Wie Photovoltaikanlagen zur Spannungsregelung beitragen
Photovoltaik ist eine der wichtigsten Technologien für die erneuerbare Energieversorgung. Neben sauberem Strom bringt sie aber Spannungsschwankungen im Stromnetz mit sich. Im Auftrag des Bundesamtes für Energie haben ZHAW-Forschende aufgezeigt, wie dieses Problem bereits an seinem Ursprung gelöst werden kann.
Forschende des ZHAW-Instituts für Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE) haben untersucht, wie der Ausbau der Photovoltaik Niederspannungsnetze beeinflusst und welche Massnahmen gegen Spannungsschwankungen ergriffen werden können. Eine optimale Messumgebung bot sich den Forschenden auf deutschem Boden: Das Dorf Dettighofen nahe Schaffhausen deckt rund 45 Prozent seines Energiebedarfs mit Photovoltaikanlagen. Dadurch eignet es sich ideal, um Schwankungen in der Netzspannung zu untersuchen. Bereits 2014 führte der IEFE-Forscher Fabian Carigiet erste Messungen vor Ort durch. Das Resultat: «Wir haben schon damals Spannungsprobleme festgestellt. Daraufhin wurde in den Jahren 2015 und 2016 das CEVSol-Projekt gestartet.»
Der Spannung sind Grenzen gesetzt
In den europäischen Steckdosen weist der Strom eine Spannung von rund 230 Volt auf. Je nach Stromproduktion und -verbrauch kann dieser Wert schwanken. Die Abweichungen dürfen zehn Prozent – sowohl nach oben als auch nach unten – allerdings nicht überschreiten. Im Niederspannungsnetz von Dettighofen stieg die Spannung während der Projektphase um bis zu sieben Prozent an. «Dieser Wert liegt noch im Rahmen, sofern es im Mittelspannungsnetz nicht zu einer zusätzlichen Spannungserhöhung kommt», ordnet Fabian Carigiet ein. Im CEVSol-Projekt des Bundesamtes für Energie (BFE) analysierten die Forschenden deshalb sechs Netzgebiete auf der Suche nach technisch geeigneten und kostengünstigen Massnahmen. «Es gibt keine einheitliche Lösung für alle Fälle. Je nach Netzgebiet sind unterschiedliche Lösungen oder sogar Kombinationen verschiedener Massnahmen gefordert», erklärt Fabian Carigiet das Vorgehen.
«Photovoltaikanlagen können zu Überschreitungen der Spannungsgrenzen führen, aber sie bieten mit ihren Wechselrichtern zugleich das Mittel, um dieses Problem zu lösen oder zumindest zu entschärfen; diese Chance sollten wir nutzen.»
Franz Baumgartner, Leiter Forschungsgruppe Photovoltaik
Ein klarer Favorit und vielversprechende Resultate
Die IEFE-Forschenden empfehlen, die Spannung schon bei der Einspeisung aus den Photovoltaikanlagen zu regeln. Denn jede dieser Anlagen verfügt über einen Wechselrichter. Dieser wandelt den Gleichstrom aus den Photovoltaik-Modulen in Wechselstrom, der sich ins Netz einspeisen lässt. Die Wechselrichter können aber mehr als das: Durch die Regelung von Wirk- und Blindleistung (siehe Infobox) sind sie in der Lage, die Spannungsschwankungen zu reduzieren. Als Leiter der IEFE-Forschungsgruppe Photovoltaik spricht sich Franz Baumgartner klar für diese Methode aus: «Photovoltaikanlagen können zu Überschreitungen der Spannungsgrenzen führen, aber sie bieten mit ihren Wechselrichtern zugleich das Mittel, um dieses Problem zu lösen oder zumindest zu entschärfen; diese Chance sollten wir nutzen.»
Spannungshaltung durch Wirk- und Blindleistungsregelung
Unter der Wirkleistung versteht man diejenige Leistung, die nutzbar ist. Blindleistung ist vom Verbraucher nicht nutzbar und damit grundsätzlich unerwünscht, denn sie strapaziert das Netz zusätzlich, ohne einen Mehrwert zu liefern.
Zur Spannungsregelung kann Blindleistung nützlich sein. Durch die Regelung der Blindleistung (reaktive Leistungsregelung) kann die Spannung im Netz reduziert werden, ohne dass die Einspeiseleistung der Photovoltaikanlage vermindert wird. Reguliert man allerdings die Wirkleistung (aktive Leistungsregelung), speist die Photovoltaikanlage unweigerlich weniger Strom ins Netz ein.
Die Messungen, welche die IEFE-Forschenden in Dettighofen gemacht haben, zeigen die Effektivität der Methode eindeutig auf: Regelt man die Blindleistung bei der Einspeisung, können die Spannungsschwankungen von sieben auf knapp vier Prozent gesenkt werden. Wird zusätzlich auch die Wirkleistung der Photovoltaikanlagen geregelt, gehen die Schwankungen kaum mehr über drei Prozent hinaus.
Spannungsschwankungen im Niederspannungsnetz
Ein Ausbau der Photovoltaik kann also gelingen, ohne die Netzspannung zu gefährden. Das Schweizer Vorbild ist in diesem Zusammenhang Österreich: Dort wird bereits heute jeder zweite Wechselrichter so programmiert, dass er für die Regelung von Wirk- und Blindleistung eingesetzt werden kann. Setzt man diese Lösung auch in der Schweiz gewinnbringend ein, ist es möglich, lokale Spannungserhöhungen kostengünstig zu reduzieren und je nach Situation auch mehr Solarstrom ins Niederspannungsnetz einzuspeisen.
Mehr Informationen und Animationen zum CEVSol-Projekt
Alle Informationen zum abgeschlossenen CEVSol-Projekt sind im Abschlussbericht des Bundesamtes für Energie zu finden.
Dr. Benedikt Vogel hat im Auftrag des Bundesamtes für Energie einen Fachartikel über das CEVSol-Projekt verfasst. Er steht hier zum Download bereit.(PDF 3,3 MB)
Zu den Spannungsschwankungen im Niederspannungsnetz von Dettighofen stellt das IEFE drei mp4-Animationen zur Verfügung:
- Szenario 1: Spannungsschwankungen ohne Leistungsregulierung bei der Stromeinspeisung
- Szenario 2: Spannungsschwankungen mit Blindleistungsregulierung
- Szenario 3: Spannungsschwankungen mit Blind- und Wirkleistungsregelung
Alle drei Szenarien gibt es hier als mp4-Dateien zum Download.