Digitalisierung fordert Lehrkräfte heraus
Schweizer Lehrkräfte erleben die Digitalisierung mehrheitlich als Chance, wie eine Studie der ZHAW und Swisscom zeigt. Die Vielseitigkeit digitaler Medien und die Förderung der Medienkompetenz sehen sie als grössten Vorteil. Unterstützung wünschen sie sich in technischen Belangen sowie bei didaktischen Fragen.
Lehrpersonen auf der Sekundarstufe stehen digitalen Medien generell positiv gegenüber und setzen sie im Unterricht häufig ein. 80 Prozent der Lehrkräfte finden digitale Formate attraktiv für die Unterrichtsgestaltung. 71 Prozent sind überzeugt, dass sie ihren Schülerinnen und Schülern damit nicht nur Schulstoff vermitteln, sondern auch deren Medienkompetenz fördern. Dies zeigt der aktuelle JAMESfocus-Bericht «Digitale Medien im Unterricht» der ZHAW-Fachgruppe Medienpsychologie und Swisscom. Für die Studie wurden über 100 Schweizer Lehrkräfte auf der Sekundarstufe zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht befragt.
Digital recherchieren und präsentieren
Die grosse Mehrheit der Lehrpersonen schätzt die technische Ausstattung an ihrer Schule als eher gut bis sehr gut ein. Computer- respektive Informatikräume sowie ein WLAN für Unterrichtszwecke gehören heute meist zur Grundausstattung. Rund drei Viertel der befragten Lehrkräfte verfügen über mobile Laptops oder Tablets für den Unterricht. In rund einem Fünftel der Schulen arbeiten Schülerinnen und Schüler ausschliesslich mit ihren eigenen Geräten (Bring your own device).
Fast alle Lehrpersonen nutzen das Internet häufig, um Informationen für den Unterricht zu recherchieren. In der Klasse wird von den Lehrkräften neben Computer und Laptop am häufigsten der Beamer als elektronisches Unterrichtsmittel eingesetzt. Beim Einsatz von digitalen und audiovisuellen Inhalten im Unterricht werden mit 61 Prozent am häufigsten Videoinhalte wie Fernsehsendungen oder Video-Clips verwendet. Digitale Texte wie Online-Artikel nutzt nur rund ein Drittel regelmässig. Rund die Hälfte der Lehrpersonen gibt ihren Schülerinnen und Schülern Hilfestellungen und Empfehlungen zum Umgang mit digitalen Medien und fördert somit «digitales Lernen». Dies erfolgt beispielsweise in Form von Tipps zur Recherche im Internet oder zu digitalen Lernmaterialien. Vereinzelt ist es für Aufgaben auch explizit nicht erlaubt, das Internet zu nutzen.
«Es ist wesentlich, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur lernen, wo sie welche Information im Netz finden können. Sie müssen auch ein Bewusstsein dafür entwickeln, wem diese Informationen gehören und wie sie diese verwenden dürfen»
Lilian Suter, Medienpsychologin
Vier Fünftel der Lehrpersonen geben an, dass Schülerinnen und Schüler mindestens ab und zu Inhalte aus dem Internet kopieren und als ihre eigenen ausgeben. Gemäss über einem Viertel kommt dies sehr häufig vor. «Es ist wesentlich, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur lernen, wo sie welche Information im Netz finden können. Sie müssen auch ein Bewusstsein dafür entwickeln, wem diese Informationen gehören und wie sie diese verwenden dürfen», sagt Medienpsychologin Lilian Suter von der ZHAW.
Grosse Chancen, aber auch Herausforderungen
Die befragten Lehrpersonen sehen eine Vielfalt an Chancen und Herausforderungen rund um das Lehrplanmodul «Medien und Informatik». Die grössten Chancen orten sie zum einen darin, dass digitale Medien vielseitig anwendbar sind und so bei Rechercheaufträgen oder Präsentationen genutzt werden können. Zum anderen werden mit digitalen Hilfsmitteln IT-, Recherche- sowie konkrete Anwendungskompetenzen gefördert und der verantwortungsvolle Umgang mit Medien erlernt. «Spätestens mit dem regelmässigen Einsatz digitaler Medien im Unterricht wird klar, dass eine kompetente Mediennutzung kein Nice-to-have mehr ist. Zugleich kommen nicht wenige Lehrpersonen dort an ihre Grenzen», sagt Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom.
Wie die Vermittlung solcher Kompetenzen an die Schülerinnen und Schüler konkret erfolgen soll, stellt für einige der befragten Lehrpersonen eine grosse Herausforderung dar. Sie befürchten, nicht über das nötige Know-how zu verfügen oder sich dieses nur schwer aneignen zu können. Auch das richtige Mass für den Einsatz der digitalen Medien ist für einige Lehrerinnen und Lehrer herausfordernd.
Das grösste Risiko orten die Lehrkräfte in der Gefahr der digitalen Ablenkung während des Unterrichts. 68 Prozent geben zudem an, dass Schülerinnen und Schüler nicht mehr verstehen, dass sie selber Wissen aufbauen müssen, wenn Informationen immer und überall abrufbar sind. Ebenso viele Lehrpersonen befürchten, dass die Jugendlichen Fakten und Fake-Informationen nicht mehr unterscheiden können. Wichtige Erkenntnisse und Tipps zu diesem Thema hat der letzte JAMESfocus-Bericht zum Thema Fake-News geliefert.
Mehr Unterstützung gefragt
Eine Mehrheit der befragten Lehrpersonen steht den digitalen Medien nicht nur positiv gegenüber, sondern ist im Umgang mit diesen auch geübt. Trotz dieser positiven Selbsteinschätzung wünschen sich beinahe alle, dass sich an der Schule jemand um die Technik kümmert und bei Problemen schnell hilft. Über die Hälfte der Befragten möchte bei der Anwendung digitaler Medien unterstützt werden. «Wünschenswert wären daher aktuelle Lehrmittel, die Lehrpersonen zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht und somit zur Vermittlung von Medienkompetenz animieren», sagt Lilian Suter.
Downloads und weitere Informationen:
Kontakt
ZHAW Departement Angewandte Psychologie, Tel. 058 934 83 18, E-Mail joy.bolli@zhaw.ch
Swisscom AG, Mediendienst, 3050 Bern, Tel. 058 221 98 04, E-Mail media@swisscom.com
JAMES-Studie und JAMESfocus-Bericht
Seit 2010 werden in der JAMES-Studie von der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Auftrag von Swisscom alle zwei Jahre über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem Medienverhalten befragt. Die JAMESfocus-Reihe nutzt die Daten der JAMES-Studie und analysiert vertieft weitere Aspekte. 2019 ist neben diesem Bericht bereits einer zum Thema «Fake News» erschienen. Der nächste Bericht nimmt das Thema «Mediennutzung und Gesundheit» in den Fokus.
Während die bisherigen JAMESfocus-Berichte auf Angaben der Jugendlichen aus der JAMES-Erhebung basierten, beruht der vorliegende Bericht auf einer zusätzlichen Befragung von insgesamt 105 Lehrpersonen. Diese unterrichten auf der Sekundarstufe und somit jene Altersgruppen, die bei der JAMES-Studie im Fokus stehen. Die Stichprobe ist aufgrund ihrer Grösse und Struktur nicht repräsentativ für alle Schweizer Lehrpersonen.