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Angewandte Psychologie

Netflix und TikTok im Trend bei Primarschulkindern

Spielen, Sport und soziale Kontakte prägen die Freizeit von Primarschulkindern in der Schweiz. Erst dann folgt mit Gaming eine digitale Tätigkeit. Die neue MIKE-Studie der ZHAW und der Plattform Jugend und Medien zeigt, dass das Mediennutzungsverhalten der Sechs- bis Dreizehnjährigen trotz erhöhter Nutzung während der Coronapandemie wieder auf einem ähnlichen Niveau wie zuvor ist.

Spielen, Sport und soziale Kontakte prägen die Freizeit von Primarschulkindern in der Schweiz.

Während der pandemiebedingten Einschränkungen waren gewisse Freizeitaktivitäten nicht möglich und zusammen mit dem Fernunterricht erhöhte sich die Nutzungsintensität von digitalen Medien. Diese Veränderungen hatten jedoch keine langfristigen Auswirkungen auf die Mediennutzung der Kinder. Wie in den vorherigen Jahren zählen laut der repräsentativen MIKE-Studie das nonmediale Spielen in all seinen Formen und das Ausüben verschiedener Sportarten wie Fussball und Fahrradfahren zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten. Befragt wurden von den ZHAW-Forschenden rund 1000 Sechs- bis Dreizehnjährige in der Schweiz zwischen Ende 2021 und Anfang 2022. Zugenommen hat im Vergleich zur letzten Befragung 2019 das Malen, Zeichnen und Basteln. Besonders zentral für die Kinder bleiben Unternehmungen mit der Familie und das Treffen von Freundinnen und Freunden. Gemäss ZHAW-Medienpsychologin Lilian Suter spiegelt sich darin das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit wider. Im Verlauf der Primarschulzeit wird das Medienrepertoire von Kindern jedoch immer vielseitiger und die Mediennutzung erhält einen grösseren Platz in ihrem Alltag.

Film-Favoriten: Harry Potter, Naruto und Squid Game

Fernsehen ist neben Musikhören und Bücherlesen oder -anschauen die Medientätigkeit, mit der sich Primarschulkinder in der Schweiz am meisten beschäftigen. Knapp die Hälfte aller Kinder schaut jeden oder fast jeden Tag fern – gemäss Angaben der Eltern im Durchschnitt ungefähr eine halbe Stunde pro Tag. Zunehmend werden Filme und Serien über Streamingdienste wie Netflix geschaut. Ebenfalls beliebt sind Onlinevideos, insbesondere auf YouTube. Zu den beliebtesten Filmen, Serien oder Sendungen gehören Klassiker wie die Harry-Potter-Filme, danach folgt die japanische Animeserie Naruto und auf Platz drei die südkoreanische Dramaserie Squid Game. Die Altersempfehlungen der Sendungen werden wenig beachtet: einige der Harry-Potter-Filme sind ab zwölf Jahren freigegeben, Squid Game erst ab 16 Jahren. Bei Erfahrungen mit Fernsehinhalten überwiegen die positiven Aspekte. Jedoch geben jeweils rund 60 Prozent der Kinder an, bereits angsteinflössende oder für Kinder ungeeignete Inhalte gesehen zu haben. «Deshalb ist es zentral, mit Kindern über Fernseh- und Filminhalte zu sprechen und sie dabei zu unterstützen, das Gesehene zu verstehen und einzuordnen», sagt Nina Hobi von der Plattform Jugend und Medien. «Besonders wichtig ist zudem das Beachten der Altersempfehlungen.»

Beliebte Games: Minecraft, Roblox und Mario Kart

Die beliebteste Medientätigkeit ist über alle Primarschulstufen hinweg das Gamen. Zu den Topfavoriten zählen Minecraft und Roblox. Diese Videogames zählen zu den sogenannten Sandbox Games, ein Genre, in der die Spielwelten oder Spielinhalte von den Spielenden kreativ selbst gebaut oder entwickelt werden. In den zwei Games gibt es jeweils auch eigene Communitys, in denen man sich austauschen kann. Auf dem dritten Platz steht mit dem Rennspiel Mario Kart ein Klassiker, der seit 1992 stetig aktualisiert und weiterentwickelt wurde. «Insgesamt üben Games auch heute noch eine stärkere Faszination auf Jungen als auf Mädchen aus», sagt ZHAW-Medienpsychologe Gregor Waller. 77 Prozent der Jungen und 51 Prozent der Mädchen gamen mindestens einmal pro Woche. «Grundsätzlich nimmt die Zeit, die Kinder mit dem Spielen von Videogames verbringen, über das Primarschulalter hinweg zu. Videogames scheinen im Alter von zwölf bis dreizehn Jahren aber eine Hochphase erreicht zu haben. Im Jugendalter verlieren sie dann wieder zunehmend an Bedeutung», so Gregor Waller.

