5. Symposium Akutstationäre Physiotherapie – Ausgebucht!
«Therapie im Wandel: Halb so lang, doppelt so effizient?». Dies war das Tagungsthema am ausgebuchten Symposium Akutstationäre Physiotherapie, welches das ZHAW Institut für Physiotherapie in Kooperation mit dem Kantonsspital St. Gallen und der IGPTR-A in St. Gallen durchgeführte.
Das Symposium Akutstationäre Physiotherapie ist das externe Symposium, welches jeweils an einem anderen Ort stattfindet und Tradition besitzt. Nach Winterthur, Bern, Basel und nochmals Winterthur folgte am 19. Januar 2024 die 5. Durchführung in St. Gallen. Thematisch stand jeweils der Wandel, Kompetenzen von morgen, Entwicklungen und die Interprofessionalität im Kontext der Therapie im Fokus. In diesem Jahr erhielten die Teilnehmenden Denkanstösse, wie Physiotherapeut:innen in der kurzen, ihnen zur Verfügung stehenden Therapiezeit, Behandlungen effizienter gestalten können und welche Aspekte hier eine Rolle spielen. Umrahmt wurde das Symposium von einer Posterausstellung mit Posterpreis und einer Industrieausstellung.
Trends im New Health Care Management
Im ersten Referat sprach Dr. Florian Liberatore über Trends und Bedeutungen im New Health Care Management und dessen Impact auf die Physiotherapie. Anhand eindrucksvoller Beispiele zeigte er auf, wie Spitalstrukturen orientiert am Patient Value sich von ihren starren Strukturen lösen und mit der Nutzung von PROMs (Patient Reported Outcome Measures) die klinische Entscheidungsfindung beeinflussen können. Ein möglicher Effekt hiervon könnte sein: weniger Overuse und mehr konservative Behandlungen. Dies kann langfristig zu reduzierten Kosten führen. Um dem Thema «halb so lang, doppelt so effizient» gerecht zu werden, schlägt das New Health Care Management ein zentrales Kapazitätsmanagement-System vor. Dies bedeutet es ist alles unter einem Dach organisiert: OP-Planung, Schichtplanung, Bettenplanung, Sprechstundenplanung und Therapieplanung. Zudem eine Ressourcenflexibilisierung, die sich in einem Personaltool mit flexiblen Strukturen umsetzen liesse. Mittelfristig sollte sich ein Spital im New Health Care Management an Behandlungspfaden ausrichten. Das heisst, dass ein sogenanntes Interprofessionelles Care Team für eine bestimmte Patientengruppe mit dem entsprechenden klinischen Behandlungspfad zuständig ist.
Gesundheit – gemeinsam – gestalten
Wenn Therapeut:innen Patient:innen behandeln, sind sie mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert: (1) Verantwortungen und Erwartungen klären, (2) effizientes Zeitmanagement: in kurzer Zeit viel erreichen, (3) Patient:innen für die Therapie und gesundheitsorientiertes Verhalten motivieren. Der Ansatz des Motivational Interviewing, den Prof. Dr. Messner in seinem Referat «Mit Motivational Interviewing zu einer patientenzentrierten Therapie und Versorgung» vorstellte, ist ein weltweiter führender Gesprächsführungsansatz zur Unterstützung von Änderungsprozessen. Die Grundhaltung des Ansatzes sind Partnerschaftlichkeit, Akzeptanz, Selbstbefähigung und Anteilnahme. Zu den Basistechniken gehören beispielsweise das Zuhören, aber auch mehr offene als geschlossen Fragen zu stellen oder weniger zu reden als der/die Patient:in. Dinge, wofür sich Therapeut:innen die Zeit nehmen sollten, um scheinbar unlösbare Probleme lösbar zu machen und Verwirrungen aufzulösen.
