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Frauen ernähren sich nachhaltiger, Ältere verschwenden weniger Nahrungsmittel

Wie viel Foodwaste entsteht in Schweizer Haushalten? Wie nachhaltig kochen Schweizer:innen und welche Unterschiede gibt es zwischen Geschlechtern und Generationen? Diese und mehr Fragen beantwortet die repräsentative Studie «So kocht die Schweiz» der ZHAW School of Management and Law in Kooperation mit der Koch-App V-Kitchen.ch.

Bereits zum dritten Mal führte das Team von V-Kitchen, der nachhaltigen Koch-App, in Kooperation mit dem Sustainability Lab des Instituts für Marketing Management der ZHAW die repräsentative Studie «So kocht die Schweiz» durch.
1 000 Privatpersonen in der Deutschschweiz wurden zu ihrem Koch- und Einkaufsverhalten befragt. Die Studie vermittelt ein umfassendes Bild der Schweizer Konsument:innen in Bezug auf ihr Verhalten in den Themen Nachhaltigkeit, Food Waste und ihre bevorzugte Küche. Einige Erkenntnisse auf einen Blick:

  • Schweizer:innen wissen nicht, was Food Waste ist.
  • Die Diskrepanz zwischen der Absicht, weniger Lebensmittel zu verschwenden, und dem tatsächlichen Verhalten ist gross.
  • Ein Mindesthaltbarkeitsdatum verleitet, geniessbare Lebensmittel zu entsorgen.
  • Junge Menschen verstehen unter Nachhaltigkeit Fleischverzicht und Bio-Lebensmittel während für Ältere Regionalität und Saisonalität im Vordergrund stehen.
  • Frauen nehmen Vorbildrolle in nachhaltiger Ernährung ein.
  • Grösster Hebel für Nachhaltigkeit in der Küche liegt in der Reduktion des Fleischkonsums. Andere Massnahmen fallen leichter, verfehlen aber die Wirkung.

Fleischkonsum: Umdenken findet statt – wenn auch sehr langsam

Bei der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung kommt weiterhin regelmässig Fleisch auf den Teller. Mehr als zwei Drittel bezeichnen sich als «Alles-Esser» und konsumieren gewohnheitsmässig Fleischgerichte. «Wer sich nachhaltig ernähren will, muss seinen Fleischkonsum stark einschränken, wenn nicht sogar komplett auf Fleisch verzichten», erklärt Pia Furchheim, Co-Leiterin des Sustainability Labs der ZHAW. Das Problem sei, dass Fleisch derzeit noch stark in der Schweizer Küche verwurzelt ist. Es durch Ersatzprodukte auszutauschen beziehungsweise komplett auf fleischlose Gerichte umzusteigen, falle häufig schwer, so die Konsumentenforscherin. Fleisch müsse wieder etwas Besonderes werden. «Aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit ist es unverzichtbar, Fleisch einen anderen Stellenwert im wöchentlichen Speiseplan zu geben. Wir sehen bereits in der Gastronomie viele neue Ansätze für einen achtsamen und bewussten Umgang mit Fleisch. Beispielsweise gibt es Nose-to-Tail-Restaurants, welche darauf ausgerichtet sind, ein Tier komplett zu verwerten und nicht nur die Filet-Stücke anzubieten», so die Wissenschaftlerin.

Auch in den eigenen vier Wänden findet ein Umdenken statt, wenn auch sehr langsam, wie die Studie zeigt: So ist im letzten Jahr die Zahl der Flexitarier:innen, also jener Personen, die ihren Fleischkonsum bewusst reduzieren, um 5% gestiegen. Unter Frauen und jüngeren Personen ist der Anteil derjenigen, die sich flexitarisch, vegetarisch oder vegan ernähren, höher. Jüngere Personen legen öfter fleischlose Tage ein als ältere. Dennoch bleiben die Fleischesser deutlich in der Mehrheit: Lediglich 6.5% der Befragten ernähren sich fleischlos. «In unserer Gesellschaft wird vegetarische oder vegane Ernährung oftmals mit Verzicht gleichgesetzt. Dabei gibt es eine Vielzahl an Rezepten, die für höchsten Genuss und kulinarische Erfüllung sorgen», erklärt Roman Bleichenbacher, Leiter von V-Kitchen.ch.

