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IAP Institut für
Angewandte Psychologie

Visualisieren

Wenn man sich etwas intensiv vorstellt, steigt die Motivation, das im Geist erlebte auch tatsächlich real zu erfahren. Sportler/innen können sich diese Technik zu Nutze machen, um zum Beispiel die Motivation zu steigern oder eine bestimmte Lauftechnik zu erlernen. Wie Visualisieren genau geht, erfährst du hier.

Vorstellung steigert Motivation

Unter Visualisieren wird im Kontext der Psychologie das bildliche Sich-Vorstellen von Bewegungen, Gegebenheiten oder Situationen verstanden. 1852 beschrieb der englische Naturwissenschaftler William Carpenter einen bemerkenswerten Effekt: Die Wahrnehmung oder Vorstellung einer Bewegung regt den Antrieb zur Ausführung der gleichen Bewegung an. Später wurde das Gesetz auf alle subjektiven Wahrnehmungs- und Vorstellungsinhalte erweitert.

Durch eine intensive Vorstellung entsteht Motivation zur Durchführung bzw. zum Erleben des Vorstellungsinhaltes. Das heisst, wenn sich jemand intensiv vorstellt, wie zum Beispiel die Familie am Ziel des Marathons wartet oder er stolz das Finisher-Leibchen entgegennimmt, dann werden motivationale Prozesse ausgelöst, die helfen können, auch in schwierigen Phasen das Training oder auch den Lauf durchzuhalten oder sie können sogar der eigentliche Antrieb dazu sein. Sportler/innen können sich diesen Umstand entsprechend zu Nutze machen, um zum Beispiel die Motivation zu steigern, taktische Pläne vorzubereiten oder eine bestimmte Lauftechnik zu erlernen.

Aus der Forschung ist bekannt, dass Visualisierungen umso stärker wirken, je intensiver und reichhaltiger diese waren. In der praktischen Anwendung der Visualisierung geht es deshalb häufig darum, sich Dinge nicht nur rein bildlich, sondern auch über andere Wahrnehmungskanäle (zum Beispiel auditiv oder kinästhetisch) möglichst intensiv vorzustellen. 

Bevor man aber damit beginnt, sich konkrete Sport-Situationen vorzustellen, sollte man zunächst die Grundkompetenzen des Visualisierens an einfachen Objekten üben, um mit möglichst allen Sinnen intensive, realitätsnahe Vorstellungen zu erzeugen. Wir können uns eine Situation wie den Start am Marathon rasch vorstellen. Aber wie intensiv ist diese Vorstellung? Wie genau siehst du alles vor dir? Riechst du die Morgenfrische? Spürst du die Vorfreude, die Anspannung der Muskeln, den Herzschlag? Hörst du den Speaker? Um deine Sport-Visualisierungen möglichst intensiv zu erleben und somit von den positiven Effekten maximal profitieren zu können, solltest du möglichst alle Sinneskanäle in der Vorstellung «trainieren». Dazu eignen sich Gegenstandsübungen wie die unten aufgeführte Zitronenübung - ein Klassiker der Visualisierungsübungen. Je nach Ausführung spricht sie alle Sinneskanäle an: visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch und gustatorisch.

Video: Wie gelingt Visualisieren?

Dr. Jan Rauch erzählt, was es mit der Visualisierungs-Technik auf sich hat und wie Sportler/innen diese nutzen können.

Die Übung:

      Leg eine Zitrone (oder einen Apfel, eine Banane oder Orange) vor dich hin. Konzentriere dich auf die Zitrone und betrachte sie genau. Setze nach und nach weitere Sinne ein, um die Zitrone zu «erfassen». Nimm dir für jeden Schritt mindestens 30 Sekunden Zeit.

      • Was siehst du genau? Die Zitrone, klar. Aber was siehst du noch? Zum Beispiel einen uneinheitlichen Farbverlauf oder Unebenheiten auf der Schale?
      • Wie fühlt sich die Zitrone an? Spürst du zum Beispiel die Rauheit der Schale oder die Unebenheit? Wie schwer ist die Zitrone?
      • Wie riecht die Zitrone? Riechst du den typischen Zitronenduft oder auch etwas Unerwartetes?
      • Was hörst du, wenn du mit dem Finger über die Schale fährst? Hast du dieses Geräusch so erwartet? 

      Schliesse nun die Augen und stell dir die Zitrone im Geiste vor. Erscheint die Zitrone vor deinem geistigen Auge? Ist sie klar, farbecht? Spürst du sie und riechst du sie? Gleiche deine Vorstellung zwischendurch immer wieder mit der Realität ab, indem du z.B. die Augen öffnest, die Zitrone nochmal in die Hand nimmst und nochmal daran riechst. So verfeinerst du das Bild, das du von der Zitrone hast und die Visualisierung wird immer realitätsnäher.

      In einem nächsten Schritt stellst du dir vor, wie du die Zitrone schälst, ein Stück davon rausreisst und kräftig hineinbeisst. Versuche auch hier, alle Sinne miteinzubeziehen: wie fühlst sich das Schälen an, wie riecht es, usw.?

      Mache danach wieder den Realitätscheck: Schäle die Zitrone, reiss ein Stück heraus und beiss kräftig rein. Was erleben deine Sinne? War die Vorstellung davon realitätsnah? Wo musst du die Visualisierung anpassen? Welcher Sinneskanal gelingt besser, welcher ist schwierig und sollte noch mehr trainiert werden?

      Diese Übung kann natürlich mit ganz verschiedenen Gegenständen wiederholt werden. Sich etwas Essbares vorzustellen ist aber deshalb gut geeignet, weil sich verhältnismässig leicht andere Sinne als nur der visuelle aktivieren lassen. Mit der Zeit kannst du die Visualisierungen auf sportliche Gegenstände wie zum Beispiel den Laufschuh oder eben marathonspezifische Situationen ausweiten. Stell dir die Situation vor dem Start vor. Wie verhältst du dich bei verschiedenen Bedingungen oder in schwierigen Situationen? Was machst du, wenn du während dem Lauf die Motivation verlierst?