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Extremismus unter Jugendlichen: Ideologie ist verbreiteter als Gewaltbereitschaft

Jugendliche in der Schweiz stimmen eher Ideologien von Extremismus zu, als dass sie extremistische Gewalt befürworten. Dies zeigt eine Studie der ZHAW und der HETS-FR. Linksextremismus ist mit 7 Prozent etwas verbreiteter als Rechtsextremismus. Islamistisch eingestellt sind nur 2,7 Prozent der muslimischen Jugendlichen.

Die Zustimmung zu den ideologischen Zielen von Extremismus ist bei Jugendlichen in der Schweiz stärker ausgeprägt als die Befürwortung von Gewalt. Zudem variiert die Zustimmung zu Extremismus je nach Geschlecht, Schultyp und sozialem Status: Männliche Jugendliche, Berufsschüler oder sozial schwächere Jugendliche sind eher davon betroffen. Die ZHAW hat zusammen mit der Haute École de Travail Social Fribourg HETS-FR eine schweizweite Befragung zur Verbreitung von Rechtsextremismus, Linksextremismus und islamistischem Extremismus durchgeführt. Dabei wurden 2017 über 8000 Jugendliche im Alter von 17 bis 18 Jahren in zehn Kantonen befragt. Unter politischem Extremismus wurden Einstellungen und Verhalten verstanden, die den demokratischen Verfassungsstaat ablehnen und diesen mit Gewalt überwinden wollen. «Insgesamt zeigt sich, dass der Linksextremismus etwas verbreiteter ist als der Rechtsextremismus», sagt ZHAW-Forscher und Studienleiter Patrik Manzoni.

Mehr Links- als Rechtsextremismus

5,9 Prozent der befragten Jugendlichen ohne Migrationshintergrund sind rechtsextrem eingestellt. Bei den einzelnen Einstellungsmerkmalen von Rechtsextremismus gibt es jedoch grosse Unterschiede: Während ein Viertel der Schweizer Jugendlichen (25,1 Prozent) ohne Migrationshintergrund ausländerfeindlich und ein Fünftel (21,1 Prozent) nationalistisch eingestellt sind, befürworten gerade mal 4,8 Prozent Gewalt gegen Ausländer und 5,4 Prozent eine Diktatur. Rechtsextremes Gewaltverhalten zeigten 2,6 Prozent der Befragten in den letzten zwölf Monaten – erfasst wurde physische Gewalt oder Sachbeschädigung gegen Ausländer und Linksextreme.

Linksextrem eingestellt sind 7,0 Prozent aller Befragten. Die Zustimmung zu Extremismus-Merkmalen geht dabei noch stärker auseinander als beim Rechtsextremismus: So sind knapp die Hälfte (47,1 Prozent) der Jugendlichen kapitalismusfeindlich und 21,7 Prozent feindlich gegenüber Polizei und Staat eingestellt. Kommunismus befürworten aber nur 5,6 Prozent und Gewalt gegen Polizisten 8,1 Prozent. Gewalttätiges Verhalten haben 4,4 Prozent der Befragten in den zurückliegenden zwölf Monaten gezeigt. Als Gewalt wurde kapitalismusfeindliche Sachbeschädigungen, Angriffe auf Polizisten und physische Gewalt/Sachbeschädigung gegen Rechtsextreme erfasst.

Schweizerfeindlichkeit ist gering

Als islamistisch extrem eingestellt gelten 2,7 Prozent der befragten muslimischen Jugendlichen. Auch beim islamistischen Extremismus zeigt sich, dass einzelne Zustimmungswerte variieren. So ist knapp die Hälfte (43,0 Prozent) der muslimischen Jugendlichen abwertend gegenüber westlichen Gesellschaften eingestellt. «Denn aus ihrer Sicht werden Muslime durch den Westen unterdrückt und die Ausbeutung durch die westliche Welt ist in ihren Augen verantwortlich für Gewalt und Krieg in den islamischen Ländern», so ZHAW-Forscher Dirk Baier, Co-Leiter der Studie. Zudem sind 28,8 Prozent feindlich gegenüber nicht-traditionellen Musliminnen und Muslimen. Eine Schweizerfeindlichkeit zeigen dagegen nur 3,7 Prozent der muslimischen Befragten, eine Gewaltbereitschaft gegenüber nichttraditionellen Muslimen 5,1 Prozent.

Extremismus variiert nach Schultyp

Bei allen Extremismusformen sind männliche Jugendliche häufiger vertreten als weibliche. Einerseits weisen männliche Jugendliche eine deutlich höhere Gewaltbefürwortung auf, die zum Kern des Extremismus gehört. Anderseits stimmen sie auch den anderen Einstellungsdimensionen häufiger zu, wobei dies beim Linksextremismus und islamistischem Extremismus schwächer ausfällt. Auch unterscheiden sich alle Extremismusformen bezüglich Schultyp: Schülerinnen und Schüler aus Berufsschulen oder Schulen der Übergangsausbildung befürworten eher Extremismus als solche der Fachmittelschule, der Berufsmaturität oder aus Gymnasien. Beim Linksextremismus sind die Unterschiede etwas weniger ausgeprägt als beim Rechtsextremismus. Ein geringerer sozialer Status – sichtbar gemacht über die Abhängigkeit von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe – erhöht die Zustimmung zu extremistischen Einstellungen. Dieser Effekt ist jedoch wie bei der regionalen Zugehörigkeit nicht besonders stark: Zwar ist im ländlichen Raum die Zustimmung zum Rechtsextremismus etwas höher, und im städtischen Raum zum Linksextremismus sowie zum islamistischen Extremismus, aber die Unterschiede sind nicht sehr ausgeprägt.

Kontakt

  • Prof. Dr. Dirk Baier, Institut für Delinquenz und Kriminalprävention, ZHAW, Telefon 058 934 89 04, E-Mail dirk.baier@zhaw.ch
  • Dr. Patrik Manzoni, Institut für Delinquenz und Kriminalprävention, ZHAW, Telefon 058 934 88 71, E-Mail patrik.manzoni@zhaw.ch
  • Prof. Dr. Sandrine Haymoz, Haute École de Travail Social Fribourg, HETS-FR, Telefon 026 429 62 55, E-Mail sandrine.haymoz@hefr.ch
  • ZHAW Corporate Communications, Telefon 058 934 75 75, medien@zhaw.ch