Regional und saisonal schlägt Bio

Befragt man die Schweizer:innen, was ihnen beim Kochen besonders wichtig ist, so wiederholt sich folgendes Bild vom letzten Jahr: Das Essen soll in erster Linie schmecken, frisch und gesund sein. Die Verwendung von regionalen und saisonalen Zutaten ist den Befragten deutlich wichtiger als die biologische Herkunft der Lebensmittel.

Bei der Planung kristallisieren sich unterschiedliche «Meal-Prep-Typen» in den verschiedenen Altersgruppen heraus. Während die über 50-Jährigen genau die Menge kochen, die sie essen, kochen die 30-50-Jährigen vor, sodass noch etwas für den nächsten Tag übrigbleibt. Insbesondere junge Menschen kochen ganze Gerichte - eher als einzelne Komponenten - vor, um diese am nächsten Tag zur Arbeit mitzunehmen oder im Homeoffice zu verspeisen. Allerdings verschwenden sie auch die meisten Lebensmittel.

Ratlosigkeit herrscht darüber, was Food Waste ist

Auffällig ist, dass einem Grossteil der Befragten nicht bewusst ist, was Food Waste eigentlich bedeutet. Weniger als die Hälfte der Befragten zählen verdorbene Lebensmittel, die entsorgt werden oder Lebensmittel, die kompostiert werden, zu Food Waste. Bei Lebensmitteln, die an Tiere verfüttert werden, sind sogar nur ein Fünftel der Befragten der Meinung, es handle sich um Nahrungsmittelverschwendung. «Dass die Befragten so vieles nicht als Food Waste werten, finde ich besonders spannend. Ich vermute, dies könnte eine Strategie sein, um mit der kognitiven Dissonanz zwischen Verhaltensabsicht – ich möchte keine Nahrungsmittel verschwenden – und dem tatsächlichen Verhalten – es wird dann eben doch mal etwas weggeworfen – umzugehen. Dieser innere Konflikt wird dann dadurch aufgelöst, dass man die eigenen Lebensmittelabfälle nicht zum Food Waste zählt», erklärt Corina Lösch, Studienleiterin, ZHAW.

Zwei Drittel der Befragten gaben an, essbare Rüstabfälle gelegentlich oder häufig zu entsorgen. Unverarbeitetes Gemüse und Früchte, Essensreste von zubereiteten Speisen und Brot landen bei über einem Fünftel gelegentlich oder häufig im Abfall. Fertiggerichte und Getränke werden am seltensten weggeworfen. Je älter die Befragten, desto weniger Food Waste entsteht tendenziell.

Doch wo entsteht Food Waste?

Food Waste entsteht am häufigsten, weil frische Lebensmittel verderben. Ein Mindesthaltbarkeitsdatum ist der zweithäufigste Grund, warum die Befragten Lebensmittel entsorgen. Reste von gekochten Gerichten scheinen in den meisten Haushalten aufgehoben, dann aber dann doch nicht immer vor dem Verderb gegessen zu werden. Ihrer Planung geben die wenigsten Befragten die Schuld für den Food Waste. «Es gibt recht einfache Massnahmen, um Food Waste zu reduzieren, beispielsweise eine Wochenplanung beim Einkaufen. Rüstabfälle lassen sich zum Beispiel gut einfrieren und später zu einer Gemüsebouillon verarbeiten. Gemüse lässt sich oftmals wiederbeleben bzw. sorgt die richtige Lagerung dafür, dass es länger frisch bleibt. Wenn beim Kochen nach Rezept etwas übrigbleibt, bieten unsere Food Blogger kreative und köstliche Ideen zur Verarbeitung von Resten», erklärt Roman Bleichenbacher. Die Koch-App V-Kitchen.ch steuert der Nahrungsmittelverschwendung u.a. mit gezielter Zutatensuche, genussvollen Rezepten für Reste-Freitag und Menüplänen entgegen.  

