Entscheiden
Marathon oder Halbmarathon? Zürich oder Berlin? April oder Juni? Unsere Entscheidungen werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Wem vor lauter Optionen der Kopf schwirrt, dem helfen Papier und Stift, starke Entscheide zu treffen.
Wie wir entscheiden
In der Entscheidungspsychologie dreht sich, etwas vereinfacht gesagt, alles um Optionen, Ereignisse und Konsequenzen. Diese gelten als externe Komponenten einer Entscheidungssituation. Sie wirken auf die Person, die entscheidet ein und können von ihr aufgenommen, interpretiert und verwendet werden. Als interne, also innerhalb einer Person liegende Komponenten, gelten Ziele und Gründe.
Schauen wir uns das einmal genauer an, am Beispiel einer Entscheidung für die Teilnahme an einem Marathon:
Externe Komponenten
- Optionen sind Handlungen, Objekte, Strategien usw., zwischen welchen gewählt bzw. entschieden werden kann – es braucht für eine Entscheidung also mindestens zwei Optionen. Teilweise sind die verfügbaren Optionen vorgegeben, teilweise müssen und können diese erst entwickelt oder identifiziert werden. Wenn ich mich entscheide, nächstes Jahr einen Marathon zu laufen, kann ich mich zwischen verschiedenen Optionen entscheiden, z.B. dem Marathon in Zürich oder in einer anderen Stadt.
- Ereignisse sind Tatsachen und Sachlagen, auf welche ein Entscheider selber keinen Einfluss hat. Dennoch können Ereignisse Entscheidungen beeinflussen. Ich habe z.B. auf den Ort und das Datum eines bestimmten Marathons keinen Einfluss, jedoch können diese Faktoren einen Einfluss auf meine Entscheidung haben, nächstes Jahr einen Marathon zu laufen.
- Konsequenzen ergeben sich aus der Wahl zwischen Optionen, sie sind also unmittelbare Folgen von Entscheidungen. In der Regel entscheidet man sich nicht zufällig für eine bestimmte Option, sondern aufgrund der zu erwartenden Konsequenzen. Konsequenzen aus meiner Entscheidung, einen Marathon zu laufen, können vielfältig sein und sich auf verschiedenen Ebenen bemerkbar machen (Z.B. fühle ich mich fit und gesund; ich erhalte Komplimente für mein Aussehen oder meine Ausdauer usw.).
Interne Komponenten
- Durch Ziele werden Entscheidungssituationen dahingehend gesteuert, dass sie die Menge an Optionen und Konsequenzen einschränken. Mein Ziel, einen Marathon zu laufen, schränkt beispielsweise meinen Freizeitplan dahingehend ein, dass ich am Marathontag nicht in den Ferien sein und genügend Zeit für Training und Vorbereitung einplanen sollte. Ziele helfen also, die Menge an Optionen zu begrenzen.
- Entscheidungen werden oft unter dem Gesichtspunkt getroffen, wie gut sie (gegenüber sich selbst sowie gegenüber anderen) begründet werden können. Diese Gründe spielen bei Entscheidungen meist dann eine Rolle, wenn sie nicht intuitiv getroffen werden und wenn weitreichende Konsequenzen erwartet werden, welche also z.B. nicht nur mich, sondern auch mein Umfeld, andere Personen usw. betreffen. Wenn ich mich z.B. entscheide, heute mein rosa Shirt zum Training anzuziehen, ist mir die Begründung dafür weniger wichtig, als wenn ich z.B. entscheide, mein ganzes Team für einen Team-Lauf mit rosa Leibchen auszustatten – dann wird es mir wichtiger sein, gute Gründe dafür zu haben, mit denen ich argumentieren kann.
Ziele und Gründe laufen den Entscheidungen natürlich in der Regel voraus. Wenn ich das Ziel habe, abzunehmen, habe ich in der Regel gute Gründe dafür (fit sein/werden; abnehmen an sich; Lebensqualität erhöhen usw.). Um dieses Ziel zu erreichen, stehen mir verschiedene Optionen offen. Eine davon ist beispielsweise, auf ein Ereignis hin, z.B. einen Marathon, zu trainieren. Dies wird weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen: einerseits als unmittelbare Folge der Entscheidung selber (z.B. Lauftraining; Ernährungsplan usw.), welches wiederum Auswirkungen haben wird (z.B. besseres Körpergefühl; Gewichtsabnahme; verbesserte Laufökonomie; aber natürlich auch Muskelkater usw.). Und schliesslich wird auch das Absolvieren des Marathons selber Konsequenzen haben (Stolz auf eigene Leistung; Anerkennung von anderen; Lust auf weitere Läufe usw.)
Notieren statt studieren
Oft gehen wir im Kopf kurz durch, welches die möglichen Konsequenzen einer Entscheidung sein könnten, im Stile einer mentalen Plus-/Minus-Bilanz. Dabei stehen oft kurzfristige, saliente (=hervorstechende) Folgen im Vordergrund. Wenn ich zum Beispiel an die Option «Marathonteilnahme» denke, wird mir in den Sinn kommen, dass ich als Konsequenz wohl fit sein werde (oder auch dass mir die Knie schmerzen werden). Für eine gründlichere Abschätzung einer Entscheidung lohnt es sich jedoch, über mögliche Folgen länger nachzudenken und diese zu notieren oder sogar grafisch darzustellen, wie in der folgenden Übung beschrieben.
Die Übung in Kürze:
- Sammle
Welche Optionen stehen für mein Ziel zur Verfügung? Welche Ereignisse können meine Entscheidung beeinflussen? Was sind mögliche Konsequenzen? Letztere kannst du in die Kategorien «kurz- und mittel-» bzw. «langfristig» einteilen. Z.B. wäre erhöhte Fitness sicherlich (auch) eine kurzfristige Folge einer Marathonvorbereitung. Dies könnte jedoch wiederum längerfristige Konsequenzen nach sich ziehen: Der Beginn einer Lauf-Leidenschaft; gesündere Lebensweise; ein Marathon als jährliches Ziel; erhöhtes Wohlbefinden; ganz allgemein mehr Sporttreiben; höhere Lebensqualität, usw. - Gewichte
Hast du Optionen, Ereignisse und Konsequenzen aufgeschrieben, kannst du diese zusätzlich nach verschiedenen Kriterien (z.B. Wichtigkeit, Dringlichkeit usw.) gewichten. - Entscheide
Der Entscheid liegt schlussendlich natürlich immer noch bei dir. Doch diese einfache Methode hilft dir nicht nur, Entscheidungen besser abzuwägen. Sie trägt auch dazu bei, dass auf dieser Basis getroffene Entscheide länger und mit mehr Engagement verfolgt werden.
Quelle
Jungermann, H., Pfister, H.-R., & Fischer, K. (2005): Die Psychologie der Entscheidung – Eine Einführung.