Biomechanik ist eine der wissenschaftlichen Grundlagen der Physiotherapie. Nutzer:innen-zentrierte und interdisziplinäre Ansätze etablieren sich immer stärker in der physiotherapeutischen Forschung. Doch diese Themen schliessen sich gegenseitig nicht aus. In ihrer Antrittsvorlesung präsentiert Eveline Graf Aspekte, wie ein spezifisches Markermodell für Erfassung der Kinematik des Mittelfusses das Verständnis für die Bewegung in diesem Körperteil fördert und das biomimetische Design von Schuhen erlaubt. Anhand der Projekte XoSoft und ExerUP! zeigt sie auf, wie unterschiedliche methodische Ansätze vereint werden können. So können sowohl objektive, biomechanische Parameter als auch die Bedürfnisse der Anwender:innen in die Entwicklung von Technologien einfliessen. Dieser interdisziplinäre Ansatz erfordert die Kooperation mit verschiedenen Fachbereichen, erlaubt aber eine praxisnahe und relevante Forschungs- und Entwicklungsarbeit.

Prof. Dr. Eveline Graf ist seit 2014 an der ZHAW in der Physiotherapieforschung sowie als Dozentin in Bachelor- und Masterstudiengängen tätig, seit 2021 leitet sie das Bewegungslabor des Instituts für Physiotherapie. Der Professor:innentitel wurde ihr für das Forschungs- und Lehrgebiet «Bewegungsanalyse und Biomechanik» verliehen. Nach Abschluss ihres Master of Science in Bewegungswissenschaften an der ETH Zürich wechselte Eveline Graf an die University of Calgary, Kanada, für ein Doktorat in Biomechanik. Unter Prof. Dr. Darren Stefanyshyn erforschte sie die Biomechanik des Fusses und den Einfluss von Sportschuhen auf Verletzungen und die Leistungsfähigkeit bei Athlet:innen. Nach dem Abschluss forschte Eveline Graf im Rahmen eines Postdoctoral Fellowships an der Harvard Medical School und Spaulding Rehabilitation in Boston, USA. Der Wechsel an die ZHAW erlaubte ihr die Anwendung der Bewegungsanalyse und Biomechanik für physiotherapie-spezifische Fragestellungen, unter anderem bei der Entwicklung neuer Technologien für die Rehabilitation. Im Jahr 2021 hat sie das Zertifikat der UXQB in Usability und User Experience erlangt, da ihr Fokus auf der Nutzer:innen-zentrierten Entwicklung von Technologien liegt. Zur Förderung dieses Anliegens hat Eveline Graf das ZHAW Kompetenzzentrum für Technologien in der Gesundheitsversorgung GEKONT mitaufgebaut und leitet dies gemeinsam mit Kolleg:innen aus anderen Departementen.

Wer kennt sie nicht: Rückenschmerzen! Sie sind die häufigste Form von Schmerzen im Bewegungssystem. Obwohl solche Schmerzen biologische, soziale und psychologische Komponenten beinhalten, wird die Ursache chronischer Rückenschmerzen meistens in Läsionen muskuloskelettaler Strukturen vermutet. Hier setzen auch die meisten Therapien an. Die Hirnforschung dagegen zeigt immer deutlicher, dass das Gehirn an der Chronifizierung zumindest beteiligt ist. Bevor wir eine Bewegung ausführen, ist unser Gehirn auf Sinneseindrücke aus der Umwelt und Informationen des Körpers angewiesen. Diese Informationen werden sekundenschnell analysiert, interpretiert und ein Verhalten ausgelöst, das von einfachen bis zu hochkomplexen Bewegungsabläufen reicht. Schmerzen können diese Abfolge auf verschiedenen Ebenen beeinflussen, um den Körper vor weiteren Schmerzen zu schützen. Dies führt nachweislich zu einer Reorganisation in verschiedenen Hirnarealen. Der Schmerz brennt sich in einem fehlgeleiteten Lernprozess ein, je stärker das Gehirn emotional auf Schmerzen reagiert. Diese Mechanismen zu erkennen kann langfristig zu verbesserten Therapieansätzen führen.

Prof. Dr. Sabina Hotz Boendermaker ist seit 2016 als Dozentin und Forscherin an der ZHAW tätig. Der Professor:innentitel wurde ihr für das Forschungs- und Lehrgebiet «Management of Pain» verliehen. Neben ihrer klinischen Tätigkeit als Physiotherapeutin hat Sabina Hotz Boendermaker ein Psychologiestudium an der Universität Zürich absolviert. Im Studium entdeckte sie ihre Faszination für die Wissenschaft und promovierte 2006 in den Neurowissenschaften. In diesem Zusammenhang führte sie an der Uniklinik Balgrist verschiedene neurowissenschaftliche Forschungsprojekte bei Personen mit Querschnittlähmung durch. Nach der Ausbildung in Schmerzpsychotherapie fokussierte sich Sabina Hotz Boendermaker auf die Schmerzforschung. In ihren Forschungsprojekten an der ZHAW verbindet sie die Fachgebiete Physiotherapie, Schmerzpsychologie und Neurowissenschaften. Diese Kombination erlaubt es, neuartige und klinisch relevante Paradigmen zu entwickeln. Neben dem Reiz, neue Wege zu gehen, ist es Sabina Hotz Boendermaker ein grosses Anliegen, wissenschaftliche Ergebnisse in die klinische Praxis umzusetzen, um die Professionalisierung der Physiotherapie und verwandter Gesundheitsberufe nachhaltig zu fördern. Als Dozentin vermittelt sie den Studierenden ihre Leidenschaft für die Forschung und das Schmerzmanagement.