zunehmend auf immer weniger Mitarbeitende, während gerade Jüngere engere Führung und Begleitung einfordern, der Komplexität der Aufgaben nicht mehr gewachsen sind und auch nicht dazu bereit sind, sich bei verhältnismässig niedriger Entlöhnung komplexen Belastungen auszusetzen.

Doch damit nicht genug: Auch die Selbstwahrnehmung gesundheitlicher Belastungen der jungen Generation stimmt bedenklich. So gibt jede dritte Person (33%) an, regelmässig von fünf Krankheitssymptomen betroffen zu sein, vorrangig von Belastungen psychosomatischer und psychischer Art. Bei der Generation X liegt diese Kumulation gesundheitlicher Beschwerden mit 9% signifikant tiefer.

Zu sehr nach aussen ausgerichtet

Altersunabhängig werden die Rahmenbedingungen der Arbeit vermehrt als Belastung wahrgenommen und mindern die Attraktivität des Arbeitsfeldes. Doch während sich die Organisationen zu sehr oder ausschliesslich auf kund:innenorientierte Dienstleistungserbringung ausrichten, werden personalpolitische Entwicklungen bisweilen vernachlässigt. Die Folgen sind Fachkräftemangel, Fluktuation, wachsende Auftragskomplexität sowie Erschöpfung und psychische Erkrankungen bei Mitarbeitenden.

Wollen Organisationen des stationären Behindertenwesens attraktive Arbeitgebende sein und längerfristig auf dem Markt bestehen, müssen sie sich jetzt Strategien zurechtlegen, mit denen sie junge Fachpersonen für eine engagierte Mitarbeit nachhaltig begeistern können. Sie sollten funktions- und hierarchieübergreifende Interaktionsräume schaffen sowie Agilität entwickeln, sodass nachfolgende Generationen sich wahr- und ernstgenommen fühlen.

Masterarbeit «Soziale Arbeitswelt: Werte und Demografie im Wandel»

ZHAW-Absolventin Anita Weber war viele Jahre im stationären Behindertenwesen tätig und studierte Soziale Arbeit an der ZHAW. Für ihre Masterthesis hat sie sich mit der Herausforderung auseinandergesetzt, die auf Organisationen des Behindertenwesens zukommen werden, wenn auf dem Arbeitsmarkt der Generationenwechsel stattgefunden hat. Dieser Artikel basiert auf ihrer Masterarbeit, die von ZHAW-Dozent Konstantin Kehl begleitet wurde. Heute arbeitet Anita Weber als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik.