Ergotherapie hilft gegen Apathie von Demenzkranken
In ihrer Doktorarbeit untersuchte Yvonne Treusch die Behandlung von Demenzkranken in Berliner Pflegeheimen. Dabei stellte sie insbesondere bei Bewohnern, die von Apathie betroffen sind, Handlungsbedarf fest. Mit einem ergotherapeutischen Ansatz aus Biografiearbeit und Mobilisation machte sie gute Erfahrungen.
Frau Huber liegt mit versteinerter Miene in ihrem Bett. Auf Ansprache des Pflegepersonals reagiert sie kaum bis einsilbig. Auch an den Gruppenaktivitäten des Heims nimmt sie trotz mehrfacher Motivationsversuche des Personals nicht teil. So geht es jetzt schon seit ein paar Wochen. Frau Huber ist dement und lebt im Pflegeheim. Wie der Grossteil dementer Pflegeheimbewohner leidet sie unter Apathie. Da Apathie wie andere typische Verhaltenssymptome dementer Menschen grosse Herausforderung im Heimalltag darstellen, haben die amerikanischen Gesellschaften für Gerontopsychiatrie und Geriatrie 2003 Leitlinien zur Behandlung von Verhaltenssymptomen und Depression in Pflegeeinrichtungen herausgegeben.
In ihrer Doktorarbeit untersuchte Yvonne Treusch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ergotherapie, die Frage, ob die amerikanischen Leitlinien in Berliner Pflegeheimen umgesetzt werden. Dabei stellte sich heraus, dass die medikamentöse Behandlung von den Leitlinien abwich – über die Hälfte der Patienten mit Verhaltenssymptomen erhielt Neuroleptika, die bei Demenzpatienten zu schweren Nebenwirkungen und einer erhöhten Sterblichkeit führen können. Aber auch die nicht-medikamentöse Behandlung zeigte deutliche Differenzen zu den Leitlinien auf. So konnten insbesondere Bewohner, die unter Apathie leiden, kaum an den Gruppentherapieangeboten teilhaben und erhielten nur in Ausnahmefällen eine Verordnung für Einzeltherapie. Den zweiten Teil ihrer Doktorarbeit richtete Yvonne Treusch daher auf die Frage, wie wirksam eine nicht-medikamentöse Behandlung von Apathie bei Demenzkranken ist.
Dazu erforschte Treusch in neun Berliner Pflegeheimen einen ergotherapeutischen Behandlungsansatz. Dabei zeigte sich, dass bereits eine kurze Therapieeinheit pro Woche die Apathieschwere der Patienten stabilisierte, während die Apathie bei den Patienten der Kontrollgruppe zunahm. In der Therapie nutzte das Forschungsteam Elemente aus der Biografie der Bewohner, um sie zu aktivieren und zu mobilisieren. Eine ehemalige Bankangestellte konnte so zum Beispiel motiviert werden, alte D-Mark-Münzen zu sortieren. Ein anderer Patient hatte früher gerne ausgedehnte Waldspaziergänge unternommen. Da er zum Zeitpunkt der Studie nicht mehr gehen konnte, führten die Therapeutinnen ihn durch eine Geschichte imaginär in den Wald. Dazu gehörte es, die Beine über am Boden liegende Äste zu heben, was der Patient dann im Bett liegend tat. Für diesen Teil ihrer Doktorarbeit erhielt Yvonne Treusch 2013 gemeinsam mit dem VIDEANT-Team der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité den Preis für Pflege- und Gesundheitsfachberufe in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde DGPPN.
Yvonne Treuschs Dissertation „Leitliniengestützte Therapie von neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz", besteht aus vier Artikeln:
Pharmakotherapie von neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz.(PDF 232,5 KB)
Wie können demenzkranke Pflegebewohner mit Apathie besser versorgt werden?
Apathy and Its Nonpharmacological Treatment in Dementia.
Apathy in Nursing Home Residents with Dementia: Results from a Cluster-Randomized Controlled Trial.