Motorisch-Kognitive Trainingsformen im Akutspital
Mit Therapie im Wandel beschäftigte sich Prof. Dr. Eling D. de Bruin in seinem Referat: Wohin wird sich der Schwerpunkt der akutstationären Therapie verschieben und welche Therapieansätze sind dann effizient und nachhaltig? Mit der demographischen Entwicklung ist zu erwarten, dass noch mehr ältere Patient:innen in den Spitälern «Alltag» werden. Schon heute sind fast die Hälfte aller Spitalpatient:innen über 65 Jahre alt und 40% von ihnen weisen kognitive Beeinträchtigungen auf. In diesem Zusammenhang wird das Thema der Frailty (Gebrechlichkeit) prägnant. Dem können Physiotherapeut:innen mit sogenanntem Doppelaufgabentraining begegnen. Dabei werden kognitive und motorische Aufgaben zu einem Dual Task Training kombiniert. Dies kann in der Praxis unterschiedlich umgesetzt werden: wie zum Beispiel gehen mit einer zusätzlichen Aufgabe oder mit Anwendung von Technologien wie beispielsweise Virtual Realty oder Exergaming.
Interprofessionelles Management der Nicht-invasiven Ventilation (NIV)
Am Beispiel des Universitätsspital Lausanne zeigte Marius Hennemann in seinem Referat auf, wie und bei welchen Indikationen die Nicht-invasive Ventilation eingesetzt wird. Im Vordergrund steht hierbei das Zusammenspiel verschiedener Professionen, die zu einer bestmöglichen und effizienten Behandlung der Patient:innen führt. So ist die Rolle der Physiotherapie zu Beginn an vertreten, im Notfall und auch im Schockraum. Die Therapeut:innen erhalten so ein umfassendes Bild der Patient:innen und können frühzeitig mitagieren. Ziel ist es, mit der NIV früh zu beginnen, um die Therapieeffizienz zu steigern.
Schlafen im Akutspital
Schlaf ist relevant für die Erholung und Regeneration, aber auch für den Genesungs- und Wundheilungsprozess und fördert eine adäquate Immunantwort. Umso wichtiger ist es, dass Patient:innen im Akutspital in einen gesunden Schlaf finden. Diesem Thema widmete sich Melanie Manser in ihrem Referat. Der Schlaf wird im Spitalsetting durch unterschiedliche Faktoren gestört: Lärm und Licht/Beleuchtung, aber auch Stress/Angst/Schmerzen, Bettlägerigkeit sowie Medikamenten. Das führt dazu, dass Patient:innen im Spital mehr Wachphasen, weniger Tiefschlaf- und REM-Schlafphasen und eine reduzierte Gesamtschlafzeit von bis zu eineinhalb Stunden haben. Melanie Manser zeigte in ihrem Referat Massnahmen zur Verbesserung des Schlafs auf. Diese umfassen unter anderem Lärm- und Lichtreduktion, Lagerungen der Patient:innen, Schlafrituale, Aromatherapie, die Förderung des zirkadianen Rhythmus und die Schmerzreduktion.
Parallelveranstaltungen
In den Parallelveranstaltungen am Nachmittag wurden die Themen Motorisch-Kognitive Trainingsformen und Interprofessionelles Management der Ventilation anhand von praktischen Beispielen vertieft. In einer dritten Parallelveranstaltung, dem Technowalk, konnten die Teilnehmenden aktuelle und innovative Technologien der Sponsoren kennen lernen, diese ausprobieren sowie den Therapienutzen und die Einsatzbereiche erfahren.
Posterpreis
Begleitend zum Symposium fand eine Posterausstellung statt. Die Teilnehmenden wählten das beste Poster und kürten Agnes Betschart vom Universitätsspital Zürich mit ihrem Beitrag: «Standardisierte Austrittsplanung bei Patienten mit Herzinsuffizienz». Der Posterpreis in Höhe von CHF 500.- wurde von der Präsidentin der IGPTR-A Christine Meier Zürcher überreicht.