Studie «Giving Birth» nahm Erwartungen an die Geburt unter die Lupe
Die Forschungsstelle Hebammenwissenschaft der ZHAW untersuchte in Zusammenarbeit mit der Haute École de Santé Vaud die Geburtserwartungen und Erfahrungen von Frauen. Die Studie ist nun im Online-Journal Plos One veröffentlicht worden.
Die Schweiz hat eine der höchsten Kaiserschnittraten in Europa. Viele Studien haben die Situation aus medizinischer und physiologischer Sicht untersucht, aber es fehlte an Untersuchungen aus der Sicht der Frauen. An dieser Forschungslücke setzte eine Studie der ZHAW und der Haute École de Santé Vaud (HESAV) an. Sie wurde nun im Open-Access-Journal Plos One publiziert.
Das Ziel der Studie war, die Erwartungen an die Geburt sowie die Erfahrungen von gesunden Erstgebärenden in vier Kantonen in der Schweiz zu untersuchen und darauf aufbauen ein Modell zu entwickeln. An der hermeneutischen Studie nahmen 30 Frauen aus der Deutschschweiz, 14 aus der Romandie und 14 aus dem Tessin teil. Die Daten wurden durch vier Interviews pro Frau erhoben. Je zwei Interviews fanden vor der Geburt und zwei danach statt.
Das Modell umfasst vier Hauptthemen: Entscheidungen, Pflege, Einflüsse und Emotionen. Diese Themen ziehen sich durch die unterschiedlichen Phasen der Schwangerschaft bis nach der Geburt und spiegeln die Kontinuität bzw. die Brüche im Erleben der Frauen. Eine hermeneutische Diskontinuität zeigt sich insbesondere 6 Wochen nach der Geburt, wenn die Kluft zwischen den Erwartungen an die Geburt und den erlebten Erfahrungen zum Geburtsmodus deutlich wird. Diese Diskrepanz unterstreicht die Bedeutung von Aufklärung und informierter Zustimmung der Frauen hinsichtlich des Geburtsmodus. Die Studienautorinnen folgern, dass zur Erklärung der steigenden Kaiserschnittraten andere Faktoren als die Erwartungen und Wünsche der Frauen in Betracht gezogen werden müssen.
Nicht den Frauen in die Schuhe schieben
Die Daten der Studie, die vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt wurde, stammen von 2014 bis 2016. Die Ergebnisse seien relevanter denn ja, sagt Piroska Zsindely, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Hebammen der ZHAW und Mitautorin der Studie, die unter der Leitung von Prof. Dr. Valerie Fleming stand. «Die Kaiserschnittrate ist seither weiter gestiegen. Ich finde die Studienresultate auch im Kontext des wiedererstarkten Feminismus bemerkenswert», sagt Piroska Zsindely, die die Daten der Studie auch in ihrer Masterarbeit verwendete. «Es besteht die Gefahr, dass die hohe Kaiserschnittrate teilweise auf die Wünsche der gebärenden Frauen zurückgeführt wird. Dabei zeigen unsere Daten, dass andere Faktoren berücksichtigt werden müssen.»
Die Veröffentlichung im Journal Plos One freut Piroska Zsindely: «Wir begrüssen natürlich, dass diese hochschulübergreifende Arbeit nun dank Open Access der ganzen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung steht.» Am Projekt beteiligt waren auch Franziska Frank, Yvonne Meyer, Jessica Pehlke-Milde, Harriet Thorn-Cole und Claire de Labrusse.