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Gesundheit

ADHS-Behandlung: Nicht das Kind, sondern sein Umfeld ändern

Eltern, Fach- und Lehrpersonen sollen enger zusammenarbeiten und ein Kind bei einer ADHS-Behandlung stärker in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen, so das Fazit einer Studie der ZHAW und der Universität Freiburg. Die Ergebnisse sind nun in eine Broschüre mit Handlungsempfehlungen eingeflossen – schweizweit ein Novum.

Die Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung ADHS gilt heute weltweit als eine der häufigsten psychischen Störungen von Kindern. Oft stand bei einer Diagnose bis anhin das Defizit und nicht das Kind im Zentrum. Nun hat die Studie «Kinder fördern – eine interdisziplinäre Studie zum Umgang mit ADHS» die Frage nach dem Kindeswohl ins Zentrum gestellt. Dabei wurde untersucht, weshalb sich Eltern für eine medikamentöse Behandlung ihrer Kinder entscheiden. Zudem wurden Fachpersonen zur Zusammenarbeit bei Kindern mit ADHS und den Ursachen der Störung befragt. Die Forschungsergebnisse sind in eine Broschüre mit Handlungsempfehlungen eingeflossen. «Zentral dabei ist der Perspektivenwechsel, der das Kind in den Mittelpunkt stellt», erklärt ZHAW-Studienleiter Dominik Robin. Empfohlen werden Massnahmen, die das Umfeld bestmöglich an die Eigenheiten und Bedürfnisse des Kindes heranführen.

Mehr als ein medizinisches oder psychologisches Phänomen

«Modelle, die den gesellschaftlichen Kontext und die Lebenswelt betroffener Kinder ausser Acht lassen, werden der Komplexität des Phänomens ADHS nicht gerecht», erklärt Robin. Einseitige Diagnosen und medizinische ADHS-Tests seien unzureichend. Um das Wohl des Kindes zu fördern, müsse ADHS als ein mehrschichtiges und mehrere Akteure involvierendes Phänomen verstanden und diagnostiziert werden. Entsprechend wichtig ist laut den Studienautoren eine sorgfältige Abklärung durch kompetente Fachpersonen und deren produktive Zusammenarbeit.

Die im Rahmen des Projekts entstandene Broschüre mit Handlungsempfehlungen für Fachpersonen und Betroffene stellt schweizweit ein Novum dar und soll den Akteuren im Entscheidungsprozess im Umgang mit ADHS helfen. Mit den Empfehlungen soll verhindert werden, dass Kinder mit ADHS-Symptomen vorschnell medizinisch versorgt werden oder aber unbeachtet und damit unversorgt bleiben. Für eine bessere Zusammenarbeit legen die Handlungsempfehlungen den Akteuren nahe, mindestens einmal einen Runden Tisch durchzuführen. Dieser kann ergänzend zu den üblichen bilateralen Gesprächen zwischen Eltern und Lehrpersonen oder auch zwischen Eltern und einer medizinischen Fachperson stattfinden. Wichtig ist auch hier, dass das Kind die Möglichkeit hat, dem Runden Tisch beizuwohnen. Es soll über allfällige Schritte informiert werden und auch seine Meinung kundtun dürfen.

Eltern entscheiden sich nicht vorschnell für Medikamente

Die Studienergebnisse zeigen, dass sich Eltern nicht vorschnell für eine pharmakologische Behandlung von ADHS entscheiden. Dieser Schritt steht oft am Ende einer langwierigen Behandlungs- und Leidensgeschichte. Als häufigste Gründe für die Behandlung mit Medikamenten wurden in der Elternbefragung schulische Leistungsanforderungen, familiäre Belastungen sowie allgemein der Leidensdruck im Schul- und Familienalltag genannt. Dieser Druck manifestiert sich häufig zunächst im schulischen Umfeld, weitet sich dann aber auch auf das familiäre System aus. Dieser Effekt bedeutet, dass bei Interventionen zur Verbesserung der Situation verstärkt die Interaktion von Schule und Familie berücksichtigt werden sollte.

Gemeinsames Projekt der ZHAW und der Universität Freiburg

«Kinder fördern – eine interdisziplinäre Studie zum Umgang mit ADHS» ist ein Kooperationsprojekt der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Universität Freiburg. Methodisch wurden quantitative und qualitative Befragungen vorgenommen. Befragt wurden Eltern von Kindern mit ADHS-Diagnose (6–14 jährig), Lehrpersonen, Heilpädagoginnen und Heilpädagogen sowie Kinderärztinnen und Kinderärzte. Forschende führten die Erhebungen in Kooperation mit Expertinnen und Experten aus Pädiatrie (Sozialpädiatrisches Zentrum, Kantonsspital Winterthur), Kinder- und Jugendpsychiatrie (Psychiatrische Universitätsklinik Zürich) und Akteuren aus dem Bildungsbereich durch. Das Projekt wurde von der Stiftung Mercator Schweiz finanziert.

Kontakt

Dominik Robin, Institut für Gesundheitswissenschaften, ZHAW Departement Gesundheit, Telefon 058 934 63 42, E-Mail dominik.robin@zhaw.ch

Frank Wieber, Institut für Gesundheitswissenschaften, ZHAW Departement Gesundheit, Telefon 058 934 43 47, E-Mail frank.wieber@zhaw.ch

Sandra Hotz, Institut für Familienforschung und Familienberatung, Universität Freiburg, Telefon 026 300 73 51, E-Mail sandra.hotz@unifr.ch

José Santos, Leiter Kommunikation ZHAW-Departement Gesundheit, Telefon 058 934 63 84, E-Mail jose.santos@zhaw.ch