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Gesundheit

Studieren möglichst nahe am Berufsalltag

Wie untersucht man jemanden, der über Atembeschwerden klagt? Wie gelangt man zu einer Diagnose und welche Behandlung ist danach angezeigt? Solchen Fragen sind Studierende des Masters of Science in Pflege an der ZHAW kürzlich an einem Praxistag zum klinischen Schwerpunkt Pneumologie nachgegangen. Mit dem Auf- und Ausbau solcher erweiterten klinischen Kompetenzen werden die Studierenden gezielt für eine Rolle als Advanced Practice Nurse (APN) geschult.

Maya Spalinger ist oft müde. Morgens muss sie sich zwingen, aufzustehen. Packt sie ihr Tagwerk an, gerät sie schnell ausser Atem. Ist sie körperlich zu aktiv, bleibt ihr die Luft weg. «Schon als Kind hatte ich manchmal Todesangst», sagt die 49-Jährige und erzählt von durchwachten Nächten, in denen ihre Mutter weinend an ihrem Bett sass.

Maya Spalinger leidet an einer unheilbaren Lungenkrankheit, die mangels eindeutiger Diagnose als COPD-ähnlich eingestuft wird. Eine «Chronic Obstructive Pulmonary Disease» (COPD) kann durch Schadstoffe aus der Industrie oder der Landwirtschaft ausgelöst werden. Häufigste Ursache ist jedoch das Rauchen. Im Volksmund wird daher auch von einer «Raucherlunge» gesprochen. Wie sie mit der Erkrankung lebt, hat Maya Spalinger, die selbst nie geraucht hat, kürzlich Studierenden der ZHAW erzählt. Anlass dazu gab ein vom ZHAW Institut für Pflege, der LUNGE ZÜRICH sowie dem Universitätsspital Zürich (USZ) erstmals durchgeführter Praxistag.

Master Studierende erhalten ein konkretes Bild

17 Teilnehmende erhielten an diesem Praxistag im Modul Klinische Schwerpunkte neben theoretischen Inputs Gelegenheit, praxisnahe Erfahrungen zu machen. Sie führten mit Spalinger und einem weiteren Patienten klinische Assessments im Rahmen von «Sprechstunden» durch. Sie lernten, wie Mess- und Inhalationsgeräte korrekt ange-wendet, wie ein Aktionsplan formuliert sowie Verhaltensänderungen angeregt werden.

«Die Studierenden üben sonst an Puppen, aneinander oder an sich selbst», schildert Veronika Waldboth, Leiterin Entwicklung und Pädagogik Master of Science in Pflege. Mit Betroffenen ein Anamnese-Gespräch zu führen und sie körperlich zu untersuchen, komme der Realität natürlich viel näher. «Die Teilnehmenden erhalten von einer Patientengruppe ein konkretes Bild», sagt Maria Schubert, Co-Leiterin Forschungsstelle Pflegewissenschaft und MSc Pflege. Sie würden aus erster Hand erfahren, wie sich eine Krankheit zeige und was sie im Alltag bedeutet. 

Sich an Erfolge zu erinnern, motiviert

COPD-Betroffene litten insbesondere darunter, dass sie wegen der Atemnot körperlich nur eingeschränkt leistungsfähig seien und an sozialen Aktivitäten weniger teilnehmen können, sagt Gabriela Schmid-Mohler, Klinische Pflegewissenschaftlerin am USZ. Erleben sie eine Lungeninfektion, fürchteten sie, zu ersticken. Hinzu komme das Stigma, dass die Krankheit in erster Linie aufs Rauchen zurückzuführen sei.

«Ziel der Behandlung ist es, dass Betroffene ein möglichst normales Leben führen können», sagt die USZ-Mitarbeiterin. Dazu würden nicht nur Medikamente eingesetzt, sondern auch Verhaltensänderungen unterstützt. Rauchern werde ein begleiteter Rauchstopp empfohlen. Der krankheitsbedingte, verminderte Antrieb erweise sich dabei immer wieder als Hürde. «Fehlt es an der Motivation, kann es helfen, nach zurückliegenden Erfolgserlebnissen zu fragen», äussert Gabriela Schmid-Mohler. So fokussiere man auf den Willen einer Person, der ihr schon einmal geholfen habe. Am Praxistag hat die Dozentin vermittelt, wie ein Aktionsplan aussieht. Darin wird festgehalten, wie die Symptome behandelt werden und was bei einer Verschlechterung zu tun ist. Der Patient soll sich dadurch sicherer fühlen ‒ er soll zum Experten für seine Erkrankung werden.

Falsch eingesetzt, nützen medizinische Geräte wenig

Beim Inhalieren der Medikamente geschehen allerdings häufig Fehler, wie Studien belegen. «Ein grosser Teil der Patienten wendet Inhalationsgeräte falsch an», sagt Florian Fehlmann, Leiter Beratung und Betreuung beim Verein Lunge Zürich. Die Gründe dafür seien vielfältig. Folglich gelangten die Wirkstoffe nicht in die Lunge, die Wirkung bleibe aus und die Symptome verschlimmerten sich. Bleibe die Fehlmanipulation unbemerkt, werde nicht selten erfolglos die Dosis der Medikamente erhöht und beim Betroffenen stelle sich das Gefühl ein, dass nichts helfe. «Das Problem wird extrem unterschätzt», stellt der Pflegefachmann fest. Daher sei es zentral, dass das Pflegepersonal entsprechend geschult werde, sein Wissen weitergebe und die Inhalationstechnik seiner Klienten regelmässig überprüfe.

Unbedingt mehr solcher Praxistage

«Die Studierenden lernen, ihr theoretisches Wissen in die Praxis zu transferieren», sagt Maria Schubert, auf das Ziel des Praxistages angesprochen. Ein Thema werde aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet; Lehre, Forschung und Praxis spannten zusammen. Der Fachbereich Pneumologie ist erstmals in diesem Rahmen vertieft worden. Eine weitere Durchführung ist geplant.

«Ich habe Neues gelernt, das ich im Alltag umsetzen kann», berichtet Anna-Maya Brütsch. Die Masterstudentin hat insbesondere von den «Sprechstunden» und dem Austausch mit den Betroffenen profitiert. «Es ist mir noch einmal anders bewusst geworden, was es bedeutet, wenn man ständig Atemnot hat.» Positiv findet sie zudem die Vernetzung untereinander. Diese helfe, die Koordination zwischen ambulanten Dienstleistern und Gesundheitsinstitutionen zu verbessern. Für die Klassensprecherin steht fest: «Es sollte unbedingt mehr solcher Praxistage geben».

Das Lernen am und mit Patientinnen und Patienten ist für den Auf- und Ausbau von erweiterten klinischen Kompetenzen, die Advanced Practice Nursing (APN) auszeichnet, zentral. Deshalb sind im 2020 weitere Praxistage zum Beispiel zum Trainieren des geriatrischen Assessments mit Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen der Stadt Zürich und Winterthur geplant.

Weitere Informationen zum Master of Science in Pflege

Bericht Praxistag(PDF 351,9 KB)