WhatsApp und TikTok im Trend

Ähnlich wie sich die Bedeutung von Games je nach Alter verschiebt, zeigt sich dies bei weiteren Medien wie Handy und Internet. Einerseits nimmt die Nutzung des Handys zu: 40 Prozent der jüngeren Kinder nutzen es mindestens einmal pro Woche, bei den 10- bis 11-Jährigen sind es bereits 68 Prozent und bei den 12- bis 13-Jährigen 81 Prozent. Andererseits nutzen jüngere Kinder das Handy vor allem zur Unterhaltung mit Musik, Games und Onlinevideos. Ab einem Alter von zehn Jahren machen Kinder von immer vielseitigeren Handyfunktionen Gebrauch, beispielsweise der Kommunikation über soziale Netzwerke. Ab diesem Alter besitzt ausserdem mehr als die Hälfte der Kinder ein eigenes Handy, bei den 12- bis 13-Jährigen bereits drei Viertel. Kinder der 4. bis 6. Primarklasse nutzen am häufigsten den Messengerdienst WhatsApp. Bei den sozialen Netzwerken wird TikTok am häufigsten genutzt (37 Prozent mindestens einmal pro Woche), gefolgt von Snapchat (28 Prozent) und Instagram (17 Prozent). Die MIKE-Studie zeigt, dass soziale Netzwerke im Primarschulalter noch kein Massenphänomen sind – was sich spätestens ab dem Oberstufenalter ändert.

Selbstbestimmter Medienumgang

Den Primarschulkindern eröffnen sich etwa durch das eigene Handy neue Handlungsspielräume und sie erlangen dadurch mehr Selbstständigkeit. Laut Gregor Waller ist es deshalb zentral, Kinder bei diesen Entwicklungsschritten aktiv zu begleiten: «Gerade da Handy- und Internetgebrauch weniger kontrollierbar sind als die Fernsehnutzung sind gemeinsame Gespräche und Abmachungen wichtig». Die meisten Kinder (80 Prozent) berichten von positiven Erfahrungen im Internet, jedoch haben knapp die Hälfte angsteinflössende Inhalte und 40 Prozent kinderuntaugliche Inhalte gesehen. In der aktuellen MIKE-Befragung wurden Kinder der 4. bis 6. Klasse ausserdem erstmals detailliert zu negativen Erlebnissen im Internet befragt. Jedes vierte Kind hat bereits miterlebt, dass ein anderes Kind online beleidigt wurde, 15 Prozent waren selbst betroffen. Ähnlich viele Kinder kamen in Kontakt mit Ausgrenzungen wie zum Beispiel dem Ausschluss aus einer Chatgruppe. Etwa jedes zehnte Kind hat erlebt, dass ungewollt Bilder oder Videos verschickt wurden und 6 Prozent wurden online in irgendeiner Form belästigt. «Besonders wichtig ist es deshalb, dass erwachsene Bezugspersonen Kinder bei der Erkundung der digitalen Welt begleiten, ihnen aufzeigen, welche Inhalte nicht veröffentlicht werden sollten und ihnen konkrete Tipps bei negativen Erfahrungen mitgeben», hält Lilian Suter fest.

Kontakt

Kontakt zum Autorenteam (ab 10 Uhr) via Lilian Suter, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Mit-Autorin, Departement Angewandte Psychologie ZHAW, Tel. +41 58 934 84 56, E-Mail lilian.suter@zhaw.ch

Nina Hobi, Geschäftsfeld Familie, Generationen und Gesellschaft FGG, Kinder- und Jugendfragen, Bundesamt für Sozialversicherungen BSV (Plattform Jugend und Medien), Tel. +41 58 461 16 18, E-Mail nina.hobi@bsv.admin.ch