Nachhaltigkeit: Den Worten folgen nur teilweise Taten

Nachhaltigkeit beim Kochen ist den meisten Befragten eher oder sogar sehr wichtig. Es zeichnet sich ab, dass die ältere und die jüngere Generation einen unterschiedlichen Begriff von Nachhaltigkeit haben: Die älteren Personen setzen Nachhaltigkeit in der Küche mit Saisonalität und Regionalität gleich. Die konsequente Verarbeitung von saisonalen und regionalen Zutaten gelingt jedoch nur 10%. Die jüngeren Befragten verstehen Fleischverzicht und den Konsum von Bio-Lebensmitteln unter nachhaltigem Kochen.

Zwei Drittel der Befragten fühlen sich grundsätzlich gut informiert zum Thema Nachhaltigkeit, dennoch wünscht die Mehrheit Tipps zum nachhaltigen Kochen. Abfalltrennung zählen die Befragten interessanterweise auch zum nachhaltigen Kochen. 90% der Befragten trennen diszipliniert ihren Abfall.

«Der Fleischkonsum könnte eine Generationenfrage sein, was bedeuten würde, dass dieser über die Zeit weniger wird. Was heisst das für die Schweizer Küche? Muss sie sich neu erfinden? Wir werden das beobachten und weiterhin mit nachhaltigen Rezepten, Wochen-Planungstools und vegetarischen und veganen Alternativen dienlich sein», schliesst Roman Bleichenbacher.

Weitere Erkenntnisse aus der Studie:

  • Die Schweizer Bevölkerung liebt die italienische Küche – sogar mehr als die eigene: Unabhängig von Alter, von Geschlecht und davon, ob es sich um rein schweizerische Haushalte oder multi- bzw. internationale Haushalte handelt: Die Schweizer Bevölkerung hat einen einheitlichen Gusto, wenn es um ihre Lieblingsküche geht. Die italienische Küche zählt bei über 80% der Befragten zu den drei Favoriten. Die «Cucina Italiana» ist damit sogar noch beliebter als die schweizerische Küche (73%). Ebenfalls hoch im Kurs stehen die thailändische, die österreichische und die deutsche Küche, wobei in Bezug auf die Lieblingsküche deutliche Altersunterschiede erkennbar sind: Bei älteren Personen sind die schweizerische und österreichische Küche besonders beliebt. Bei den Jüngeren munden auch Gerichte aus den USA, Japan und Mexiko.
  • Gekocht wird abends: Wenn es um das tägliche Kochen geht, dann kommen weiterhin regelmässig Schweizer Gerichte auf den Tisch.  Am häufigsten wird am Abend schweizerisch gekocht, und zwar an durchschnittlich 2.6 Tagen. Auch die kalte Schweizer Küche erfreut sich grosser Beliebtheit. Am seltensten werden kalte internationale Gerichte wie Mezze oder Sushi serviert. Je jünger die Befragten, desto häufiger werden internationale Gerichte zubereitet. «Personen unter 40 scheinen deutlich vertrauter zu sein mit der internationalen Küche. Bei ihnen gibt es im Schnitt an zwei bis drei Tagen internationale Gerichte, während bei den über 60-jährigen durchschnittlich an einem Tag pro Woche ein internationales Gericht zubereitet wird», erklärt Studienleiterin Corina Lösch. Mit der Zubereitung internationaler Gerichte sind oftmals importierte Zutaten verbunden. Welchen Impact das auf die Nachhaltigkeit des Kochens hat, werden künftige Studien zeigen.